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24.01.2023

Die Stadt muss neu gedacht werden

Die Grafik zeigt den Verlauf der Jahresdurchschnittstemperatur in Trier, die seit circa 19970 stark ansteigt
Entwicklung der Durchschnittstemperatur im Kalenderjahr in Trier im Zeitraum 1881 bis 2019
Der Stadtrat hat im Dezember das Integrierte Klimaschutzkonzept beschlossen. Julia Hollweg und David Lellinger von der Stabsstelle Klima- und Umweltschutz der Stadtverwaltung haben an dem gut 100 Seiten starken Leitfaden mitgewirkt. Im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ) steigen die beiden Klimaschutzmanager etwas tiefer in die Materie ein.

RaZ: Die Veränderung des Klimas lässt sich nicht an einzelnen Hitzewellen festmachen, sondern nur durch langfristige Auswertung der Daten. Wie haben sich die Messdaten für Trier entwickelt?

Julia Hollweg: Die Temperatur in Trier wird seit ungefähr 1880 gemessen und wenn man 30- jährige Bezugszeiträume anlegt, stellt man große Veränderungen fest. Zwischen 1880 und 1910 lag die Jahresdurchschnittstemperatur noch unter neun Grad. Ab etwa 1970 ist der Anstieg deutlich zu erkennen: Zwischen 1970 und 2000 sind wir schon bei 9,6 Grad. Und wenn wir den Zeitraum 1990 bis 2020 nehmen, sind wir bei 10,4 Grad. Seit Beginn der Messungen können wir also von einem Anstieg um 1,5 Grad sprechen.

Übergeordnetes Ziel des Klimaschutzkonzepts ist die klimaneutrale Stadt. Was genau bedeutet das und wie kommen wir dahin?

Hollweg: Es würde bedeuten, dass wir in unserem Stadtgebiet ein Gleichgewicht herstellen zwischen dem Kohlenstoff-Ausstoß einerseits und der Kohlenstoff-Aufnahme im Naturraum andererseits. Das ist ein Fernziel und das ist kein einfaches Ziel. Um dahin zu kommen, müssen wir schauen, in welchen Bereichen besonders viel CO2 ausgestoßen wird und wie wir das reduzieren können. Es gibt die drei großen Handlungsfelder Mobilität, Strom und Wärme und es gibt auf der anderen Seite die Akteure: die Privathaushalte, die Wirtschaft, also Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen, und die Stadtverwaltung. Im Klimaschutzkonzept haben wir uns angeschaut, welche CO2-Einsparmöglichkeiten es für diese Akteure in den drei Handlungsfeldern gibt und wie wir das auf den Weg bringen.

Wie groß ist der Beitrag, den Kommunen zur Klimaneutralität leisten können, solange richtungsweisende Entscheidungen, wie zum Beispiel über die Energieversorgung, auf höheren Ebenen getroffen werden?

Hollweg: Natürlich schaffen die Landes- oder die Bundesregierung den gesetzlichen Rahmen. Das hindert uns aber nicht, vor Ort eine Vorreiterrolle einzunehmen oder Dinge weiter voranzutreiben auch wenn es noch gar keine gesetzlichen Vorschriften gibt. Die kommunale Ebene ist die Arbeitsebene, wo Klimaschutz konkret wird. Beispiel Mobilität: Hier können wir die entsprechende Infrastruktur aufbauen, dass die Menschen ihre Elektrofahrzeuge aufladen können, oder Anreize schaffen zum Umstieg auf den ÖPNV oder das Fahrrad. Oder blicken wir auf das ganz große Thema Wärmeplanung: Da müssen wir vor Ort Quartierskonzepte entwickeln und festlegen, wie einzelne Stadtviertel in 20 Jahren klimaschonend mit Heizenergie versorgt werden.

Ist das Klimaschutzkonzept eher eine Handlungsanleitung für das Rathaus und den Stadtrat oder richtet es sich an die gesamte Stadtgesellschaft?

Hollweg: Es ist natürlich auch ein Handlungsleitfaden für die Stadtverwaltung, aber es richtet sich an alle Triererinnen und Trierer. Denn mehr als die Hälfte des CO2-Ausstoßes entsteht in den privaten Haushalten und bei der individuellen Mobilität.

Im Klimaschutzkonzept sind 123 einzelne Maßnahmen aufgelistet. Wo sollte man Prioritäten setzen? Womit ließe sich schnell eine Wirkung erzielen?

Hollweg: Es hätte einen großen Effekt und würde die Stadt nichts kosten, wenn deutlich mehr Bürgerinnen und Bürger das eigene Auto stehen lassen und im innerstädtischen Verkehr auf den ÖPNV umsteigen. CO2-Neutralität erreichen wir nur mit weniger motorisiertem Individualverkehr und mehr Fußgängerinnen, Radfahrern und Fahrgästen im ÖPNV. Die Stadt kann das flankieren mit höheren Parkgebühren und der Ausweisung von weiteren Zonen, in denen Autoverkehr nicht möglich oder eingeschränkt ist. Wir müssen auch über Neubaugebiete mit weniger Parkflächen diskutieren. Das ist kein großer Aufwand, könnte aber eine große Wirkung haben. Das gleiche gilt, gerade in der aktuellen Energiepreiskrise, auch für Maßnahmen zur Gebäudedämmung an Privathäusern.

David Lellinger: Wenn es um Prioritäten für städtische Investitionen geht, wären Photovoltaikanlagen auf den Dächern der städtischen Gebäude eine sehr sinnvolle Sache, die sich auch sehr schnell wieder amortisiert. Wichtig wäre auch ein Fahrplan für die energetische Sanierung der Immobilien.

Was verbirgt sich hinter dem Stichwort „Mosel-Energie"?

Lellinger: Nah- oder Fernwärmenetze werden in größeren Städten klassischerweise noch immer mit Kohle oder Gas betrieben. Neuerdings gibt es alternative Ansätze von Stadtwerken wie zum Beispiel in Mannheim, die Deutschlands größte Flusswasserwärmepumpe installiert haben. Auf Trier übertragen heißt das: Man benutzt als Wärmequelle die Mosel und entzieht dem Flusswasser circa ein Grad Temperaturleistung. Bezogen auf das Volumen der Mosel entspricht das einer unheimlich hohen Energie – daher der Begriff Mosel-Energie. Das ist nicht ganz so einfach umzusetzen, weil zum Beispiel auch das Wasserrecht beachtet werden muss. Grundsätzlich könnte man aber mit einer zentralen Wärmepumpe, die aus Flusswasser gespeist wird, mehrere tausend Haushalte mit klimaneutraler Wärme versorgen.

Der Bau von Windkraftanlagen in der Nähe von Siedlungen und in Wäldern würde das Stadtbild verändern. Wie sehen Sie die daraus entstehenden Konflikte mit dem Natur- und Landschaftschutz?

Hollweg: Man muss dabei beachten, dass die Landesregierung in diesem Fall den Städten klare Vorgaben gemacht hat. Jede Kommune muss ihren Beitrag leisten und Flächen für Windkraftanlagen ausweisen. Daraus ergibt sich ein Diskussionsprozess. Bisher hat die Stadt geschaut, welche Flächen in Trier überhaupt in Frage kommen. Und dann startet die Abwägung im Dialog mit den politischen Gremien und mit den Bürgerinnen und Bürgern, welche Flächen tatsächlich ausgewiesen werden. Aber es stimmt schon: Große Windräder würden das Stadtbild verändern. Andererseits benötigen wir alle Energie und daher müssen wir uns wohl letztlich an dieses neue Bild gewöhnen. Ich glaube, dass ein gesamtgesellschaftlicher Umbau, wie er uns bevorsteht, auch ein Umdenken und eine neue Sichtweise erfordert.

Welche Überlegungen gibt es zum Dialog mit den Bürgerinnen und Bürger bei der Umsetzung des Klimaschutzkonzepts?

Hollweg: Coronabedingt hatten wir nicht die Möglichkeit, bei der Erstellung des Konzepts große Beteiligungsveranstaltungen für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger zu organisieren. Das ändert sich jetzt: Am 26. Januar wollen wir die Maßnahmen des Klimaschutzkonzepts vorstellen und auch bewerten lassen. Wir brauchen ja bei vielen Maßnahmen die Zustimmung oder die Hilfe oder die Beteiligung der Triererinnen und Trierer. Wir möchten gerne wissen: Wo wird Hilfe bei der Umsetzung benötigt, wo fehlt es an Informationen und welche Fördermöglichkeiten bieten sich an. Solche Veranstaltungen wollen wir auch in Folge anbieten, damit wir wissen, wo wir stehen. Außerdem soll es themenbezogen weitere Informationsformate und Diskussionsforen geben. Denkbar
wäre zum Beispiel ein monatlicher Energiestammtisch, eine wöchentliche Sprechstunde bei der Stabsstelle Klima- und Umweltschutz oder Klimaschutz als Themenschwerpunkt in der Volkshochschule. Darüber hinaus sind wir Klimaschutzmanager froh über jeden Beitrag, der uns über die Adresse klimaschutz@trier.de erreicht.

Präsentation am 26. Januar

Wer sich weiter über den Klimaschutz in Trier informieren will, hat dazu diese Woche eine gute Gelegenheit: Bei einer Info- und Diskussionsveranstaltung am Donnerstag, 26. Januar, 18 Uhr, im Foyer der Europahalle stellen Baudezernent Andreas Ludwig und das Team der Stabsstelle Klima- und Umweltschutz das Klimaschutzkonzept vor. An Thementischen wird über die Umsetzung einzelner Projekte diskutiert

 

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