Sprungmarken
05.04.2011

"Trier entwickelt sich sehr gut"

Oberbürgermeister Klaus Jensen zieht eine positive Bilanz der ersten vier Amtsjahre und startet sehr optimistisch in die zweite Hälfte.
Oberbürgermeister Klaus Jensen zieht eine positive Bilanz der ersten vier Amtsjahre und startet sehr optimistisch in die zweite Hälfte.
Vor vier Jahren trat Klaus Jensen sein Amt als Trierer Oberbürgermeister an. Als unabhängiger Kandidat war der Sozialdemokrat im ersten Wahlgang mit großer Mehrheit gewählt worden. Vor wenigen Tagen war Halbzeit der ersten Amtsperiode. Im Gespräch mit der Rathaus Zeitung (RaZ) zieht Jensen eine Bilanz der vergangenen 48 Monate und schaut voraus auf die kommenden Herausforderungen.  

RaZ: Herr Jensen, wie fällt Ihre  persönliche Bilanz aus, sind Sie mit ihrer Arbeit zufrieden?  

Klaus Jensen: Die Bilanz nach vier Jahren ist ausgesprochen positiv. Trotz Weltwirtschafts- und Finanzkrise ist unglaublich viel bewegt worden in unserer Stadt. Wir haben in den vier Jahren 180 Millionen Euro in Trier investiert. Trier nimmt eine sehr gute Entwicklung. Alle relevanten Strukturdaten gehen nach oben, vieles Neue ist gelaufen. Also eine positive Bilanz. Natürlich wünscht man sich immer mehr.

Mit welchen Zielen sind Sie gestartet und welche konnten Sie in den vier Jahren schon realisieren?

Ich hatte natürlich eine ganze Reihe von Zielen und Teilzielen, aber herausragend waren für mich damals fünf Sektoren. Einmal wusste ich um die Situation der Schulen. Dass ich mehr für die Schulen tun werde, das war mein Versprechen im Wahlkampf. Die Investitionen im Bereich der Schulen sind in den vier Jahren meiner OB-Zeit um 50 Prozent gesteigert worden. Das ist eine enorme Zahl.

Und die anderen Ziele?

Das zweite was mir wichtig war, ist mehr für die Umwelt zu tun. Da haben wir riesige Fortschritte etwa mit der Energiewende bei den Stadtwerken gemacht. Der dritte Bereich ist die stärkere Bürgerpartizipation. Wir sind die erste Stadt in Rheinland-Pfalz, die jetzt schon zum dritten Mal einen Bürgerhaushalt, an dem sich Tausende Trierer beteiligen, auflegt. Ich nehme die Bürgerinnen und Bürger ernst und habe mit Stadtteilkonferenzen, mit Anhörungen, mit Chats, mit Bürgersprechstunden usw. vielfältige Formen der Bürgerbeteiligung etabliert. Das vierte Ziel, das ich mir damals gegeben habe, war, den Wirtschaftsstandort Trier zu stärken und mit dazu beizutragen, die Zahl der Arbeitsplätze in Trier angesichts drohender Schließungen zu festigen. Nach vier Jahren lässt sich feststellen, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Trier gestiegen ist. Ich konnte in Zusammenarbeit mit vielen Akteuren in der Stadt helfen, viele Arbeitsplätze zu retten und neue zu schaffen. Und als fünftes ist es mir wichtig, im Rathaus selbst für mehr Transparenz zu sorgen und die Arbeitsbedingungen und Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verbessern. Auch hier sind messbare Verbesserungen zu verzeichnen, etwa durch das uns verliehene Audit berufundfamilie, das für eine bessere Vereinbarung und Miteinander von Beruf und Familie steht.   

Mussten Sie in den vergangenen  vier Amtsjahren einige Ihrer Vorstellungen den oft beschworenen Sachzwängen unterordnen?

Natürlich. Ich hätte beispielsweise gerne das Thema „Stadt am Fluss“ schneller voran getrieben. Aber angesichts des Einbruchs bei den Gewerbesteuern und anderer Einnahmen in der Größenordnung von 40 bis 50 Millionen Euro entscheide ich mich dann prioritär für die Sanierung einer verschimmelten Schule vor der Verschönerung und der Einbindung des Moselufers an die Innenstadt. Auch hatte ich mir vorgestellt, die Antikenfestspiele noch stärker zu profilieren. Aber angesichts der großen finanziellen Risiken, die damit verbunden sind, mussten wir letztendlich die Antikenfestspiele einstellen.  

Ein ausgesprochen großes Verantwortungsbewusstsein den kommenden Generationen gegenüber hat schon sehr früh ihre Arbeit als  Sozialplaner oder als Unternehmensberater im Gesundheitsbereich geprägt. Wie fließt diese Grundhaltung in Ihre Tätigkeit als Oberbürgermeister ein?  

Ich habe immer schon bei meinen verschiedenen beruflichen Tätigkeiten an künftige Generationen gedacht. Ich versuche, bei jeder Entscheidung, die so genannte Nachhaltigkeit mit zu berücksichtigen. Also eine Antwort auf die Frage zu formulieren, was bedeuten unsere heutigen Entscheidungen für unsere Kinder, für künftige Generationen? Ein Oberbürgermeister muss meiner Meinung nach auch so handeln und entscheiden und langfristig denken. Das ist nicht immer ganz einfach, weil Politik in der öffentlichen Wahrnehmung ein sehr kurzfristiges Geschäft ist. Medien, auch Teile der Bevölkerung wollen kurzfristig Erfolge sehen. Aber die langfristige Orientierung von politischem Handeln ist mir ganz wichtig. Gerade in Zeiten knapper Kassen.   

Ist unter diesem Gesichtspunkt auch Ihr verstärktes Engagement als OB in Bezug auf die erneuerbaren Energien zu sehen?  

Auf jeden Fall. Wir mussten nicht erst die Katastrophe in Japan erleben, um zu wissen, dass wir generell umsteuern müssen. Wir haben in den vergangenen vier Jahren auf diesem Sektor schon sehr viel erreicht. 50 Prozent des Strombedarfs der Stadt Trier wird heute schon durch erneuerbare Energien abgedeckt. Das ist ein Wert, der vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Und hier sind die Trierer Stadtwerke viel beachteter Wegbereiter einer modernen, umweltgerechten und effizienten Versorgung der Bevölkerung mit Energie aus regenerativen Quellen. Mit großer Kraftanstrengung haben wir diese positive Entwicklung ermöglicht. Und wir machen weiter.

Was verbuchen Sie als Misserfolg oder als persönliche Niederlage?  

Als Niederlage würde ich es nicht bezeichnen, aber ich fand es bedauerlich, dass sich der Stadtrat gegen mein Votum ganz zu Beginn meiner Amtszeit dafür entschieden hat, dass wir uns an einem Kohlekraftwerk beteiligen. Eine Entscheidung, die dem Gedanken des  Klimaschutzes stark entgegen steht. Aber so waren die Mehrheitsverhältnisse damals, heute würde das keiner mehr machen. Das war sicherlich negativ. Natürlich finde ich es auch schmerzlich, wenn ich aus Haushaltsgründen Entscheidungen treffen muss, die das Angebot in der Stadt reduzieren. Stichwort:
Eishalle: Wir sind nicht in der Lage, die Eishalle neu zu bauen. Stichwort Antikenfestspiele: Das tut wirklich weh.   

Hat das Amt den Menschen Klaus Jensen verändert?  

Ich hoffe nicht, dass es mich grundlegend verändert hat. Aber es hat mich sicher von meinem Erfahrungsschatz her, von meinem Wissen her, bereichert.

Wie würden Sie Ihre Handschrift, Ihren persönlichen Stil deuten?

Also meine Handschrift ist deutlich lesbar. Aber im Ernst, mein persönlicher Stil – das habe ich in meinem ganzen, Gott sei Dank erfolgreichen, Berufsleben immer so praktiziert – ist ein Dreierschritt: Information, Dialog und Entscheidung. Das lebe ich sehr konsequent in meinem Amt. Die einen wollen lieber nur  Dialog, die anderen wollen nur die schnelle Entscheidung. Ich finde, vor jeder Entscheidung gehöen ein umfassender Dialog und eine Information der Bevölkerung und dann muss man entscheiden. Ich bin kein Basta-Politiker, die Leute haben mich gewählt, damit ich mit ihnen rede, aber ich treffe dann natürlich als letzten Schritt auch eine klare Entscheidung. Das ist mein Führungsstil, teamorientiert, dialogorientiert und entscheidungsfreudig.
 
Welche der vier klassischen  Kardinaltugenden Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung ist Ihrer Auffassung nach für einen Verwaltungschef, auch für einen  Politiker, am wichtigsten?  

Eine auszuwählen ist schwierig. Man sollte idealerweise von jeder Tugend etwas mitbringen. Aber ich habe schon eine Präferenz für Gerechtigkeit. Jede Entscheidung für etwas ist eine Entscheidung gegen etwas anderes. Und wenn da nicht Gerechtigkeit ein Orientierungsmaßstab ist, kann man keine gute Kommunalpolitik machen.   

Können Sie angesichts der gewaltigen Schulden der Stadt eigentlich ruhig schlafen?

Also ich schlafe gut. Aber ich sage auch ganz klar, dass mir angesichts der Schuldenlast, die wir haben, die Verantwortung für kommende Generationen schon schwer auf den Schultern lastet.

Welches sind die wichtigsten Ziele  in der zweiten Hälfte Ihrer Amtszeit? Wo soll die Stadt in vier Jahren und wo soll die Stadt in vier Jahrzehnten stehen?  

Der Hochschulstandort hat für Trier eine herausgehobene Bedeutung. Deshalb werde ich alles tun, um ihn in seiner Profilierung zu unterstützen.
Weiter haben wir Gott sei Dank die Situation, dass es eine große Nachfrage gibt, in Trier zu wohnen. Das heißt, wir rechnen nicht mit zurückgehenden Einwohnerzahlen, sondern mit steigenden. Das hat aber als Schattenseite, dass das Mietniveau hochgeht. Bezahlbarer Wohnraum ist deshalb in den nächsten Jahren ein ganz wichtiger Schwerpunkt für die Weiterentwicklung der Stadt. Wir müssen den Schulbereich weiter entwickeln, denn trotz der großen Inves-titionen der letzten Jahren sind viele weitere Maßnahmen erforderlich. Andere wichtige Projekte will ich noch stichwortartig nennen: Beitritt der Stadt zum Entschuldungsfonds und Haushaltskonsolidierung; Sanierung städtischen Wohneigentums; Bau der Feuerwache Ehrang und der Ausbau der Kindertagesstätten für unter Dreijährige. Ganz wichtig bleibt auch das Thema Konversion. Nach Petrisberg, Feyen-Castelnau und Trier-West stehen mit der General-von-Seidel- Kaserne und der Jägerkaserne die letzten großen ehemaligen Militärbrachen zur Umgestaltung an. Wenn man dann noch die Industriekonversion mit dem Bobinet-Gelände in Trier-West und dem Ausbesserungswerk dazu nimmt, sind das einige der gro-ßen Herausforderungen.

Sie haben einmal gesagt, Politik sei kein Wunschkonzert. Aber heute besucht Sie eine gute Fee und sie haben einmalig drei Wünsche frei. Welche wären das?  

Also einmal wünsche ich mir, dass die Begeisterung und Identifikation der Mitbürgerinnen und Mitbürger für diese Stadt und ihre Belange in den nächsten Jahren noch stärker wird und sich in konkretem Engagement ausdrückt. Ich wünsche mir natürlich als Oberbürgermeister und Kämmerer mehr Einnahmen als Ausgaben. Persönlich wünsche ich mir, dass ich in den nächsten Jahren weiter mit Optimismus, Gesundheit und genügender Kraft die Stadt weiter nach vorne bringen kann.       


Das Gespräch führte Ralf Frühauf