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21.07.2009

Weitere Eskalation verhindern

Seit Mitte Juni haben sich Anwohnerbeschwerden aus dem hinteren Teil der Ehranger Kyllstraße über nächtliche Ruhestörungen, Sachbeschädigungen und Pöbeleien durch angetrunkene Jugendliche und Erwachsene massiv gehäuft. Zudem gab es Hinweise, dass Passanten durch Bewohner des Hauses Nr. 36 mit Wasserpistolen „beschossen“ wurden. Beamte des Kommunalen Vollzugsdienstes und der Polizeiinspektion Schweich rücken regelmäßig zu nächtlichen Einsätzen aus. Es kam bereits zu vorläufigen Festnahmen. Da diese Probleme mit polizeilichen Mitteln allein aber längst nicht zu lösen sind, ergriff Quartiersmanagerin Vera Erasmy vom Palais e. V. die Initiative und lud zu einer Versammlung ins Bürgerhaus ein.

Mit den Anwohnern diskutierten Jugendamtsleiter Achim Hettinger, Dieter Wiegandt und Bernd Marmann (Polizeiinspektion Schweich), Roman Schmitz, Leiter des Kommunalen Vollzugsdienstes, Ortsvorsteher Günther Merzkirch, Jugend-Streetworkerin Michaela Stoll und Palais-Geschäftsführer Reinhold Spitzley. Nach fast zweistündiger, teilweise hitziger Debatte wurde deutlich, dass den pöbelnden und randalierenden Jugendlichen und Erwachsenen ihre Grenzen deutlich aufgezeigt werden müssen, der Gesprächsfaden mit ihnen aber dennoch nicht reißen soll.

Eine weitere Zuspitzung der Situation würde nach Einschätzung von Jugend-amtsleiter Hettinger die ohnehin aufgeheizte Stimmung mit aggressiven Untertönen auf beiden Seiten weiter verschärfen. Den Jugendlichen müsse durch Gespräche mit direkt betroffenen Anwohnern klar gemacht werden, was es bedeutet, wenn eine Familie eine Vierfachverglasung in ihren Fenstern einbauen muss, um sich gegen nächtlichen Lärm zu schützen und die elfjährige Tochter sich wegen Pöbeleien angetrunkener Jugendlicher nur noch in Begleitung ihres Vaters auf die Straße traut. Ein Anwohner sprach von „Zusammenrottungen rotzfrecher Jugendlicher, die sich durch die Polizei nur kurzfristig stören lassen.“

„Ich habe als Frau Angst, morgens um 7 Uhr auf die Straße zu gehen, weil ich mehrfach angepöbelt wurde“, berichtete eine Nachbarin. Ein anderer Anwohner hat das mittlerweile das Gefühl, „dass man ein normales Leben nicht mehr führen kann.“

Lothar Schmidt, Inhaber eines ortsansässigen Sportgeschäfts, sprach von einem „sehr schlechten Image von Ehrang“ durch die jüngsten Vorfälle. Dadurch könnte eine negative Abwärtsspirale verstärkt werden, die sich seit geraumer Zeit abzeichnet: Manche  Häuser im Ortskern sind in einem schlechten Zustand, weil die Eigentümer kein Geld mehr für Renovierungen haben. In anderen Häusern, in denen früher zwei bis drei Personen wohnen, entstanden zur Profitmaximierung viele kleine Wohnungen. Dadurch sinken die Mieten und die in Jahrzehnten gewachsene Sozialstruktur gerät aus den Fugen. In der Diskussion wurde gefordert, dass die Arge der Stadt und der Agentur für Arbeit bei der Bewilligung von Mietzuschüssen an „Hartz-IV“-Empfänger darauf achten solle, diese problematische Entwicklung nicht zu fördern. Bauaufsicht und Ordnungsamt sollten zudem durch Kontrollen sicherstellen, dass hygienische Mindeststandards eingehalten und Brandschutzvorschriften beachtet werden.

Einige Anwohner der Kyllstraße sehen  in einem Wegzug den einzigen Ausweg. Dem steht aber entgegen, dass der Wert vieler Immobilien deutlich gesunken ist und sie bei einem Verkauf drastische Verluste hinnehmen müssten. Auch vor diesem Hintergrund wurden die Forderungen an das Rathaus und die örtlichen Kommunalpolitiker immer lauter, „endlich etwas zu unternehmen“. Der Ehranger Ortsvorsteher Günther Merzkirch verwies unter anderem auf Investitionen in Spielplätze und den Grundschulhof, die aus dem Stadtteilbudget finanziert wurden. „Insgesamt hat der Ortsbeirat in den letzten zehn Jahren rund 70 000 Euro  für Kinder und Jugendliche ausgegeben“, betonte er.

Merzkirch beklagte, dass die Suche nach einem Bolzplatz, der als Jugendtreffpunkt die Lage entspannen könnte, seit Jahren erfolglos ist. Wenn ein neuer Standort ins Gespräch komme, protestierten Anwohner wegen der befürchteten Lärmbelästigung. Jugend-Streetworkerin Michaela Stoll hält einen neuen festen Treffpunkt ebenfalls für unerlässlich, um die nächtlichen Lärmbelästigungen zu entschärfen.

In der Diskussion wurde gefordert, die Eltern der pöbelnden und randalierenden Jugendlichen stärker in die Pflicht zu nehmen. „Was haben angetrunkene Jugendliche nachts um 0.30 Uhr noch draußen auf der Straße zu suchen?“, fragte eine Anwohnerin.

Für Palais-Geschäftsführer Spitzley sind die Probleme in Ehrang kein Einzelfall: „Diese negative Entwicklung zeichnet sich schon seit rund zehn Jahren ab. Immer mehr Familien werden ihrer Verantwortung nicht gerecht.“ Ein Alkoholverbot auf einem Platz, wie in Konz praktiziert, sei keine Lösung, denn die Probleme würden nur verlagert. Jugendamtsleiter Hettinger verwahrte sich gegen den Vorwurf, in Ehrang „werde nichts getan“. Er verwies unter anderem auf den Ausbau der Kita-Angebote und die Einstellung der Streetworkerin, die häufiger als zunächst geplant in Ehrang präsent ist und durch eine zweite Honorarkraft unterstützt wird. Hettinger bot außerdem den Familien die Hilfe des Jugendamts an.

Für Quartiersmanagerin Erasmy ist eine einfache Lösung des Problems nicht in Sicht. Sie will die verschiedenen Angebote noch besser vernetzen. Sie bot an, alle Vorschläge zur Entschärfung der Probleme zu sammeln und alle Beteiligten erneut an einen Tisch zu bringen, damit auch dieser Gesprächsfaden nicht abreißt.  pe