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Distanz ist nicht möglich

AVG-Schüler Finn Marz über Indien

"Um es ohne Wertung zu sagen: Indien macht es dem Besucher schwer, manchmal sogar unmöglich, die Augen zu schließen vor Armut und persönlichem Elend; vor Müllbergen und Perspektivlosigkeit; vor Problemen, von denen man gehört hat und die plötzlich real werden. Genauso schwer kann man den Blick abwenden von der Schönheit Indiens, das ist unbestreitbar.

Wer vom klimatisiert sterilen Flughafengebäude in Chennai den entscheidenden Schritt nach draußen wagt, dem schlägt so viel und mit solcher Wucht entgegen, dass es kaum auf einmal zu verarbeiten ist. Die Luftfeuchtigkeit, die Hitze, der Geruch und selbstverständlich die Blicke der unzähligen Menschen. Man wird nicht auf Distanz gehen können. Erst recht nicht in einem überfüllten Bus. Man wird auch nicht wegschauen können, wenn der Anblick weniger schön wird. In Deutschland ist das wesentlich leichter.

Doch uns muss klar sein, dass unser CO2 Fußabdruck pro Kopf den der Inder um ein Vielfaches übersteigt. Dass es einen Zusammenhang gibt zwischen unserem Reichtum und der Armut anderer Länder. Dass Perspektivlosigkeit auch in Deutschland existiert, wissen wir, doch es fällt uns in unserem Alltag nicht allzu schwer, wegzuschauen.

Wegschauen ist Blindheit. Und so weit entfernt von solchen Problemen ist sie wohl unvermeidbar. Deshalb ist es von Bedeutung zu reisen, und zwar so, dass es unmöglich wird wegzuschauen und dass man gar nicht mehr vermeiden kann, sich mit den Ärmsten in unserer Gesellschaft zu identifizieren. Und damit ändern wir uns.

Die Hilfsprojekte des AVGs in Indien mögen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein, aber sie verändern etwas. Auf der Indienreise macht das einen Unterschied. Schulgebäude zu sehen, die von Spenden des AVGs finanziert wurden, oder mit Schülern zu sprechen, die ein kleines Stipendium zur Unterstützung bekommen haben. Das sind vielleicht Einzelschicksale in einem riesigen Land, aber sie zeigen, dass wir als Unesco-Projekt-Schule bereit sind, hinzusehen und zu handeln und dass nichts davon sinnlos ist.

Gandhi sagt: Wir müssen die Änderung sein, die wir in der Welt sehen wollen."