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06.05.2014

"Zu viel für ein Ehrenamt"

Nancy Poser
Nancy Poser
Vor knapp zweieinhalb Jahren wurde in Trier der Beirat für Menschen mit Behinderungen ins Leben gerufen. Satzungsmäßig endet seine Amtszeit mit der Legislaturperiode des Stadtrats. Nach der Kommunalwahl am 25. Mai werden die Mitglieder vom Rat neu bestellt. Die Rathaus Zeitung (RaZ) sprach mit der Vorsitzenden Nancy Poser über geglückte Projekte, Barrieren und die Arbeitsstunden einer Beiratsvorsitzenden.

RaZ: Was sehen Sie als größte Erfolge des Behindertenbeirats?

Poser: Wir haben erreicht, dass der Beirat in der Öffentlichkeit und in der Verwaltung wahrgenommen wird und sich etabliert hat. Ein Erfolg ist die Bürgersprechstunde. Es wäre schön, wenn wir mehr Sprechzeiten anbieten könnten als nur einmal im Monat. Ich glaube, dass viele Leute vor verschlossener Tür stehen, weil sie spontan vorbeikommen. Zu nennen sind zudem unsere Umfragen bei den Schulen und den Wohnungsgesellschaften und –genossenschaften sowie Projekte zur Barrierefreiheit wie der Schwimmbadlifter oder am Theater. Bei Touristen und Einheimischen gut angenommen wird der Bereich „Trier barrierefrei“ auf unserer Homepage, wo wir durch viel Recherche Tipps zu Restaurants, Ärzten und Behinderten-WCs gesammelt haben.

Gibt es Projekte, die nicht realisiert werden konnten?

Es sind einige Projekte, die an Personal- oder Geldmangel scheitern. Unser Lieblingsbeispiel ist der Brunnenhof. Da sind wir seit 1 ½ Jahren wegen der fehlenden Rampe und der Behindertentoilette in der Diskussion. Erst lag es am Denkmalschutz, mittlerweile besteht Konsens, dass etwas gemacht werden muss. Dem Baudezernat fehlt dafür jedoch Personal. Auch bei den Schulen könnte unserer Meinung nach schneller etwas getan werden. Unsere Umfrage zeigt, dass bei einigen Gebäuden mit wenigen Mitteln Barrieren abgebaut werden könnten. Derzeit hat der Brandschutz Vorrang und es gibt einfach keine Personalkapazitäten.

Wie beurteilen Sie die Einbindung des Beirats in das Dezernat II im Rathaus?

Die Betreuung im Dezernat II war super. Allerdings arbeiten wir dezernatsübergreifend und haben deshalb gebeten, Dezernat I zugeordnet zu werden – wie auch der Migrationsbeirat und die Frauenbeauftragte. Wir möchten verhindern, dass die fast reflexartige Zuordnung von Behindertenarbeit zu Sozialem erfolgt. Das ist überholt.

Die Position der Vorsitzenden ist ein Ehrenamt. Wie viel Arbeit steckt hinter dem Posten? 

Meiner Meinung nach ist es zu viel Arbeit für ein Ehrenamt. Viele Termine finden morgens statt. Das ist schwierig, wenn man berufstätig ist. Im Beirat mitzuarbeiten, das ist ein Ehrenamt, aber das Ganze zu koordinieren, geht darüber hinaus. Da der Bereich keine Pflichtaufgabe der Stadt ist, kann bei Triers Finanzlage keine hauptamtliche Stelle geschaffen werden. In einem Gespräch mit OB Jensen wurde jedoch signalisiert, dass die Verwaltungsunterstützung verstärkt werden soll.

Stehen Sie erneut als Vorsitzende zur Verfügung?

Das Amt der Vorsitzenden werde ich niederlegen. Ich kann das nicht mehr leisten: Einerseits aus gesundheitlichen Gründen, weil sich die Dauerbelastung deutlich bemerkbar macht und anderseits aus zeitlichen Gründen. Ich habe mein Privatleben zweieinhalb Jahre völlig zurückgestellt und arbeite nur noch. Ein anderer Punkt ist aber auch, dass die Behinderung seither mein Leben bestimmt. Ich habe mir die Behinderung nicht ausgesucht, muss sie aber in Kauf nehmen. Sie sollte dennoch nicht mein Lebensinhalt sein. Ich möchte nicht nur über die Behinderung identifiziert werden. Jeder, der mich in den letzten beiden Jahren angesprochen hat, hatte eine Frage zum Thema Behinderung. Die Arbeit im Beirat liegt mir sehr am Herzen und ich hoffe, dass es gut weitergeht. Ich bin gerne bereit, wenn ich wieder bestellt werde, im Beirat mitzuarbeiten und auch die Projekte weiter voranzubringen – nur eben nicht mehr in dem Ausmaß wie bisher als Vorsitzende.

Welche Themen stehen in den nächsten Jahren auf der Agenda?

Es gibt viele kleine Projekte, an vielen Stellen gibt es Verbesserungsbedarf. Ein größeres Projekt wäre die Bepflasterung in der Innenstadt. Für Rollstuhlfahrer ist gerade der Hauptmarkt gefährlich und unangenehm. Ich meine damit nicht, dass man ihn planieren soll. Aber es können einmal außen und einmal quer über den Platz Gehwege angelegt werden. Man kann das dann gut auch mit einem Leitsystem für Blinde kombinieren. Das ist allerdings eine finanzielle Frage. Die Leichte Sprache voranzubringen, wird ebenfalls wichtig. Was für den nächsten Beirat insgesamt im Vordergrund stehen wird, ist der kommunale Aktionsplan, den der OB zur Chefsache erklärt hat. Ziel des gesamtgesellschaftlichen Prozesses ist, einen Aktionsplan zu schaffen, wie Trier die UN-Konvention tatsächlich umsetzen kann.

Wie ist der derzeitige Stand beim kommunalen Aktionsplan?

Die Stadt hat die Verwaltungsgruppe einberufen. Sie trifft sich sehr wahrscheinlich noch vor der Kommunalwahl. Ein Koordinator wurde noch nicht eingestellt. Gruppen wie der Club Aktiv haben bei einer Fachtagung bereits Ergebnisse erarbeitet, die in dem Prozess verwendet werden können. Es gibt einige Gruppen, die mitarbeiten möchten. Der Beirat ist in der Verwaltungs- und Lenkungsgruppe eingebunden. 

Welche Aktionen stehen noch bis zur Neuwahl an?

Vom 5. bis 17. Mai findet unsere Ausstellungsreihe „Begegnung durch Kunst“ mit Werken zum Thema Behinderung oder von behinderten Künstlern statt. Im Juli veranstalten wir eine Stadtrallye für Stadtplaner und Tiefbauer. In Teams treffen die Teilnehmer auf verschiedene Barrieren. Dazu gehört auch die Nutzung eines Rollstuhls im Bus. Wir möchten darauf aufmerksam machen, die vorhandenen Normen zu beachten und das Bewusstsein schulen. Gerade für Rollstuhlfahrer macht es einen großen Unterschied, ob Gehwege drei oder fünf Zentimeter hoch sind. Für den 27. August ist dann die erste Sitzung des neuen Beirats geplant.

Das Gespräch führte Laura Plitzko