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26.09.2006

„Wir ernten jetzt die Früchte unserer Arbeit“

Interview mit Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch

Christiane Horsch
Christiane Horsch
Ein spürbarer Aufschwung geht durch die deutsche Wirtschaft. Nach Jahren der Stagnation scheinen Unternehmer und Konsumenten an eine positive Entwicklung zu glauben und investieren stärker als in den Vorjahren. Auch in Trier ist dieser Trend spürbar. Die Rathaus Zeitung (RaZ) sprach mit Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch über die ökonomische Entwicklung der Stadt Trier.

RaZ: Die Meldungen über eine bundesweite Konjunkturbelebung häufen sich. Wie schätzen Sie die Situation in Trier ein?

Horsch: Die Signale aus der Trierer Wirtschaft sind durchweg positiv und lassen mich zuversichtlich in die Zukunft schauen. Ein wichtiger Indikator ist die Entwicklung der Gewerbesteuer. Hier erwarten wir in diesem Jahr, die 50 Millionen Euro-Marke zu toppen, dies ist in der Geschichte der Stadt Trier ein absoluter Rekord! Dazu sinken die Arbeitslosenzahlen und die Umsätze im Einzelhandel boomen.

RaZ: Der bundesdeutsche Konjunkturmotor kommt wieder auf Touren und damit auch die Trierer Wirtschaft?

Horsch: Die Stadt Trier ist keine Insel und in das gesamtwirtschaftliche Gefüge und die wirtschaftliche Gesamtentwicklung eingebunden. Aber dass die Entwicklung hier bei uns doch positiver und intensiver läuft als in vergleichbaren Städten, ist zumindest zu einem Teil auch auf die städtische Wirtschaftspolitik zurückzuführen. Der Erfolg ist nicht vom Himmel gefallen. Wir ernten jetzt die Früchte, haben aber lange vorher den Boden bereitet, gesät und gepflanzt.

RaZ: Wie haben Sie das Trierer Konjunkturpflänzchen denn gehegt und gepflegt?

Horsch: Um im Bild zu bleiben, die Stadt, der Stadtrat, das Wirtschaftsdezernat haben in der Zeit, als wir „richtig blank“ waren, in die Zukunft in-vestiert. Wir haben uns antizyklisch verhalten und der Stadtrat hat den Mut und den Glauben gehabt, auch in Zeiten leerer Kassen  erhebliche Mittel in neue Projekte zu investieren. Ein Beispiel: Heute sind auf dem neuen Petrisberg 78 Unternehmen mit mehr als 520 Mitarbeitern ansässig. Die neuen Wohnbaugebiete erfreuen sich reger Nachfrage. Und das alles in einem Gebiet, das wir als militärische Brache nach dem Abzug der in Trier stationierten französischen Armee vom Bund gekauft und dann mit Hilfe des Landes entwickelt haben.

RaZ: Flächen entwickeln und erfolgreich vermarkten sind aber zwei verschiedene paar Schuhe. Wie ist es gelungen, Firmen für die neuen Gewerbeflächen zu interessieren?

Horsch: Einmal muss natürlich das angebotene Produkt stimmen, das heißt, die Fläche muss optimal angebunden sein, den Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Zum anderen bieten wir als Stadt den betreffenden Firmen ein umfangreiches Serviceangebot. Bei größeren Investitionen übernimmt bei der städtischen Wirtschaftsförderung ein „Kümmerer“ die Rolle des Lotsen im Verwaltungs- und Behördenverfahren. Ziel ist es, hemmende bürokratische Strukturen – organisatorischer wie mentaler Art – zu minimieren. Der „Kümmerer“ erbringt natürlich nicht alle Leistungen selbst, sondern tritt eher als „Lösungsvermittler“ auf. Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht, Genehmigungsverfahren wurden so auf rekordverdächtige Zeiten verkürzt.

RaZ: Die Stadt lebt natürlich nicht nur vom produzierenden Gewerbe, auch der Einzelhandel scheint in Trier gut zu verdienen.  

Horsch: Richtig. Das Oberzentrum Trier mit einem Einzugsbereich von rund 770.000 Menschen hat bundesweit bei vergleichbaren Städten mit 232 die höchste Einzelhandelszentralität. Die Zahl gibt Aufschluss darüber, wie viele Käufer und damit Kaufkraft von einer Stadt angezogen wird. Um die Gunst der Kunden werben 969 Einzelhandelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche von 327.000 Quadratmetern und sie erwirtschaften dabei einen Umsatz von 1089 Millionen Euro. Das ist ein absoluter Topwert im bundesweiten Vergleich und zugleich eine hervorragende Ausgangsposition und Verpflichtung für die Zukunft. Mit dem 1997 erstmals erarbeiteten Einzelhandelskonzept, das wir stetig gemeinsam mit den Wirtschaftskammern und dem Stadtrat weiterentwickeln, haben wir in der Vergangenheit drei wesentliche Ziele erreicht, an denen wir auch in Zukunft festhalten: Erstens, die Potenziale und Qualitäten der Innenstadt ausschöpfen, zweitens, für den Bereich großflächigen Einzelhandels die Wettbewerbspositionen absichern und drittens, die Grundversorgung der Stadtteile optimieren beziehungsweise langfristig sichern.

RaZ: Ein Glücksfall für unsere Stadt ist natürlich ihr reiches historisches sowie kulturelles Erbe. Man hat den Eindruck, dass jedes Jahr mehr ausländische Besucher in der Fußgängerzone zu hören und sehen sind.

Horsch: Trier war schon immer ein attraktives Reiseziel für Gäste aus dem In- und Ausland. Zwei große Ereignisse in der jüngeren Vergangenheit haben Trier bundes-, ja europaweit noch bekannter gemacht: 1984 die 2000-Jahr-Feier und 2004 die Landesgartenschau. Als Folge dieser Events, bei denen Trier sich mit unzähligen Einzelveranstaltungen von seiner besten Seite zeigen konnte, kommen immer mehr Besucher. Waren 1995 noch 250.000 Übernachtungsgäste in Trier, wurden zehn Jahre später rund 720.000 begrüßt. Und 4,5 Millionen Tagestouristen werden in diesem Jahr Trier besuchen. Diese permanente Aufwärtsentwicklung ist vorwiegend den ausländischen Gästen zuzuschreiben. Allen voran den Besuchern aus den Niederlanden, aber auch den belgischen, britischen, italienischen und seit 2002 den chinesischen Gästen, die natürlich in überwiegender Zahl wegen Karl Marx nach Trier kommen. Diese überdurchschnittlichen Steigerungsraten sind das Ergebnis einer in den vergangenen Jahren konsequent und erfolgreich betriebenen Akquisitionsarbeit. Der Internet-Auftritt der Tourist-Information Trier ist mittlerweile in sechs Sprachen abrufbar. Insgesamt bin ich, was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, sehr zufrieden. Dies ist der Stadt Trier nicht einfach so in den Schoß gefallen. Das „Unternehmen Stadt“ hat in vielfältiger Weise und auf vielen Ebenen zu dieser positiven Entwicklung beigetragen und wir werden uns bemühen, diese Arbeit weiterhin in diesem Sinne fortzuführen.

Das Interview führte Ralf Frühauf