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09.03.2010

Stadtwald nochmal davongekommen

Die Holzerntemaschine entastet die großen Baumstämme, die Orkan „Xynthia“ zum Opfer gefallen sind, und zerlegt sie gleich in rund drei Meter lange Stücke.
Die Holzerntemaschine entastet die großen Baumstämme, die Orkan „Xynthia“ zum Opfer gefallen sind, und zerlegt sie gleich in rund drei Meter lange Stücke.
Nachdem Orkan „Xynthia“ Ende Februar in Trier seine Spuren hinterlassen hat, zieht Kerstin Schmitt, Revierförsterin Weisshaus/Pfalzel, im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ) eine erste Bilanz.

RaZ: Die Stadt Trier ist einer der größten Waldbesitzer in Rheinland- Pfalz. Wie stark ist unser Stadtwald von Sturmschäden betroffen?

Schmitt: Da fast alle Wege im Stadtwald durch geworfene Bäume blockiert waren – und meist noch sind – konnten wir uns bisher nur ein grobes Gesamtbild über die Windwurfmenge machen. Eine erste Schätzung lag bei 2 400 Festmetern (= Kubikmetern) Holz, aber in den letzten Tagen hat sich diese Menge auf circa 3000 Festmeter erhöht.

Diese Menge an Holz kann man sich als Laie schlecht vorstellen. Wieviel ist dies im Verhältnis zu den normalen Holzeinschlägen?

Der durchschnittliche Holzeinschlag beläuft sich in beiden städtischen Forstrevieren zusammen auf rund 12.000 Festmeter im Jahr. Wenn in einem Jahr mehr Holz geschlagen wird, muss dies in anderen Jahren wieder eingespart werden. Dies ist wichtig für die Nachhaltigkeit eines Waldes – nicht mehr schlagen als nachwächst. Im Vergleich zu anderen Stürmen ist diese Menge auf jeden Fall nur ein mittlerer Schaden, andere Forstbetriebe haben wesentlich höhere Schäden zu verzeichnen. Da aber erfahrungsgemäß auch noch einige Tage nach einem solchen Ereignis weitere Bäume auch ohne Windeinwirkung nachfallen können, gehe ich davon aus, dass hier noch Mengen hinzukommen.

Gibt es besondere Schadensschwerpunkte?

Ja, das schwierigste ist die Verteilung des geworfenen Holzes. Die Schäden belaufen sich in den meisten Fällen auf Einzelbäume oder Baumgruppen und nicht auf große Flächen am Stück. Viele Waldflächen liegen an öffentlichen Straßen oder oberhalb von Häusern, wir haben leider etliche Fälle, in denen Bäume auf Privatgrundstücke gestürzt sind. Strom- und Telefonleitungen sind ein weiteres Problem. Zudem sind vier Gatter im Wildgehege beschädigt worden. Selbst stabile, starke Bäume können Böen nicht immer standhalten.

Wie gehen Sie bei der Beseitigung der Schäden vor? Gibt es Prioritäten?

Die Sicherung von öffentlichen Straßen hatte oberste Priorität. Hier konnten wir sehr gut mit der Feuerwehr, dem Tiefbauamt, dem Grünflächenamt und den Stadtwerken zusammenarbeiten, um die richtigen Maschinen und Facharbeiter aus unserem Betrieb einzelnen Schäden zuzuweisen. Rettungswege mussten freigeschnitten werden, geschädigte Bäume gefällt werden. Waldgebiete, wie zum Beispiel den Petrisberg, mussten wir aus Sicherheitsgründen komplett sperren. Wir bitten die Bevölkerung auch weiterhin, sich in dieser Woche möglichst nicht im Wald aufzuhalten und unbedingt in den nächsten Wochen die Absperrungen zu beachten.

Was tue ich, wenn ein Baum auf mein Grundstück gefallen ist?

Den Schaden baldmöglichst bei der Gebäudeversicherung melden, da der Waldbesitzer nicht bei Schäden durch höhere Gewalt haftet. Und den Schaden beim Forstrevier melden, damit wir wissen, wo überall Bäume gefallen sind. Ich bedanke mich herzlich für die Geduld der vielen Grundstückseigentümer, die sich bei uns schon gemeldet haben und bei denen ich noch nicht überall vorbeischauen konnte. Wir werden so schnell wie möglich das Holz im Stadtwald aufarbeiten.

Was ist bei der Aufarbeitung von Sturmholz anders als bei normalen Holzeinschlägen?

Die Gefahr für die Forstwirte ist ausgesprochen hoch. Liegende und hängende Bäume stehen unter Spannung, Kronenteile können abbrechen, Bäume im Umfeld ohne Warnung umfallen. Das Holz liegt übereinander und ist schwer einzuschätzen. Die Arbeit ist sehr gefährlich, oft benötigt man Maschinen (Kran, Seilwinde)  zum Sichern der Bäume. In manchen Gebieten (zum Beispiel Petrisberg, Olbeschgraben) hilft uns auch ein Harvester (Holzerntemaschine).

Wie geht es nun weiter?

Natürlich ist der Plan für dieses Jahr ganz ordentlich durcheinandergewirbelt. Wir werden zuerst die restlichen unsicheren Bäume oberhalb von Häusern und Privatgrundstücken fällen, danach die übrigen Waldwege räumen. Fichtenholz, das von Borkenkäferbefall bedroht ist, wird zuerst aufgearbeitet. Bäume, die noch mit der Wurzel verbunden sind, kommen zuletzt. Dies wird wegen der vielen Kleinmengen einige Wochen in Anspruch nehmen. Die Waldwege müssen instand gesetzt werden. Hierfür müssen wir zusätzliche Fachfirmen einsetzen. Und unsere „normale“ Arbeit ist natürlich auch noch da.

Gab es trotz aller Probleme auch positive Erfahrungen in dieser turbulenten ersten Woche?

Auf jeden Fall! Zum Beispiel die Zusammenarbeit der einzelnen Ämter und die spontane gegenseitige Hilfe unter den städtischen Kollegen. Am wichtigsten finde ich aber, dass keine Menschen verletzt wurden – auch bisher nicht bei der Beseitigung der Schäden. Und dass die Tiere im Gehege sich für eine Nacht mit rot-weißem Absperrband anstelle des üblichen zwei Meter hohen Zauns begnügt haben – es sind noch alle da.

Das Gespräch führte Ralf Frühauf