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02.07.2019

"Wir wurden fast wahnsinnig"

Gunther Demnig verlegt die Stolpersteine vor dem MPG-Haupteingang.
Der Kölner Künstler Gunther Demnig verlegt die Stolpersteine vor dem MPG-Haupteingang. Viele Besucher haben zur Erinnerung an die NS-Opfer Rosen niedergelegt.

Die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig sind das größte dezentrale Mahnmal für Opfer des NS-Regimes der Welt. Bisher wurden über 70.000 quadratische Namenstafeln in Deutschland und 23 weiteren Ländern verlegt. Das Max-Planck-Gymnasium (MPG) hat nun unter der Schirmherrschaft von OB Wolfram Leibe das bisher größte Trierer Einzelprojekt zu der Gedenkaktion beigesteuert.

Direkt vor dem Haupteingang der Innenstadt-Schule erinnern seit letztem Donnerstag insgesamt 21 Stolpersteine an frühere Lehrer und Schüler, die Opfer des NS-Regimes wurden. Einige überlebten Verfolgung und Konzentrationslager und hinterließen erschütternde Zeitzeugenberichte. Die MPG-Schüler befassten sich unter der Leitung ihres Lehrers Jens Kornmüller intensiv mit deren Schicksalen und gestalteten eine eindrucksvolle Gedenkveranstaltung in der Aula vor der Verlegung der Stolpersteine.

Als roter Faden zog sich das Schicksal von Jürgen Bassfreund, letzter jüdischer Schüler am MPG, durch das Programm. Er berichtete erschütternde Details: „Ich werde das Schreien nie vergessen, als bei der Selektion im KZ Auschwitz Familien getrennt wurden." Im Januar 1945 erlebte er die Todestransporte von Auschwitz nach Dachau. Die Häftlinge hatten schon die anrückenden russischen Truppen als Befreier vor Augen, wurden dann aber von den Nazi- Schergen mit jeweils 120 Personen in einem Bahnwaggon eingepfercht: „Wir waren auf dem Weg zum KZ Dachau fünf Tage ohne Wasser und Brot und wurden fast wahnsinnig. Viele starben. Ihre Leichen konnten aber erst nach der Ankunft von den Waggons herausgeholt werden", erinnerte sich Bassfreund.

Leibe zeigte sich sehr beeindruckt von dem Engagement der Schüler: „Dafür ist es nie zu spät. Ich bin sehr stolz, das Sie dieses Thema nach vorne bringen. Es ist jeden Tag aufs Neue eine Kärrnerarbeit, diese Ereignisse für heutige Jugendliche zu übersetzen und verständlich zu machen." Der OB verwies darauf, dass Trier „heute wieder eine lebendige jüdische Gemeinde hat, mit einer Gruppe von rund 20 jungen Juden, die regelmäßig in die Schulen gehen." Vor dem Holocaust spielt das MPG für das jüdische Leben in Trier eine wichtige Rolle. Bis zu 15 Prozent der Schüler gehörten dieser Glaubensgemeinschaft an. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung betrug damals nur etwa ein Prozent.

Das MPG will sein Gedenkprojekt, das nicht nur jüdische NS-Opfer umfasst, fortsetzen. Nach Aussage von Schulleiter Armin Huber sollen die Ergebnisse der Recherche zu Opfer- Schicksalen als App präsentiert werden. Außerdem findet im Herbst wieder eine Fahrt zum früheren KZ in Auschwitz statt. Die intensiven Eindrücke der vorherigen Tour waren für viele Schüler ein starker Impuls, sich in der Gedenkarbeit zu engagieren.

Petra Lohse