Sprungmarken
22.03.2011

"Sie dürfen die Braut jetzt küssen..."

Genau 659 Ehen sind im letzten Jahr in Trier geschlossen worden. Das Standesamt im Palais Walderdorff am Domfreihof ist dabei nicht nur bei einheimischen Heiratswilligen beliebt, über 160 auswärtige Paare gaben sich im Turm Jerusalem das Ja-Wort. Die mittelalterlichen Mauern wurden dabei Zeuge vieler romantischer und kurioser Geschichten.

Gemeinhin gilt der Arbeitsalltag eines Beamten als durchaus überschaubar, geregelt, nicht besonders aufregend. Eine Einschätzung, die die fünf „trauenden“ Trierer Standesbeamten (zwei Frauen, drei Männer) nicht unbedingt teilen. „Langweilig wird es hier nie. Keine Hochzeit ist wie die andere, und manche bleiben einem noch lange im Gedächtnis!“ Amtsleiter Thomas Müller und seine Kolleginnen und Kollegen erinnern sich beispielsweise noch gerne an die Trauung eines Punkerpärchens, zu dem die Gäste ebenfalls überwiegend das entsprechende Outfit trugen. Eigenwillig war auch die Kleider-ordnung bei der Begründung einer Lebenspartnerschaft zwischen zwei Männern: Einige der männlichen Gäste erschienen in Damenkleidern.

„Wir sind immer bemüht, die Wünsche der Paare im Rahmen unserer Möglichkeiten zu berücksichtigen und die Hochzeit so stilvoll wie möglich zu gestalten. Extrawünsche wie: ,Statt einer Rede des Standesbeamten würde ich lieber mit meinem Mann einen Tanz aufführen’ wurden selbstredend erfüllt.“ Selbst der Wunsch, die Trauringe von einem Hund, statt wie üblich vom Trauzeugen oder einem Kind, überreichen zu lassen, wurde ermöglicht: Die Ringe waren auf dem Rücken des Tieres festgebunden.

Störungen inbegriffen

Eine gewisse innere Ruhe und Gelassenheit sei für die Tätigkeit eines Standesbeamten zwar nicht zwingend vorgeschrieben, helfe aber ungemein, so Müller augenzwinkernd. Denn Störungen der Zeremonie seien gar nicht selten und dürften einen nicht aus dem Konzept bringen. Der Klassiker sei immer noch das nervtötende Klingeln irgendeines Handys im entscheidenden Moment vor dem Jawort. Auch schon mehrfach vorgekommen: eine spontane, unabgesprochene Namensänderung dem neuen Partner zuliebe mit der Konsequenz, dass alle vorbereiteten Dokumente neu ausgestellt werden mussten. Eher ungewöhnlich war die Unterbrechung einer Trauung wegen unkontrollierbarer Lachanfälle des Brautpaars und einiger Gäste. Die bisher offenbar unbekannten weiteren Vornamen des Trauzeugen sorgten beim offiziellen Verlesen der Urkunde für die ungeplante Pause.

Weniger komisch war die Störung der Zeremonie durch die Mutter der Braut, die vor einigen Jahren gegen Ende der Trauung lautstark die Eheschließung verhindern wollte, weil sie mit der Wahl des Bräutigams nicht einverstanden war. Erst nach lautstarken gegenseitigen Schimpftiraden und einem vom Standesbeamten letztlich ausgesprochenen Hausverbot konnte die Trauung vollzogen werden.

Aus den letzten Jahren noch etwas Statistik: Etwa 70 Prozent der Partner sind bei der Hochzeit ledig, bei 30 Prozent sind ein oder beide Partner geschieden oder verwitwet. Der Prozentsatz der Ehepaare mit Kindern vor der Ehe liegt in Trier bei etwa zehn bis 15 Prozent, eine erneute Heirat mit dem gleichen Partner kommt ein- bis zweimal im Jahr vor, die größte Altersdifferenz zwischen den Partnern betrug 45 Jahre, der älteste Bräutigam war 98 Jahre. 2010 wurden in Trier 18 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften begründet, davon sechs mit weiblichen und zwölf mit männlichen Partnern.

Traditionell Name des Mannes

In den letzten Jahren wählten 82 Prozent aller Paare einen gemeinsamen Nachnamen. Die meisten entschieden sich dabei für den Namen des Mannes, nur sieben Prozent wählten den Namen der Frau zum gemeinsamen Ehenamen. Umgerechnet auf alle Eheschließungen wählten rund neun Prozent der Paare einen Doppelnamen.

Die beliebteste Zeit zum Heiraten ist in Trier übrigens nicht der Wonnemonat Mai, sondern Juli, August und Dezember. Wobei die Anmeldungen für die Sommertrauungen eher sehr frühzeitig (bis zu einem halben Jahr vorher), die für den Dezember oftmals sehr kurzfristig erfolgen. So gibt es immer wieder Anfragen am 28. oder 29. Dezember, ob noch ein Termin am 30. frei sei. „Man könnte fast vermuten, dass hier weniger romantische als steuerliche Gründe die Triebfeder zur Eheschließung sind“, so Müller.

Unromantisch mutet zumindest auch das Ambiente bei Trauungen hinter Gittern an. Ein paar Mal im Jahr werden Ehen in der Justizvollzugsanstalt in der Gottbillstraße geschlossen. In diesen Fällen sind Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl natürlich besonders gefragt. Wie gesagt: Langweilig wird es den Trierer Standesbeamten nicht.