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06.10.2015

Viele Singles, wenige Familien

Größere Wohnbauprojekte wie das mehrgeschossige Kapuziner-Karree (Foto) haben in den letzten Jahrzehnten in der Trierer Innenstadt Seltenheitswert. In den Jahren 2009/10 entstanden auf dem zuvor brach liegenden Areal zwischen der Neustraße und dem Viehmarkt 24 Eigentumswohnungen.
Größere Wohnbauprojekte wie das mehrgeschossige Kapuziner-Karree (Foto) haben in den letzten Jahrzehnten in der Trierer Innenstadt Seltenheitswert. In den Jahren 2009/10 entstanden auf dem zuvor brach liegenden Areal zwischen der Neustraße und dem Viehmarkt 24 Eigentumswohnungen.
Innenstädte werden vor allem als Zentrum des Einzelhandels und Anziehungspunkt für Touristen wahrgenommen. Die Funktion als Wohnquartier spielt im Vergleich dazu nur eine Nebenrolle. Ganz besonders gilt das für die Trierer City. Als Gastgeberin für das Expertenforum „Wohnen in der Innenstadt – Zielgruppen, Trends und Herausforderungen“ bot die Moselstadt auf jeden Fall gutes Anschauungsmaterial.

Eigentlich kann Trier mit der demographischen Entwicklung zufrieden sein: Die Bevölkerungszahl steigt, Trier gilt auch dank seiner Hochschulen als eine „Schwarmstadt“ mit sehr hohem Anteil von 20- bis 35-jährigen Einwohnern. Auch dank der Nähe zum attraktiven Arbeitsplatz Luxemburg bleiben viele junge Leute nach dem Studium hier. Umgekehrt verdankt der Trierer Einzelhandel einen guten Teil seines Umsatzes den Konsumenten aus dem Großherzogtum.

Für die Anziehungskraft Triers spielt die Altstadt als „sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Mittelpunkt, aber auch als emotionaler Bezugspunkt“ eine herausragende Rolle. So formulierte es Oberbürgermeister Wolfram Leibe in seinem Eröffnungsreferat beim zweiten Expertenforum im Rahmen des Pilotprojekts „Dialog Innenstadt Rheinland-Pfalz“, zu dem rund 80 Vertreter von Stadtverwaltungen, Hochschulen, Architektur- und Planungsbüros ins Robert-Schuman-Haus gekommen waren. Kehrseite der Medaille sind die besonders in der Innenstadt stark steigenden Immobilienpreise und Mieten. Folge: In der Altstadt stagniert die Einwohnerzahl, keine Zehntausend Menschen leben innerhalb des Alleenrings. Zum Vergleich: In der Römerzeit beherbergte das gleiche Areal rund 80.000 Einwohner. Dabei ist die Nachfrage nach innerstädtischen Wohnungen in den letzten Jahren gestiegen. Doch allzu oft bietet sich in der Fußgängerzone folgendes Bild: Ein Laden im Erdgeschoss, darüber das Lager und der Wohnraum in den oberen Etagen wird nicht mehr in Schuss gehalten und bleibt oft ungenutzt. Leibe will gegensteuern: „Unser Ziel muss es sein, die Innenstadt zu einem attraktiven Wohnstandort auch für Familien mit Kindern und für Senioren zu entwickeln.“

Neubaugebiete in der Altstadt?

Dr. Johannes Weinand, Leiter des Amts für Stadtentwicklung und Statistik im Rathaus, unterfütterte die Bestandsaufnahme Leibes in seinem Vortrag zunächst mit einigen aufschlussreichen Zahlen. Demnach überwiegen in der City die Single- Haushalte derzeit noch deutlich mit einem Anteil von 72 Prozent. Zugleich weist der Stadtteil einen sehr geringen Jugendquotienten auf: Der Anteil der unter Zwanzigjährigen an der Wohnbevölkerung ist hier nur etwa halb so hoch wie im restlichen Stadtgebiet. Es gibt nur 26 Haushalte mit drei oder mehr Kindern. In den letzten Jahrzehnten wurden in der Innenstadt kaum noch neue Wohnhäuser errichtet: Nur acht Prozent des gesamten Gebäudebestands stammt aus der Zeit nach 1990.

Anschließend entwickelte Weinand Thesen für die Aufwertung des Wohnstandorts Trierer Innenstadt:

  • Gezielte Förderung moderner Architektur an ausgewählten Standorten, ohne das historische Erscheinungsbild zu verwässern.
  • Bessere Steuerung durch ein städtisches Investitionsprogramm  zum Erwerb innerstädtischer Gebäude und Liegenschaften.
  • Qualifizierung des Wohnungsbestands.
  • Ausweisung eines zusammenhängenden Neubaugebiets.
  • Attraktivierung des öffentlichen Raums: Verbesserung des Wohnumfelds und der Erreichbarkeit, bessere Organisation des Lieferverkehrs (Stichwort Stadtlogistik), mehr Grün- und Ruheflächen.
  • Gemeinschaftsaufgabe mit fester Organisationsstruktur.

In der abschließenden Podiumsdiskussion der Tagung plädierten Prof. Annette Spellerberg, Prof. Holger Schmidt (beide TU Kaiserslautern) und Herbert Sommer (Finanzministerium) für eine Stärkung des sozialen Wohnungsbaus insbesondere auch für ein mittleres Preissegment in den Innenstädten. Auch Wohnbaugenossenschaften, die leider oft nur noch verwalteten und nicht mehr bauten, könnten dabei eine positive Rolle spielen.

Spellerberg sprach sich dafür aus, für Wohnbauprojekte in der ohnehin beengten City auf den oft als kostspieliges Hemmnis empfundenen Stellplatznachweis zu verzichten. Sommer plädierte für eine gezielte Mobilisierungsstrategie, um private Grundstückseigentümer für die Gemeinschaftsaufgabe Innenstadtentwicklung zu gewinnen. kig