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25.01.2022

Zu viele haben weggeschaut

Dr. Thomas Grotum (r.) erläutert Dezernent Markus Nöhl ein Ausstellungsobjekt
Dr. Thomas Grotum (r.) erläutert Dezernent Markus Nöhl einen ergänzenden Teil der Ausstellung, der von der Gedenkstätte Osthofen kommt. Dabei geht es um Übergriffe gegen Juden in der Region. Die Plakate zeigen SA-Truppen, die am 1. April 1933 einen Boykottzug gegen jüdische Läden in Wittlich anführten.
Auf den Tag genau 80 Jahre nach der Wannseekonferenz, bei der führende Vertreter des NS-Apparats bürokratische Details der „Endlösung der Judenfrage" festlegten, startete bei der VHS im Palais Walderdorff eine Ausstellung zu der schmerzlichen Frage, wie es so weit kommen konnte und welche Schuld gewöhnliche Menschen damals auf sich geladen haben.

Bei der Eröffnung gingen nach der Begrüßung durch VHS-Chef Rudolf Fries Kulturdezernent Markus Nöhl und der Trierer Historiker Dr. Thomas Grotum (Uni Trier) auf Ergebnisse aktueller Forschungen ein. Sie präsentieren immer mehr Details, auch aus der Region, zu den Pogromen am 9./10.
November 1938 und den Übergriffen nach dem Start der NS-Regierung im Frühjahr 1933. Grotum wies darauf hin, dass sich den Exzessen nur sehr wenige Menschen entgegengestellt hätten. Mit Blick auf die Gegenwart bedankten sich der Historiker und Dr. Thomas Zuche (AG Frieden) bei der Eröffnung der Ausstellung für die wachsende politische Unterstützung in Trier zum Ausbau der Gedenkarbeit. Ein Ausdruck ist der Beschluss des Stadtrats, das Programm zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar aufzuwerten, der an die Befreiung des KZ Auschwitz erinnert.

Die Wanderausstellung „Einige waren Nachbarn: Täterschaft, Mitläufertum und Widerstand während des Holocaust" setzt schon vorher einen Akzent. Sie untersucht die Rolle der gewöhnlichen Menschen im Holocaust und die Motive, die ihr Verhalten beeinflussten: Gleichgültigkeit und Antisemitismus spielten ebenso eine Rolle wie materieller Gewinn durch die Arisierung jüdischen Besitzes. Die Ausstellung des United States Holocaust Memorial Museums zeigt aber auch, dass es Alternativen zu Kollaboration und (Mit-)Täterschaft gab.

Überblick zum weiteren Programm

  • Lichtinstallation: Die AG Frieden gedenkt in Kooperation mit der Hochschule und der Uni sowie weiteren Partnern durch die Lichtinstallation „erinnerLicht" an der Porta Nigra der Trierer NS-Opfer und der deportierten Jüdinnen und Juden. Sie wird am 27./28./29. Januar, jeweils 17.30 bis 21.30 Uhr, online übertragen. Die AGF plant auch mehrere Rundgänge, weitere Infos: www.agf-trier.de.
  • Ausstellung: Der Verein „Für ein buntes Trier, gemeinsam gegen Rechts" organisiert unter dem Titel „Antisemitismus heute" eine Plakat-
    ausstellung und einen Vortrag. Die Aktion „#GemeinsamGegenAntisemitismus" in der Innenstadt behandelt unterschiedliche Formen von modernem Antisemitismus. Auf Plakaten berichten jüdische Studierende der Uni Trier über ihre Erfahrungen. Die Plakate sind bis 7. Februar zu sehen.
  • Gottesdienst: In der städtischen Beletage im Palais Walderdorff beginnt am Donnerstag, 27. Januar, 16 Uhr, ein ökumenischer Gottesdienst der Trierer Hochschulgemeinden zum Holocaust-Gedenktag.
  • Antisemitismus vor Ort: Zu einem Online-Vortrag lädt der Verein „Für ein buntes Trier, gemeinsam gegen Rechts" mit der Initiative Interdisziplinäre Antisemitismusforschung am Mittwoch, 2. Februar, 20 Uhr, ein. Andreas Borsch beleuchtet aktuelle Erscheinungsformen des Antisemitismus in der Region.

Petra Lohse