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20.12.2022

Stärken, Schwächen und viele Brillen

Die Plätze in den Viehmarktthermen waren beim Bürgerforum zur Innenstadtentwicklung größtenteils belegt.
Die Plätze in den Viehmarktthermen waren beim Bürgerforum zur Innenstadtentwicklung größtenteils belegt.
Die Innenstadt ist für alle da. Entsprechend schwierig ist es für Stadtplaner, allen Interessen und Anforderungen gerecht zu werden. Das zeigte sich beim ersten Bürgerdialog zur Innenstadtentwicklung. Es gibt aber auch Vorschläge, bei denen große Einigkeit herrscht.

Die Botschaft war klar: „Wir brauchen unbedingt mehr Schatten, mehr Bäume, die im Sommer für Abkühlung sorgen", sagte Horst Steffny und erhielt dafür viel Applaus vom Publikum. Weitere Rednerinnen und Redner sprachen das Problem an: Die Trierer Altstadt, in der es aufgrund ihrer Tallage ohnehin wenig Luftaustausch gibt, wird an Hitzetagen auch wegen der dichten Bebauung und der starken Versiegelung des öffentlichen Raums sowie fehlender Wasser- und Grünflächen schnell unerträglich heiß.

Hier Abhilfe zu schaffen, wird eines der Themen sein, die im Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK) für die Innenstadt angesprochen werden. Das ISEK ist Voraussetzung dafür, dass die Stadt in den nächsten zwölf Jahren Zuschüsse für bauliche Investitionen im Rahmen des Städtebauförderprogramms „Lebendige Zentren" erhält. Zum Auftakt des Bürgerdialogs, der die Aufstellung des ISEK begleitet, waren rund 70 Interessierte in die Viehmarktthermen gekommen. Dazu kamen die Zuschauerinnen und Zuschauer des Live-Streams, die sich online an der Diskussion beteiligen konnten.

Die Stärken der Trierer City liegen auf der Hand: die kurzen Wege, die Welterbestätten und die Vielfalt an Kultur, Gastronomie und Handel machen sie zu einem Anziehungspunkt für jährlich mehrere Millionen Besucherinnen und Besucher. Aber auch die Schwächen und Problemzonen traten bei der Veranstaltung zu Tage: Neben der Versiegelung zählen dazu die hohe Verkehrsdichte, die gestalterischen Defizite des Bahnhofs- und des Porta-Nigra-Platzes, die schlechte Anbindung ans Moselufer sowie der Strukturwandel im Einzelhandel, symbolisiert durch die leerstehende Immobilie von Karstadt in der Simeonstraße.

Moderiert wurde der Bürgerdialog von Florian Groß und Henning Stepper vom Planungsbüro MESS aus Kaiserslautern, die vom Amt Stadt- und Verkehrsplanung als fachliche Berater hinzugezogen wurden. Stepper betrachtete in seinem Referat die Anforderungen an die Innenstadt durch fünf Brillen: durch die der Bewohner, der Besucher, der Händler und Gastronomen, der Touristen und durch die Klimaschutzbrille.

Sensationeller Weinstand

Im Laufe des Abends zeigte sich, dass es noch viel mehr „Brillen" gibt: Sie werden getragen von Kindern, Jugendlichen und Senioren. Radlern, Autofahrern und Fußgängern. Rollstuhlfahrern und Sehbehinderten. In 18 dreiminütigen Redebeiträgen wurden die Interessen dieser Gruppen artikuliert: sichere Spielplätze, Treffpunkte ohne Konsumzwang, mehr Fahrradbügel, Beibehaltung von Behindertenparkplätzen und vieles mehr. Lob gab es auch: „Der Weinstand ist eine Sensation, weil hier Einheimische und Touristen ins Gespräch kommen", sagte eine Bürgerin. Judith
Schmitt warb dafür, die Weinstadt Trier durch die Pflanzung von Reben auch in der City sichtbar zu machen.

Baudezernent Andreas Ludwig bezeichnete das ISEK als „Masterplan", der die vielfältigen Perspektiven bündeln soll. Jochen Strack, Leiter des Amts für Immobilien, Innenstadt und Digitalisierung, setzte sich angesichts von Bevölkerungsrückgang und Überalterung für die Wiederentdeckung der Innenstadt als Wohnort ein. „Auf dem Weg dorthin brauchen wir Konzepte zur Überwindung der Konflikte mit anderen Nutzungen."

Ralph Kießling