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22.12.2009

Trotz Krise wichtige Vorhaben umgesetzt

Oberbürgermeister Klaus Jensen.
Oberbürgermeister Klaus Jensen.

Das zurückliegende Jahr war aus kommunalpolitischer Sicht von herausragender Bedeutung. Als Folge der Kommunalwahlen vom 7. Juni ergaben sich mit der Bildung eines „Ampel-Bündnisses“ aus SPD, Grüne und FDP im Rat neue Mehrheitsverhältnisse. Am greifbarsten machten sie sich bei der Neubesetzung des Stadtvorstands bemerkbar. So wurden für die Mitte Februar frei werdenden Ämter als neue Bürgermeisterin Angelika Birk von den Grünen und Thomas Egger (FDP) für das neu zugeschnittene Wirtschafts- und Kulturdezernat gewählt. Eine Konstante begleitete die Stadt auch im zurückliegenden Jahr: Die Finanzlage ist dramatisch und ein Ausweg nicht in Sicht. Im RaZ-Gespräch zieht Oberbürgermeister Klaus Jensen ein Resümee des kommunalpolitischen Geschehens der zurückliegenden zwölf Monate.

RaZ:  Herr Jensen, wenn Sie zwischen „Soll“ und „Haben“ eine Bilanz für Trier ziehen müssten, war dann 2009 für Deutschlands älteste Stadt ein gutes oder ein schlechtes Jahr?
Jensen: Sowohl als auch. Es war ein schlechtes Jahr im Hinblick auf die schon historisch zu nennenden, geradezu einmaligen Steuereinbrüche, die durch die Weltwirtschaftskrise entstanden sind. Es war ein gutes Jahr, weil trotzdem viele Investitionen auf den Weg gebracht wurden. Auch die Arbeitslosenquote blieb für Trierer Verhältnisse sehr niedrig. Firmen konnten am Standort Trier ungeachtet großer Probleme gehalten werden. Und es sind trotz sehr ungünstiger Rahmenbedingungen sogar neue Arbeitsplätze entstanden.

Die finanzielle Not der Stadt begleitet Sie ja auf Schritt und Tritt. Wo drückt der Schuh bei den Finanzen am meisten?
Die Einnahmesituation, insbesondere bei den Gewerbesteuern, hat dramatische Dimensionen erreicht. Wir müssen einen Rückgang der Gewerbesteuern von 52 Millionen auf 32 Millionen Euro verkraften. Das ist ein historisch einmaliger Einbruch. Dazu kommt die extreme Belastung an Zinszahlungen: Allein für die Schulden der vergangenen Jahrzehnte müssen im kommenden Jahr 20 Millionen Euro Zinsen bezahlt werden.

Sehen Sie eine realistische Chance, in absehbarer Zeit aus dieser Misere herauszukommen?
Leider nein. Es wird eher noch schlimmer angesichts der unsinnigen Steuersenkungspläne aus Berlin. Sie treffen uns mit zusätzlichen Einbußen in Millionenhöhe. Die fatale Situation der Kommunen wird in Berlin nicht wahrgenommen. Nur eine radikale Änderung des Finanzausgleiches zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu Gunsten insbesondere der Oberzentren wird uns helfen.

Um die Auswirkungen der Finanzkrise abzudämpfen, gab es zur Ankurbelung der Konjunktur zwei Investitionsprogramme, von denen auch Trier profitiert hat. Wann ist mit konkreten Auswirkungen zu rechnen?
Die Früchte des Konjunkturprogramms werden wir im kommenden Jahr ernten. Die großen Anstrengungen haben sich gelohnt, über zehn  Millionen Euro fließen in unterschiedliche städtische Projekte. Weitere 30 Millionen können zur Verbesserung Trierer Einrichtungen wie die Krankenhäuser oder die Welterbestätten aufgewandt werden. Zur Zeit laufen die meisten Ausschreibungen. 2010 wird dann saniert und gebaut. Damit werden Arbeitsplätze erhalten und zusätzlich geschaffen.

Trotz der defizitären Haushaltssituation haben Sie in den vergangenen Monaten versucht, im investiven Bereich kommunalpolitische Akzente zu setzen. Was konnte hier realisiert werden?
Es gibt einige herausragende Projekte. Die Musikschule zeigt sich in einem neuen attraktiven Gewand, die Sanierung des Südbades liegt im Zeitplan und im zu Ende gehenden Jahr konnte auch die neue Grundschule in Tarforst ihrer Bestimmung übergeben werden. Ich erinnere aber auch an den Kauf und die Planung des Konversionsgeländes Feyen, die Aktivitäten zur Fortentwicklung des Stadtteils Trier-West und die Energieagentur.

Was musste an Projekten zurückgestellt werden?
Da ist die Liste leider viel zu lang. Ich beschränke mich auf die maroden Straßen und auf den über Jahrzehnte aufgelaufenen Investitionsstau in den öffentlichen Einrichtungen. Der Zustand vieler Schulen drückt uns sehr. Es fehlt an allen Ecken und Enden das Geld.

Wie steht es um das Vorhaben „Stadt am Fluss“?
Wir haben zum Thema „Stadt am Fluss“ ein umfängliches Gutachten fertig gestellt, um die Frage zu beantworten, welche Projekte entlang der Mosel überhaupt realisiert werden können. Wir werden im kommenden Jahr die Ufergestaltung und vor allen Dingen die Uferpflege wesentlich verbessern. Wir wollen so genannte Leuchtturmprojekte vorantreiben, die das Gesamtvorhaben beflügeln. Beispielsweise werden wir uns um das Grundstück an der Seilbahn kümmern. Wegen seiner großen Dimension ist das Projekt „Stadt am Fluss“ eine Generationenaufgabe. Sie verlangt einen langen Atem. Aber wir nehmen sie Stück für Stück in Angriff.

Zu Ihren Zielen gehört es auch, die Bürger stärker an den politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen und dies, obwohl aufgrund der fehlenden Mittel für Sonderwünsche kaum Aussicht auf Erfolg besteht.
Gerade in Zeiten knapper Kassen ist es um so wichtiger, die Bürgerinnen und Bürger an der Kommunalpolitik zu beteiligen. Sie sollen ein gewichtiges Wort bei den Prioritätensetzungen der Verwaltung und des Rates haben. Die Aufstellung eines ersten Bürgerhaushaltes war sehr erfolgreich. 1.600 Bürgerinnen und Bürger haben sich mit fast 500 Vorschlägen und rund 57.000 Bewertungen aktiv beteiligt. Wunschlisten wurden dabei nicht aufgestellt. Die Bürger sind sehr realistisch und haben auch viele Einspar- und Einnahmevorschläge gemacht.

Die Kommunalwahlen haben mit der Bildung eines „Ampel-Bündnisses“ für neue Mehrheiten im Stadtrat gesorgt. Die bisherigen Mehrheitsfraktionen haben das Nachsehen. Wie stellen Sie sich das Miteinander im Rat für die kommenden fünf Jahre vor?
Die Gemeindeordnung sieht zu Recht keine Untergliederung zwischen Mehrheit und Opposition vor und es gibt aus gutem Grund kein direktes Gegenüber von Rat und Verwaltung. Gerade in so schwierigen Zeiten ist eine konsensorientierte Kommunalpolitik von großem Wert. Ich werde weiter für ein Miteinander zwischen den Ratsfraktionen werben. Trier kann keine Lagerpolitik gebrauchen.

Ab Mitte Februar erfährt auch der Stadtvorstand mit zwei neuen Gesichtern und zwei neuen politischen Orientierungen eine markante Veränderung. Wie stellen Sie sich die zukünftige Zusammenarbeit im Leitungsgremium der Stadt vor?
Die Arbeit des Stadtvorstandes muss sich am Gesamtwohl der Stadt orientieren. Viele Themen lassen sich nur dezernatsübergreifend lösen. Deshalb steht für mich die kollegiale Zusammenarbeit im Vordergrund.

Die ersten Stadtratssitzungen nach der Kommunalwahl mit dem Einzug eines NPD-Vertreters in das höchste Bürgergremium der Stadt verliefen nicht immer problem- beziehungsweise reibungslos. Teilweise wurde Ihnen vorgehalten, bei der Sitzungsleitung nicht hart genug durchgegriffen zu haben.
Ich kann und will der NPD nicht das Wort verbieten. Auch das unterscheidet uns Demokraten von radikalen Kräften. Als Verwaltungschef habe ich mich an die bestehenden Gesetze zu halten, auch wenn ich weiß, dass sie womöglich lächerlich gemacht oder ausgehöhlt werden sollen. Wir sind im Rat sehr sensibilisiert und ich bin dankbar, dass einvernehmlich über alle Fraktionsgrenzen hinweg der feste Wille besteht, das hohe Gut der demokratischen Grundwerte zu pflegen und gegebenenfalls auch energisch zu verteidigen. Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz gegenüber Minderheiten, Zynismus und Demagogie gehören nicht zum Selbstverständnis eines Demokraten, die bei allen Unterschieden in der Sache die Achtung vor den Grundwerten verbindet.

Auf welchen Gebieten muss sich die Stadt in den kommenden Monaten und Jahren am meisten anstrengen, um im Wettbewerb der Städte mithalten zu können?
Wir müssen weiter daran arbeiten, dass die Säulen unserer Wirtschaft stärker werden. Dazu gehören neben dem Handel und der Industrie beispielsweise das Handwerk, die Gesundheits- oder die Kreativwirtschaft. Wir müssen an der Funktionsfähigkeit unserer Infrastruktur arbeiten und vor allen Dingen unser Bildungswesen optimieren. Hier liegt die Zukunft.

Bei den Städtepartnerschaften steht im kommenden Jahr der Abschluß einer neuen Verbindung mit der chinesischen Stadt Xiamen bevor. Was erwarten Sie sich von einem Brückenschlag ins „Reich der Mitte“?
Vor allem einen ständigen interkulturellen Austausch, die Entwicklung ganz konkreter Projekte wie beispielsweise das Europäisch-Chinesische Zentrum für Weiterbildung. Die Universitäten unserer Städte werden von dem Austausch profitieren. Das wiederum fördert den allgemeinen Tourismus. Und ich gehe von vielen Trierer Engagements in China aus. Ich bin mir sicher, dass auch diese Partnerschaft ihre eigene Dynamik entwickeln wird.

Lassen Sie das zurückliegende Jahr noch einmal Revue passieren: Was waren für Sie – auch ganz persönlich – die Highlights?
Die schönsten Erfahrungen verstecken sich für mich im Alltag: engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich für die Gemeinschaft, ein Projekt, für ihre Mitmenschen oder ihre hilfebedürftigen Angehörigen selbstlos einsetzen. Schließlich glückliche Petentinnen und Petenten, denen aus einer Notlage geholfen werden konnte. Spektakulär waren für mich als Fußballfan natürlich die Pokalerfolge der Eintracht. Täglich wiederkehrende Highlights sind meine Frau und meine Kinder.

Wenn Sie drei Wünsche für die Stadt offen hätten, wie würden diese lauten?
Ich wünsche mir den Einsatz aller Bürgerinnen und Bürger für das Gemeinwohl und für die Zukunft unserer Stadt. Ich wünsche mir ein Mit- und kein Gegeneinander im Stadtrat und natürlich wünsche ich mir sprudelnde Steuereinnahmen, die unsere Finanzmisere lindern.


Das Gespräch führte Hans-Günther Lanfer