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23.11.2021

Sparen, Sparen - und es reicht immer noch nicht

Infotafeln im Burgunderviertel
Die Entwicklung des Burgunderviertels ist ein aktuelles Projekt der Entwicklungsgesellschaft EGP. Der Haushaltsausschuss schlägt vor, dass die EGP in den nächsten beiden Jahren 500.000 Euro an die Stadt auszahlen soll, deutlich mehr als bisher. Foto: EGP GmbH/Albrecht Haag
Wofür soll die Stadt ihr Geld ausgeben, wo soll sie investieren? Das entscheidet sich mit dem Haushalt. Der Haushalts- und Personalausschuss des Stadtrats hat den Doppelhaushalt 2022/2023 vergangene Woche an zwei Tagen beraten. Dabei ging es weniger ums Geld ausgeben als ums Geld sparen.

Oberbürgermeister Wolfram Leibe ist als Finanzdezernent der oberste Haushälter der Stadt Trier. Er hat Mitte Juli dem Stadtrat einen Haushaltsentwurf für die nächsten beiden Jahre vorgestellt. Eigentlich war die Stadt Trier auf gutem Weg, in den nächsten Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können – doch dann kam die Pandemie mit ihren negativen Folgen. Außerdem – so hob der OB hervor – stiegen vor allem im Sozial- und Jugendbereich die Kosten dramatisch an – und dieser macht fast ein Drittel des Gesamthaushaltes aus. Der von OB Leibe zunächst eingebrachte Haushalt ging von einem Defizit von 24 Millionen Euro 2022 aus und von 21 Millionen Euro für 2023. Die Verwaltung legte intern noch einmal den Rotstift an und reduzierte das Defizit auf 19,9 Millionen (2022) und 17 Millionen Euro (2023) – doch dann bekam der OB von der Kommunalaufsicht, der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), das Signal: 2022 werden maximal 20 Millionen Euro an Defizit toleriert, 2023 maximal zehn Millionen und es muss eine Perspektive geben, dass der Haushalt 2024 ausgeglichen ist – sonst sei der Doppelhaushalt nicht genehmigungsfähig.
Der Haushalt sieht aufgrund des Spardrucks deshalb erhebliche Einsparungen im Personalbereich vor. In den beiden kommenden Jahren werden nach dem Vorschlag von OB Leibe nicht nur keine neuen Stellen geschaffen, sondern rund 150 Stellen jährlich könnten auch vorläufig nicht wiederbesetzt werden. Vor diesem Hintergrund suchte der Ausschuss Sparvorschläge und Möglichkeiten, die Einnahmen zu steigern.

  • Grundsteuer wird erhöht: Die Stadt hat nur wenige Steuern, bei denen sie selbst über die Höhe entscheiden kann – und von denen sie auch direkt profitiert. Dazu gehören die Grundsteuer B (die Hausbesitzer zahlen, die sie aber auch auf ihre Mieter umlegen können) und die Gewerbesteuer, die Unternehmen zahlen. OB Leibe hat vorgeschlagen, den Hebesatz der Grundsteuer B auf 600 Prozent anzuheben. Bei einer Drei- Zimmer-Wohnung wäre das eine Mehrbelastung von rund 36 Euro pro Jahr, bei einem Einfamilienhaus von 100 Euro. Das würde der Stadt rund fünf Millionen Euro Mehreinnahmen pro Jahr bringen. Die ADD habe deutlich gemacht, dass eine Anhebung Voraussetzung für die Haushalts-Genehmigung sei, so der Oberbürgermeister. Diese Erhöhung wollen die Fraktionen aber nicht mitmachen. SPD, FDP und UBT schlugen als Kompromiss eine Erhöhung nur auf 550 Prozent vor. SPD-Sprecher Sven Teuber sagte, man dürfte das Wohnen in Trier nicht noch teurer machen. Tobias Schneider (FDP) und Hans-Alwin Schmitz (UBT) betonten, sie hätten enorme Bauchschmerzen, die Bürger angesichts der derzeitigen allgegenwärtigen Preissteigerungen noch mehr zu belasten, sahen aber keine Alternative. Matthias Koster schlug für die Fraktion Die Linke vor, den Hebesatz nur auf 535 Prozent zu erhöhen. Stattdessen solle die Gewerbesteuer aber angehoben werden werden. Die Betriebe würden durch Coronahilfen des Bundes nicht mehr belastet, und das bringe rund 4,8 Millionen Euro Mehreinnahmen. Ein Vorschlag, der aber bei allen anderen Fraktionen durchfiel.
    Jürgen Backes (CDU) kritisierte die Landesregierung, die es seit Jahrzehnten nicht schaffe, die Kommunen finanziell ordentlich auszustatten. Dem Kompromissvorschlag stimmte die CDU dennoch zu. Michael Frisch (AfD) griff sowohl die Landes- als auch als die Bundesebene an und wies auch der CDU die Schuld für die Misere zu. Die AfD lehnte die Grundsteuererhöhung auf 550 Prozent ebenso wie die Linke ab. Richard Leuckefeld (Grüne) signalisierte Zustimmung seiner Fraktion für den Kompromiss und gegen die Erhöhung der Gewerbesteuer – mit einem Satz von 450 Prozent sei die Stadt sonst im Land Spitzenreiter, Gewerbetreibende würden vertrieben.
  • Sparkasse und EGP sollen mehr Gewinne ausschütten: SPD, UBT, CDU und FDP beantragten, für höhere Ausschüttungen an die Stadt durch zwei Gesellschaften zu sorgen. Einerseits soll die jährliche Ausschüttung der Sparkasse (beteiligt: Stadt Trier und Landkreis Trier-Saarburg) erhöht werden von 1,1 auf 2,2 Millionen Euro, andererseits soll die Entwicklungsgesellschaft EGP in den beiden Jahren 2022 und 2023 jeweils 500.000 Euro an die Stadt auszahlen, deutlich mehr als bisher. Sven Teuber (SPD) begründete den Vorstoß bei der EGP damit, die Gesellschaft arbeite erfolgreich, deshalb sei es auch selbstverständlich, dass die Gesellschafter – darunter die Stadt – am Erfolg partizipieren dürfen. Die Sparkasse gehöre den Bürgerinnen und Bürgern und erziele immer noch hohe Gewinne: „Eine Tochter, der es so brilliant geht, muss der Mutter beistehen.“
    Richard Leuckefeld (Grüne) warnte davor, das „Fell des Bären zu verteilen, ehe er erlegt ist“. Michael Frisch (AfD) warnte ebenfalls, man dürfe die Sparkasse nicht in eine Situation bringen, die die schwierige derzeitige Lage noch verschlechtere und Jörg Johann (Linke) wies darauf hin, dass das Geld ja erstmal erwirtschaftet werden müsse. Bei der Abstimmung zur Erhöhung der Ausschüttung der EGP gab es 13 Ja-Stimmen und eine Enthaltung der AfD. Der Erhöhung der Ausschüttung der Sparkasse stimmten acht Ratsmitglieder und der Stadtvorstand zu (SPD, CDU, FDP, UBT), die Grünen (drei Stimmen) waren dagegen, AfD und Linke enthielten sich.
  • Baumaßnahmen werden geschoben: Bei der Gebäudewirtschaft Trier gibt es eine Liste mit 141 Maßnahmen, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen. Bei einem großen Teil davon ist der Auftraggeber das Schul- und Sozialdezernat von Bürgermeisterin Elvira Garbes. Sie kündigte an, eine Reihe von Maßnahmen aus den beiden Haushaltsjahren 2022 und 2023 zu verschieben. Damit wird im Haushalt einerseits Geld gespart, andererseits ist es realistischer, dass die Planungen der verbleibenden Maßnahmen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Baudezernat auch umgesetzt werden können. Wichtig war Garbes: „Schieben heißt nicht, dass wir die Maßnahmen nicht machen. Sondern: Es sind Projekte, die noch nicht begonnen wurden, es ist noch keine Planung erfolgt, es drohen auch keine Fördermittel zu verfallen.“ Die Fraktionen lieferten Ergänzungsvorschläge, sprachen sich aber auch gegen einzelne Verschiebungen aus.
    Der Vorschlag der Dezernentin sah beispielsweise vor, Sanierungen von Toiletten im AVG, der Turnhalle der Barbara-Schule, im Gebäude H der BBS EHS und in der Moseltal Realschule plus in Ehrang zu verschieben. Das lehnte der Ausschuss aber ab. Auch der Vorschlag, Schulhofsanierungen beim AVG und den Grundschulen Euren und Heiligkreuz aufzuschieben, fand keine Mehrheit. Folgende Projekte werden nun in den nächsten beiden Haushaltsjahren nicht berücksichtigt, sondern verschoben: Ausonius-Schule, Sanierung Flachdach und Außenfassade mit Sonnenschutz: AVG, Dachsanierung, Fenster und Fassade Altbau; BBS EHS, Gebäude H: Sanierung von 350 Fenstern und Erneuerung des Flachdachs; HGT, Sonnenschutz Innenhof; Grundschule Irsch, Energetische Sanierung; Rathaus Verwaltungsgebäude IV, Denkmalgerechte Sanierung der Außenhülle; MPG, Dachsanierung Altbau, Fachklassensanierung, Klimaanlage 4. Obergeschoss; Frauenhaus: Generalsanierung soll extern realisiert werden; Grundschule Quint, Erweiterung und Barrierefreiheit sowie energetische Sanierung; Grundschule Trier-West, Neubau; Hauptfriedhof, Errichtung einer Lagerhalle; Skateranlage bei der Mäusheckerweghalle in Ehrang (Mittel halbiert, Rest soll im Rahmen von Sponsorenakquise eingeworben werden).
    Eingespart werden damit im Haushalt 2022 rund 800.000 Euro sowie im Haushalt 2023 rund 2,3 Millionen Euro.
  • Gemeinwesenarbeit für Mariahof und Kürenz: SPD, CDU, FDP und UBT forderten, die Gemeinwesenarbeit für Kürenz und für Mariahof für zwei Jahre sicherzustellen. Gemeinwesenarbeit ist Sozialarbeit direkt im Stadtteil, orientiert an den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner. Der Antrag wurde mit 13 Ja-Stimmen bei Enthaltung des Stadtvorstands angenommen.
  • Jugendsozialarbeit in Biewer und Pfalzel: Theresia Görgen beantragte für die Linke je eine halbe Stelle Jugendsozialarbeit für Pfalzel und Biewer. Die Jugendlichen seien in den Stadtteilen sehr auf sich alleine gestellt, argumentierte sie. Das sahen die anderen Fraktionen anders. Wenn es einen Bedarf gebe, müsse der im Kinder- und Jugendförderplan ausgewiesen werden. Bei der Abstimmung votierten lediglich die Linken für den Antrag, es gab zwölf Nein-Stimmen und eine Enthaltung aus der CDU.
  • Zusätzliche Kita-Stelle: Ebenfalls erfolglos blieb ein weiterer Antrag der Linken, eine Stelle im Kita- Bereich zu schaffen. Diese solle auf die Kitas Ambrosius und St. Peter aufgeteilt werden, forderte Theresia Görgen. Carsten Lang, zuständiger Jugendamtsleiter, warnte vor einer solchen zusätzlichen Stelle, denn die Stadt müsste sie komplett ohne Förderung finanzieren. Der Ausschuss lehnte den Antrag mit 13 Nein-Stimmen gegen die eine Ja- Stimme der Linken ab.
  • Neue Stelle „Diversity Management“: Ein weiterer Antrag der Linken sah die Schaffung einer Stelle für einen Diversity Manager vor. Wolf Buchmann von den Grünen hielt das zwar für wünschenswert, aber ohne Konzept könne man nicht einfach eine Stelle schaffen. So sahen das auch die anderen Ausschussmitglieder. Der Antrag wurde mit zwölf Nein-Stimmen bei einem Ja der Linken abgelehnt.
  • Kunstrasenplatz für Heiligkreuz: Der Sportausschuss hatte kürzlich nach einer Bewertung sämtlicher anstehender Sanierungsfälle von Sportanlagen in Trier entschieden, dass die höchste Priorität bei den Maßnahmen für die Umwandlung des Tennenplatzes auf der Bezirkssportanlage Heiligkreuz in einen Kunstrasenplatz bestehe. Haushaltsmittel waren für dieses Vorhaben aber noch nicht vorgesehen. SPD, FDP, UBT und CDU beantragten daher, im Haushalt 2023 50.000 Euro an Planungsmitteln einzustellen. Der Antrag wurde mit zwölf Ja-Stimmen bei Enthaltungen vom Stadtvorstand und eines grünen Ratsmitglieds beschlossen.
  • Breitere und barrierefreie Bürgersteige: Die Grünen schlugen vor, jährlich 100.000 Euro für die Verbesserung der Barrierefreiheit auf derzeit zu schmalen Bürgersteigen in der Stadt im Haushalt vorzusehen. Zur konkreten Umsetzung solle eine Prioritätenliste erstellt werden, bei der auch der Behindertenbeauftragte mitarbeiten solle, forderte Thorsten Kretzer (Grüne). Unterstützung fand der Antrag lediglich bei den Linken. Bei vier Ja-Stimmen (Grüne, Linke) wurde der Antrag mit zehn Neinstimmen abgelehnt.
  • Planungskosten Kreisel Fischweg: Christiane Probst brachte für die UBT den Antrag ein, Planungskosten von 50.000 Euro für einen Kreisel am Fischweg in Ruwer im Haushalt 2022 einzustellen. Die Straße sei durch Einpendler aus dem Ruwertal täglich stark belastet. Die Grünen (drei Stimmen) lehnten das Vorhaben ab, die anderen Fraktionen stimmten mit elf Stimmen zu.
  • Gutachten Verwaltungsorganisation: CDU, UBT, FDP und SPD beantragten, ein externes Gutachten erstellen zu lassen, um die Bereiche Hoch- und Tiefbau umzuorganisieren, eventuell auch in einer anderen Betriebsform. Dazu wollten sie 30.000 Euro in den Haushalt 2022 einstellen. OB Wolfram Leibe sagte, intern werde bereits über solche Schritte nachgedacht, eine externe Beratung könne dies gut ergänzen. Auch Baudezernent Andreas Ludwig sagte, er betrachte ein Gutachten als Hilfe. Nancy Rehländer (Grüne) äußerte Bedenken, dass wichtige Aufgaben des Amtes StadtRaum Trier ausgelagert würden und Kompetenzen in der Verwaltung verloren gehen könnten. Jörg Johann (Linke) begrüßte grundsätzlich die Idee, forderte aber, das Gutachten müsse ergebnisoffen sein. Der Antrag wurde mit zehn Ja-Stimmen beschlossen, bei drei Gegenstimmen (Grüne) und einer Enthaltung (AfD).

Unterm Strich reicht es noch nicht

Ergebnis – es reicht noch nicht: Nach den eineinhalbtägigen Beratungen rechneten die Haushaltsexperten aus dem Rathaus – und kamen mit vorläufigen Zahlen zu dem Ergebnis, dass die gewünschten Einsparziele mit den Beschlüssen des Ausschusses noch nicht erreicht wurden. Im Haushalt 2022 lag das Defizit nach den vorläufigen Berechnungen wieder knapp über 20 Millionen Euro, im Haushalt 2023 noch mehrere Millionen Euro entfernt vom gewünschten Defizit von zehn Millionen. Die Fraktionsspitzen berieten sich – und wünschten sich mehr Zeit zur Beratung, wie noch weitere Einsparungen gemacht werden könnten. Deshalb wurde die Sitzung einstimmig unterbrochen und die Beratungen auf die nächste Sitzung des Ausschusses am 29. November vertagt.

Michael Schmitz