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17.08.2021

Stadtansichten, die es nicht mehr gibt

Gemälderestaurator Dimitri Scher zeigt Kulturministerin Katharina Binz (Mitte) und Heike Wernz-Kaiser die Schäden an den geretteten Gemälden aus dem Ahrtal.
Gemälderestaurator Dimitri Scher zeigt Kulturministerin Katharina Binz (Mitte) und Heike Wernz-Kaiser die Schäden an den geretteten Gemälden aus dem Ahrtal. Foto: Stadtmuseum
Für die frühere Leiterin des Museums in Bad Neuenahr-Ahrweiler, Heike Wernz-Kaiser, gab es am Mittwoch ein erstes Wiedersehen mit den geretteten Gemälden aus dem überfluteten Depot. Auch die rheinland-pfälzische Kulturministerin Katharina Binz machte sich ein Bild vom Zustand der Kunstwerke und sagte Unterstützung für die anstehenden Restaurierungen zu.

Als Heike Wernz-Kaiser den geretteten Gemälden aus dem überfluteten Depot in Ahrweiler gegenübertritt, ringt sie um Fassung. „Ich bin natürlich erschüttert über den Zustand, aber in erster Linie freue ich mich, diese Werke wiederzusehen, dass es sie überhaupt noch gibt“, erklärt die Kuratorin der Sammlung und frühere Leiterin des vor einigen Jahren geschlossenen Museums der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. Dass die Gemälde die Zerstörung der Flut vom 14. auf den 15. Juli überlebt haben, ist tatsächlich ein kleines Wunder: Über mehrere Tage lagen die kostbaren Kunstschätze in einer überfluteten Tiefgarage, in der die Kunstsammlung eingelagert war. Wernz-Kaiser: „Wir hatten es nicht nur mit ansteigendem Wasser zu tun, sondern mit einer schlammigen Brühe, die mit unvorstellbarer Kraft in diesem Depot gewütet hat.“ Erst nachdem der Eingang von angeschwemmtem Treibgut, Autos und Öltanks freigelegt war, konnte die Notbergung beginnen.

Rund ein Drittel der knapp 3000 Objekte umfassenden Sammlung konnte nicht mehr gerettet werden. Die restlichen Stücke wurden vor Ort verpackt und an Museen im Südwesten verschickt, die ihre Hilfe bei der Einlagerung und Restaurierung angeboten hatten. 55 dieser Gemälde hat das Stadtmuseum Trier in seine Obhut genommen. Von der Solidarität, die das Ahrtal erfährt, ist Wernz-Kaiser noch immer überwältigt: „Daher heißt mein wichtigstes Wort heute Dankeschön“, so die sichtlich bewegte Kunsthistorikerin. Der Museumsverband Rheinland-Pfalz hatte die Rettungsaktion initiiert und organisiert. Unterstützung signalisierte auch die rheinland-pfälzische Kulturministerin Katharina Binz, die sich vor Ort im Depot des Stadtmuseums einen Eindruck der Lage machte und dem Museumsverband und Heike Wernz-Kaiser für die schnelle Reaktion und das große Engagement dankte. Sie stellte auch eine finanzielle Beteiligung an den Kosten in Aussicht: „Dass das Land sich an dieser Rettung beteiligt, ist selbstverständlich. Die Kunstwerke haben nicht nur einen Wert an sich, sondern sind auch ein wichtiger Ankerpunkt für die Identität der Region.“

Die Gemälde erzählen seit der Katastrophe ganz eigene Geschichten: Sie dokumentieren Ansichten von Brücken, die mit den Wassermassen fortgespült wurden, und Stadtansichten, die es nicht mehr gibt. Aber auch Motive wie das Niedertor in Ahrweiler, das über Jahrhunderte hinweg Maler inspiriert hat und den Fluten standhielt. Wernz-Kaiser: „Dieser Anblick gibt uns Kraft. Dass manches nicht kleinzukriegen ist, wie groß die Zerstörung auch sein mag.

Kathrin Koutrakos