Sprungmarken
16.07.2013

Seltene Zeugnisse eines kulturellen Aufbruchs

Nachlass von Designer Hans Proppe im Stadtmuseum

Inneneinrichtung im „Haus am Berg in der Sonne“ in Euren. Foto: Nachlass Hans Proppe, Stadtmuseum Simeonstift
Ganz und gar nicht großbürgerlich-opulent war die Inneneinrichtung im „Haus am Berg in der Sonne“ in Euren. Dort experimentierte Hans Proppe (Porträt unten) mit selbst entworfenen Möbelmodulen wie dem Dreieckstisch. Foto: Nachlass Hans Proppe, Stadtmuseum Simeonstift
Hans Proppe war von 1921 bis 1931 Professor an der Trierer Kunstgewerbeschule. Neben seiner Lehrtätigkeit für Zeichnen und Möbelgestaltung führte er privat ein bemerkenswertes Künstlerleben. Als „Lebensreformer“ setzte er sich für einen naturnahen Lebensstil ein. Nun hat das Stadtmuseum seinen Nachlass mit Fotos, Zeichnungen, Postkarten und Briefen erhalten.

Der 1875 geborene Hans Proppe hatte seinen Lebensmittelpunkt in Euren. Hier kaufte er ein großflächiges Areal am Ende des Dorfes, um 1909 das damals modernste Wohnhaus Deutschlands zu errichten. Dem Gebäude lag eine dem berühmten Architekten Heinrich Tessenow zugeschriebene Entwurfszeichnung zugrunde.

Theaterstücke im Privathaus

Das freistehende Haus war jedoch nicht nur Wohnort für Hans Proppe und seine Familie. Auch die Trierer Künstler Fritz Quant, Mia Lederer und Kat Becker lebten zeitweise dort. Das Haus und seine Nebengebäude standen weiteren Künstlern von nah und fern immer offen. Hier wurden Theaterstücke aufgeführt, Sport getrieben und Gemeinschaftsveranstaltungen abgehalten.

Experimente im Möbeldesign

Hans Proppe probierte – ganz dem Zeitgeist verpflichtet – immer wieder Neues aus. Zeitweise lebte er als Lebensreformer, war mal Selbstversorger mit Obst- und Nussbäumen und hielt Tiere auf seinem „Berg in der Sonne“. Phasenweise lebte er als Nudist, versuchte eine Künstlerkolonie aufzubauen und experimentierte mit der modular aufgebauten Einrichtung seines Hauses.

Als Designer entwarf er in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts so schlichte Möbel, wie sie später zu Klassikern eines bekannten schwedischen Möbelhauses wurden. Aus einfachen Dreieckstischen gestaltete er kleine Beistellmöglichkeiten, einen großen Tisch oder eine dekorative Skulptur.

Ausstellung im Herbst

„Hans Proppe war einer der interessantesten Professoren und Künstler an der Trierer Kunstgewerbeschule. Wir sind sehr froh, den Nachlass erhalten zu haben. Die vielen Fotografien, Zeichnungen, Postkarten und Briefe ermöglichen einen tiefergehenden Blick auf Proppe, der zudem unser Bild des Kulturlebens zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Trier um viele Facetten erweitert“, betont Museumsdirektorin Dr. Elisabeth Dühr. In der für Herbst geplanten Ausstellung „Gesammelt und gesichtet. Ausgewählte Neuzugänge im Museum" werden im Simeonstift Teile des Nachlasses mit Proppes Möbeln erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

Studium in Berlin und Köln

Hans Proppe wurde 1871 in Köln geboren und besuchte die dortige Baugewerkschule. 1902 bis 1904 studierte er in Berlin an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Raumkunst und Innenarchitektur. Im Umfeld des Friedrichshagener Kreises lernte er nicht nur gemeinschaftliche Wohn- und Lebensformen, sondern auch seine spätere Frau Elise kennen.

Nach der Festanstellung an der Trierer Kunstgewerbeschule machte er sich auf die Suche nach einem Ort, um seinen Lebenstraum zu verwirklichen. Er baute ab 1909 in Euren seine „Lebensschule“ und lebte dort bis zu seinem Tod 1951. Tasso,  mittlerer seiner drei Söhne, wanderte mit seiner Familie in die USA aus, wo ein großer Teil des Nachlasses aufbewahrt wurde.

Ein Enkel lebt als heute 70-jähriger Fotograf in Kalifornien. Er las in dem Online-Magazin www.16vor.de über den Besuch der Tessenow-Gesellschaft in Trier, die im Mai das Haus in Euren besichtigte. Über eine Zeitung entstand der Kontakt zum Simeonstift.  Enkel Hans Proppe und Museumschefin Dr. Elisabeth Dühr sind sehr froh, dass der Nachlass einen geeigneten Ort für die Zukunft gefunden hat und einige Highlights öffentlich präsentiert werden können.  bl