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07.09.2010

Tief beeindruckt von Leben und Werk

Seit 2003 würdigt die Stadt mit einem Preis das epochale Lebenswerk Nell-Breunings. Hans-Jochen Vogel erhielt ihn 2009.
Seit 2003 würdigt die Stadt mit einem Preis das epochale Lebenswerk Nell-Breunings. Hans-Jochen Vogel erhielt ihn 2009.
Hans-Jochen Vogel ist überrascht. Er hätte nicht gedacht, dass Oswald von Nell-Breuning, der große Mann der Katholischen Soziallehre, in einer so wohlhabenden Umgebung aufgewachsen ist, gibt Vogel seine Eindrücke vom Besuch des früheren Ritterguts Mariahof wider, in dem der spätere Jesuitenpater (1890-1991) aufwuchs. Der 84jährige Vogel ist mit seiner Frau Liselotte – wieder einmal – nach Trier gekommen, um an der Jubiläumsfeier der Trierer Sozialdemokraten teilzunehmen, aber auch, um persönlich der Stadt für den Oswald von Nell-Breuning-Preis zu danken, an dessen feierlicher Verleihung an ihn und seinen Bruder Bernhard er im vergangenen Jahr wegen einer Erkrankung nicht teilnehmen konnte.

Hier in Mariahof wollte Vogel dem von ihm hochgeschätzten Sozialreformer noch einmal nahe sein, ihm seine „Referenz erweisen“, wie es der frühere Bundesminister und SPD-Bundesvorsitzende in Begleitung von Oberbürgermeister Klaus Jensen ausdrückt. Nell-Breuning habe Großes für die Arbeiterschaft, die Gewerkschaften, aber auch für den Ausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern geleistet.
Vogel ist dem Jesuitenpater 1957 bei einer Tagung in München, als über das schwierige Verhältnis von „Katholischer Soziallehre und Sozialismus“ debattiert wurde, erstmals begegnet. Es habe ihn stets tief beeindruckt, wie sehr Nell-Breuning für die praktische Umsetzung der Prinzipien der Katholischen Soziallehre gekämpft habe.

Begegnungen mit dem Pater

Später berichtet Vogel beim Empfang der Stadt im Großen Rathaussaal von persönlichen Begegnungen in Nell-Breunings Wirkungsstätte St. Georgen bei Frankfurt. Deutlich habe er noch den 100. Geburtstag des Jesuitenpaters in der Philosophisch-Theologischen Hochschule vor Augen. Ohnehin bleibe ihm der bescheidene asketische Lebenswandel des herausragenden Sozialethikers unvergessen. Dieser tiefe Eindruck stehe schon in einem gewissen Gegensatz zu dem, was er eben in Mariahof gesehen habe. Dass man ihm gemeinsam mit seinem Bruder Bernhard den Oswald von Nell-Breuning-Preis der „außergewöhnlichen“ Stadt Trier zuerkannt habe, sei für ihn eine „ganz besondere Ehrung mit einer herausragenden emotionalen Bedeutung“.

Orientierung an Breunings Ideen

Schon zuvor hat Oberbürgermeister Jensen, den Vogel als leidenschaftlicher Kommunalpolitiker und früheres Stadtoberhaupt der Metropolen München und Berlin bevorzugt als „Kollegen“ anspricht, das Werk Nell-Breunings gewürdigt und noch einmal die Gründe der Preisverleihung an Hans-Jochen Vogel in Erinnerung gerufen. „In Ihrem politischen Lebenswerk findet sich vieles wieder, für das Nell-Breuning gestanden hat“, sagt Triers OB an Vogel gerichtet, „Sie haben Werte und Ansichten vertreten sowie einen Umgang mit anderen Menschen gepflegt, die vorbildlich sind“. Dass mit dem Sozialdemokraten Hans-Jochen und dem Christdemokraten Bernhard Vogel zwei Brüdern gemeinsam der Preis zuerkannt wurde, die in bedeutenden Positionen erfolgreich in unterschiedlichen Parteien agierten, hat in diesem Fall mehr Verbindendes als Trennendes, zumal Hans-Jochen nicht vergisst, „herzliche Grüße“ seines gut sechs Jahre jüngeren Bruders zu übermitteln.

Treffen bei Schmidts

Doch spätestens beim Eintrag ins Goldene Buch werden Unterschiede greifbar. „Mein Bruder hat hinter seinem Namen einen Punkt gesetzt“, stellt Hans-Jochen Vogel erstaunt fest, „den mache ich nicht“. Danach plaudert der große Mann der Sozialdemokratie, der auch Kanzlerkandidat und langjähriger Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion war, noch ausgiebig mit den Mitgliedern des Ältestenrats und des Preisgerichts. Und am Rande erfährt man, dass das Ehepaar Vogel von Trier aus nach Hamburg fährt, um sich traditionell am Brahmsee mit Helmut Schmidt zu treffen. Vielleicht wird Vogel dem früheren Bundeskanzler dabei auch von seinen Mariahofer Eindrücken erzählen, wurde doch Schmidt – vier Jahre vor Vogel – ebenfalls der Oswald von Nell-Breuning-Preis verliehen.