Sprungmarken
28.04.2009

Teilhabe Behinderter ist Herzensangelegenheit

Ina Leyendecker ist eine selbstbewusste junge Frau. „Ich mag es nicht, wenn mich jemand duzt“, sagt die 21-jährige, die mit Down-Syndrom geboren wurde. Sie besuchte einen integrativen Kindergarten und eine integrative Schule. „Es war klar, dass sie auch integrativ arbeiten wollte und nicht in einer Behindertenwerkstatt“, berichtet ihre Mutter Ursula Leyendecker. „Sie war es nicht anders gewohnt.“

Die Suche nach einer Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt war erfolgreich: Nach einem Orientierungspraktikum arbeitet Ina Leyendecker seit mehr als zwei Jahren als fest angestellte Kraft in der Küche des Mutter-Rosa-Altenzentrums. Dabei geholfen hat das Budget für Arbeit. Mit diesem Sozialhilfeprogramm werden einem Arbeitgeber, der eine Person mit voller Erwerbsminderung einstellt, 70 Prozent der Bruttolohnkosten erstattet. Zusätzlich kann das Unternehmen Betreuungsleistungen eines Integrationsfachdienstes in Anspruch nehmen. Ziel ist es, mehr Menschen mit psychischer, geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

Vom Praktikum zur festen Stelle

„Die Teilhabe behinderter Menschen am Leben in unserer Stadt liegt uns am Herzen“, betont Sozialdezernent Georg Bernarding. Die selbst bestimmte Arbeit spiele dabei eine entscheidende Rolle. Bernarding wirbt deshalb dafür, dass mehr Unternehmen als bisher das Budget für Arbeit in Anspruch nehmen. Landesweit wurden mit diesem Instrument bislang erst rund 80 Stellen geschaffen, davon zehn im Raum Trier. Das Rathaus geht mit gutem Beispiel voran und wird zunächst Praktikumsplätze, voraussichtlich im Grünflächenamt, anbieten. Daraus soll in naher Zukunft zumindest eine feste Stelle entstehen.

Wer mit Hilfe des Budgets für Arbeit eine Stelle gefunden hat, hat vorher zumeist in einer Werkstatt für behinderte Menschen gearbeitet. Bei Scheitern des neuen Arbeitsverhältnisses ist eine Rückkehr in die Werkstatt jederzeit möglich. „Für den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt müssen wir die Menschen sehr intensiv vorbereiten“, berichtet Bruno Wallenborn, Integrationsmanager in der Werkstatt Schönfelder Hof der Barmherzigen Brüder. „Es werden einfach viel höhere Anforderungen an soziale Kompetenzen wie Pünktlichkeit oder Hygiene gestellt.“ Vorab seien viele Gespräche zwischen dem Arbeitgeber, dem neuen Mitarbeiter und seinen Betreuern zu führen, ergänzt Olga Kobert-Hoffmann, Integrations-managerin der Caritas-Werkstatt Trier. Ein längeres Praktikum, um einander kennen zu lernen, sei unverzichtbar.

Viele Hürden überwunden

Patrick Viala hat alle diese Hürden überwunden und arbeitet für die Lebenshilfe Trier als Hausmeister auf dem Hofgut Serrig. Er ist sehbehindert und war psychisch erkrankt. Die regelmäßige, anspruchsvolle Arbeit hat ihm dabei geholfen, seine Probleme besser in den Griff zu bekommen.

Als Hauptgrund für die bisher schwache Teilnahme am Budget für Arbeit sehen die Experten den geringen Bekanntheitsgrad des Programms. Eine weitere Ursache könnte auf Seiten der Betroffenen die Befürchtung sein, letztlich weniger zu verdienen oder Versorgungsansprüche zu verlieren. Patrick Viala kann dies nicht bestätigen: „Ich bekomme unter dem Strich 500 Euro mehr im Monat.“ Für Dr. Michael Köbler, stellvertretender Geschäftsführer der Lebenshilfe Trier, überwiegen deshalb ganz klar die positiven Aspekte des Budgets für Arbeit: „Ich bin von diesem zukunfts-trächtigen Modell begeistert.“