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25.11.2008

Viele Hürden für altersgerechte Stadt

Nicht nur bauliche Hürden stehen machmal dem Einstieg behinderter Menschen ins Arbeitsleben entgegen. Vorurteile sind ebenso zu überwinden wie partielle Defizite in der Aus- und Weiterbildung.
Nicht nur bauliche Hürden stehen machmal dem Einstieg behinderter Menschen ins Arbeitsleben entgegen. Vorurteile sind ebenso zu überwinden wie partielle Defizite in der Aus- und Weiterbildung.
Ein Bevölkerungsrückgang um zehn Prozent, 20 Prozent weniger Kinder und Jugendliche und knapp ein Drittel mehr ältere Menschen – diese dramatischen Einschnitte sagt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung den deutschen Kommunen voraus. In Trier gibt es jetzt mit der vom Sozialplanungsbüro Kappenstein erstellten Konzeptstudie „Leben und Wohnen im Alter“ in Nells Ländchen, die der Stadtrat zur Kenntnis nahm, erstmals umfassend konkrete Vorschläge für einen Stadtteil, wie dieser Umbruch bewältigt werden könnte. Da viele Ergebnisse über den engen Bereich von Nells Ländchen hinaus bedeutsam sind, beschloss der Stadtrat gleichzeitig, die  Empfehlungen auf ihre Umsetzbarkeit in anderen Teilen der Stadt zu prüfen. Diese Aufgabe übernimmt eine neue Arbeitsgruppe mit Experten aus mehreren städtischen Ämtern.

Gute Noten für Wohnsituation

Wie dramatisch die Umbrüche sind, zeigt schon eine einzige Zahl des Statistischen Landesamts: Bis 2050 prog-nostizieren die Experten bei pflegebedürftigen älteren Menschen über 60 Jahren ein Plus von rund 60 Prozent. Bereits ab 2014 wird mit einem deutlichen Anstieg gerechnet, der nicht nur Folgen für die Pflegesysteme und die soziale Infrastruktur hat, sondern auch neue Wohnformen sowie veränderte ÖPNV-Angebote erfordert. Für die Verkehrsplanung im Trierer Norden werden in der Studie unter anderem ein Regionalbahnhaltepunkt, verlängerte Grünphasen an Straßenübergängen, abgesenkte Bordsteine, barrierefreie Bushaltestellen, zusätzliche Geschwindigkeitskontrollen und breitere Gehwege gefordert. Weil ältere Senioren im Durchschnitt nur noch zwei bis drei Stunden am Tag außerhalb der eigenen vier Wände verbringen, müsse zudem ein flexibles  und vielfältiges Angebot altersgerechter Wohnformen entwickelt werden. Dabei geht es nicht nur um barrierefreie Gebäude, sondern auch um generationenübergreifende Angebote. Denkbar sei etwa ein Haus, in dem Studierende für eine günstige Miete wohnen, wenn sie älteren Mitbewohnern  helfen. Weitere Eckpfeiler des Konzepts sind eine erweiterte Wohnungsberatung, ein Netzwerk „altersgerechtes Trier-Nord“ mit einem zunächst auf drei Jahre eingestellten Gebietsmoderator sowie ein Seniorenkompetenzzentrum im Bürgerhaus. Beim Tabuthema „Hilfebedürfigkeit im Alter“ gebe es noch viele Wissensdefizite bei den Senioren. Neben einer verbesserten Pflege-Infrastruktur mit engerer Zusammenarbeit ambulanter und stationärer Einrichtungen sei ein Ausbau der Beratung nötig.
 
Eine zentrale Datengrundlage für die Studie, die im Auftrag der Wohungsgenossenschaft Am Beutelweg entstand, war eine Befragung von 60 Stadtteilbewohnern über 60 Jahre im Herbst 2007, die nach einer Zufallsstichprobe ausgesucht wurden. 43,3 Prozent aller Befragten wohnen mehr als 40 Jahre im Stadtteil.  85 Prozent gaben an, im allgemeinen mit ihrer Wohnsituation zufrieden zu sein. Bei den 60 bis 69-Jährigen bezeichneten sich 24 Prozent als gesund und leis-tungsfähig, bei den über 70-Jährigen nur noch 16 Prozent. Mit starken Bewegungseinschränkungen haben in dieser Altersgruppe 35 Prozent zu kämpfen, bei den „Jung-Senioren“ sind es nur 14 Prozent. Im Bedarfsfall wird die Pflege vor allem über professionelle Dienste sowie die direkten Angehörigen sichergestellt.

Stimmen der Fraktionen

Als Sprecher der Stadtratsfraktionen begrüßten Bernd Michels (CDU), Ingeborg Sahler-Fesel (SPD), Lydia Hepke (Bündnis 90/Grüne), Professor Hermann Kleber (UBM) und Thomas Egger (FDP) das Konzept. Einigkeit herrschte auch in der Einschätzung, dass es noch ein langer und schwieriger Weg sei, um die dort formulierten ehrgeizigen Ziele zu realisieren, nicht zuletzt angesichts der leeren Kassen. Die Sprecher schlossen sich auch der Einschätzung an,  dass das Konzept weit über Nells Ländchen hinaus wichtige Anregungen für die gesamte Stadt bietet.