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16.06.2015

Vom langsamen Abschiednehmen

Gerhard Weber
Intendant Gerhard Weber
Ende Juli endet die elfjährige Intendanz von Gerhard Weber am Theater Trier. Chefdramaturg Peter Oppermann sprach mit ihm in der Bobinet-Halle in Trier-West kurz vor seiner morgendlichen Shakespeare-Probe über aktuelle Gemütszustände, noch anstehende Premieren und die Pläne, demnächst mit dem Kistenpacken zu beginnen.

Peter Oppermann: Herr Weber, sechs Wochen vor dem Ende Ihrer Intendanz in Trier: Wie sieht da Ihr aktueller Gemütszustand aus?

Gerhard Weber: (lacht) Gemischt! Einerseits freue ich mich natürlich jetzt über jeden einzelnen Probentag, den ich vor der „Othello Reloaded“ Premiere am Samstag, 20. Juni, mit unserem Ensemble noch habe, denn es macht sehr viel Spaß und alle sind bis zuletzt trotz der einschneidenden Personalveränderungen mit großem Engagement dabei. Auf der anderen Seite ist ein Abschiednehmen von dem gefordert, was wir hier immerhin elf Jahre erfolgreich realisiert haben. Am vorletzten Sonntag zum Beispiel habe ich das letzte Orchesterfest unter meiner Intendanz miterlebt und mich, nebenbei bemerkt, über die großartige Resonanz sehr gefreut. Gestern wurde mir dann plötzlich bewusst, dass ich die letzte „erste Hauptprobe“ des Musiktheaters verfolgte. Heute haben wir eine unserer letzten Leitungssitzungen und, und, und... Kurzum: Ich spüre zunehmend, dass das langsame Abschiednehmen mir persönlich schwer fällt.

Noch ist ja nicht wirklich der richtige Zeitpunkt, schon „Goodbye“ zu sagen. Im Gegenteil: Noch vier Premieren stehen an, darunter das angekündigte Rockspektakel „Othello Reloaded“ und drei Bürgerbühnen-Projekte mit dem Jugendclub, der Gruppe „bühne 60+“ sowie mit der Porta Nigra-Schule. Und Mozarts Oper „Titus“ ist die derzeit letzte große Produktion des Musiktheaters in dieser Spielzeit. Worauf kann sich das Publikum hier freuen?

Vor allem noch einmal auf die glänzende Arbeit unseres facettenreichen Ensembles in der Regie von Nina Kühner. Wir hatten eine erfolgreiche Premiere. Ob Publikumslieblinge wie zum Beispiel Kristina Stanek, Joana Caspar oder Svetislav Stojanovic: Sie alle treten in großen Rollen auf und zeigen nochmal die Facetten ihres großen Könnens. Nicht vergessen zu erwähnen möchte ich unseren Ersten Kapellmeister Jongbae Jee, der sich am Theater Trier als großes Talent erwiesen hat und sich nun mit seinem letzten eigenen Dirigat von seinem Publikum verabschiedet.

Was gibt es von den Proben zu „Othello Reloaded“ in der Halle 6 auf dem Bobinet-Gelände zu berichten?

Die externe Location ist wirklich außergewöhnlich und verleiht dem Stück das ideale Ambiente. Wir haben die Inszenierung bereits komplett entwickelt, vor wenigen Tagen noch die bekannte Szene des Mordes an Desdemona geprobt. Jetzt gilt es, auf dieser Grundlage noch Feinheiten herauszuarbeiten und vor allem auch die musikalischen Sequenzen mit der Band einzubauen. Eines kann ich schon jetzt versprechen: Wir rocken Trier mit Gerald Landschützers Kult-Band „CowGaroo“ nochmal richtig ab!

Viele Zuschauer werden sich sicherlich noch an die Aufführungsserie der „West Side Story“ erinnern, die in ähnlich rauem Ambiente und im gleichen Terrain vor einigen Jahren mit überregionaler Resonanz realisiert wurde. Welcher Rahmen über die Aufführung hinaus ist diesmal vorgesehen?

Den hohen Standard der damaligen Produktion wollen wir natürlich halten. Und insofern werden wir eine hervorragende Gastronomie anbieten. Diesmal wird das Restaurant „Nikos am Kornmarkt“ als Caterer mit mediterranen Spezialitäten aufwarten. Trotz ausgefeiltem Beleuchtungskonzept für den Bar-Bereich geht der „Trash“-Charakter jener Halle, die wir diesmal auf dem Bobinet-Terrain ausgesucht haben, keineswegs verloren. Der Ort scheint bei den Triererinnen und Trierern nach dem Besuch der „West Side Story“ noch bestens verankert zu sein, denn der Vorverkauf läuft hervorragend. Man muss sich mit dem Kartenkauf also ein bisschen sputen. Vermutlich sind viele auch neugierig, was das Theater in den letzten „Stunden“ der sich dem Ende zuneigenden Ära noch auf die Beine stellt.

Wie kam es zu der auffälligen Werbekampagne für dieses Projekt?

Das ist ein außerordentlicher Glücksfall. Die EGP (Gesellschaft für urbane Projektentwicklung) war begeistert von unserem Projekt und hat uns sehr großzügig im Bereich der Werbung unterstützt. So galt es, nochmal eine ganz individuelle, farblich in der Tat recht auffällige Werbelinie zu kreieren, was wir leidenschaftlich gern getan haben. Und das Ganze erfreulicherweise in „XXL“, denn an vielen Orten Triers, so etwa am Barbara-Ufer und an Verteilerkreisen, kann man die Plakate seit einiger Zeit begutachten.

Last but not least: Am 18. Juli wird dann endgültig „Lebewohl“ gesagt. Im Rahmen eines großen Abschiedsfestes, zu dem unser Publikum ebenso wie viele Wegbegleiter der vergangenen Jahre eingeladen ist, kommt ein attraktives Programm auf die Bühne am Augustinerhof...

Ensembles aller Sparten werden sich dann präsentieren – mit Tanz, Theatersport, den wir ja zu Beginn meiner Tätigkeit nach Trier geholt haben, Highlights aus dem Musiktheater und zahlreichen Überraschungen. Außerdem wird es ein Wiedersehen mit einigen beliebten Künstlern geben, die hier in Trier gewirkt haben und mittlerweile andernorts tätig sind. Natürlich sind auch lokale Prominente aus Politik und Kultur unter den Ehrengästen. Mehr will ich noch nicht verraten. Aber eines ist ganz sicher: Nach dem opulenten Abendprogramm geht es dann ins Foyer zum gemeinsamen Feiern bis früh in die Morgenstunden mit dem tollen BluesRock der Steff-Becker-Liveband.

Praktisch nachgefragt, denn auch Banales bestimmt manchmal unseren Alltag: Haben Sie eigentlich Ihr Büro schon aufgeräumt?

Die Kartons sind zwar schon bestellt worden, aber erst nach der Othello- Premiere mache ich mich ans Aufräumen. Und einiges wird sicher auch geschreddert werden, denn die Erinnerungen bleiben ja mental langfristig bestehen. Und wenn ich damit fertig bin, stelle ich es meinem Nachfolger Karl Sibelius, dem ich ein herzliches toi toi toi für seinen baldigen Neustart wünsche, für erste Sitzungen bereits zur Verfügung. Das versteht sich nach meinem Theaterverständnis schließlich von selbst, denn ich wünsche mir, dass das Trierer Theater erfolgreich weiterlebt.