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30.10.2012

Von Propaganda nicht verschont

„Das Mädchen“ von Kurt Zimmermann war eines der Werke im Sinne des NS-Kunstideals, die Museumsdirektor Dieck nach dem Verkauf „nicht-deutscher“ Kunst erworben hat.
„Das Mädchen“ von Kurt Zimmermann war eines der Werke im Sinne des NS-Kunstideals, die Museumsdirektor Dieck nach dem Verkauf „nicht-deutscher“ Kunst erworben hat.
Zwänge und Regularien, Verlust von bedeutenden Kunstobjekten und eine neue ideologische Ausrichtung: Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurde auch das Stadtmuseum in die Propagandamechanismen des Regimes eingespannt. Als erste städtische Institution in Trier hat das Haus am Simeonstiftplatz jetzt seine Rolle in der NS-Zeit strukturiert aufgearbeitet.

Da während des Zweiten Weltkriegs der größte Teil an Akten und Schriftverkehr des Museums zerstört wurde, waren die Forschungen auf die wenigen noch vorhandenen Unterlagen beschränkt. Weitere Hinweise machte die vom Museum beauftragte Trierer Kunsthistorikerin Bettina Leuchtenberg im Stadtarchiv sowie in Archiven in Koblenz und Berlin ausfindig. „Wir haben die Untersuchung 2011 ausdrücklich in externe Hände gegeben“, berichtet Museumsdirektorin Dr. Elisabeth Dühr. „Somit konnte die Geschichte unvoreingenommen erforscht und bewertet werden.“

Viele Meisterwerke veräußert

Die städtischen Sammlungen wurden seit den 20er Jahren von Museumsdirektor Friedrich Kutzbach in der Steipe und im Roten Haus betreut, bevor er sich ausschließlich der Bauforschung und Denkmalpflege der Stadt Trier widmete. Von 1935 bis 1945 leitete der aus Wernigerode stammende Kunsthistoriker Dr. Walter Dieck, seit 1932 Mitglied der NSDAP, das städt-ische Museum. Er modernisierte die Räume und zog 1937/38 mit der Sammlung in den ehemaligen Marstall des Kurfürstlichen Palais.

Hier war geplant, ein „Großmuseum der Deutschen Westmark“ einzurichten, das alle Trierer Museum unter einem Dach zusammenfassen sollte. Bis zum Ende der Nazi-Diktatur verfügte das städtische Museum hier über repräsentative Räume, die der Direktor mit mehr als 30 Ausstellungen bespielte. Nach dem Kriegsausbruch 1939 waren alle wertvollen Bestände in Sicherheit gebracht worden, so dass der größte Teil der Bestände jahrelang nicht präsentiert werden konnte.

Um die Kulturinstitution auch für propagandistische Zwecke nutzen zu können, beschloss die Stadtverwaltung mit Genehmigung des Regierungspräsidenten, Kunstgegenstände „nichtdeutscher Herkunft“, die nicht nicht in die Ausrichtung des Museums auf „eine heimatliche Grundlage“ passten, zu verkaufen. So verlor die Stadt Gemälde holländischer und italienischer Meister aus der Sammlung Hermes, italienische Kunst aus dem 13. bis 18. Jahrhunderts sowie zahlreiche grafische Arbeiten unter anderem von Dürer, Holbein und Rembrandt. Diese Beispiele machen deutlich, dass Verkäufe von Museumsbeständen kein adäquates Mittel sind, um Sammlungen aufzubauen. Kurz vorher wurde aus dem Stadtarchiv zum selben Zweck bereits der zweite Band der Gutenberg-Bibel verkauft.

Fokus auf Regionalgeschichte

Von dem Erlös erwarb das Museum im geringen Umfang zeitgenössische Werke von Künstlern, die zum Teil auch in den großen Münchner Propagandaausstellungen zu sehen waren, darunter Skulpturen von Kurt Zimmermann und Annie Höfken-Hempel. Wichtiger jedoch war dem Kunsthis-toriker Dieck, die Trierer Sammlung mit Werken zur Darstellung der lokalen und regionalen Geschichte ab 1500 zu vervollständigen. Noch heute bestücken zahlreiche, von Dieck erworbene Werke die Dauerausstellung oder komplettieren die Sonderausstellungen. So erwarb er beispielsweise Zeichnungen von Ramboux, Gemälde von Januarius Zick, Simon Meister und Heinrich Foelix. Zeitgenössische Künstler lud er ein, Porträts der Stadt anzufertigen, die das Museum ankaufte. Diese Tradition lebt bis heute fort.

Bei der Planung der Ausstellungen musste sich Walter Dieck regelmäßig mit dem Landeskulturverwalter des Gaus Koblenz-Trier abstimmen, was mit wenigen Reibungsverlusten funktioniert hat. 1945 von seinem Amt suspendiert, kümmerte sich Dieck sofort um seine Wiedereinstellung. Im Entnazifizierungsverfahren wurde er von der französischen Besatzungsmacht als Mitläufer eingestuft. In seiner zweiten Amtsperiode von 1951 bis 1961 leitete er wieder das städtische Museum, das sich seitdem im Simeonstift befindet.
  • Die ausführlichen Forschungsergebnisse sind in dem Aufsatz „Das Städtische Museum Trier in der NS-Zeit 1933-1945. Eine Institutionsgeschichte“ nachzulesen. Er erscheint Anfang Dezember im neuen Kurtrierischen Jahrbuch.