Sprungmarken
24.01.2012

Selbst Kinder wurden als Arbeitssklaven ausgebeutet

Kurator Jakub Deka (rechts) erläutert einem Besucher Fotos zum Einsatz von Zwangsarbeitern.
Kurator Jakub Deka (rechts) erläutert einem Besucher Fotos zum Einsatz von Zwangsarbeitern.
Als wichtigen Baustein einer umfassenden Erinnerungskultur in Trier würdigte OB Klaus Jensen die Ausstellung zum Schicksal von mehr als 2,8 Millionen polnischer Zwangsarbeiter in der NS-Zeit. Bei der Eröffnung im Palais Walderdorff forderte er gleichzeitig, den Blick auf die Gegenwart zu schärfen. Die jüngste Mordserie der Zwickauer Zelle, aber auch der Einzug eines NPD-Vertreters in den Stadtrat „haben gezeigt, wie groß die Gefahr durch Rechtsextreme immer noch ist“, so der OB.

Für bewegte Reaktionen im vollbesetzten Saal sorgte Bartosz Jalowiecki, polnischer Botschafter in Luxemburg und früherer Leiter der Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung, die die Schau „Erinnerung bewahren“ konzipiert hat. Nach teilweise schwierigen Verhandlungen der Stiftung mit Deutschland über die Zwangsarbeiter-Entschädigungen Ende der 90er Jahre habe er damit gerechnet, dass das Thema wieder in Vergessenheit gerät. „Aber ich habe mich geirrt. Das ist ein sehr gutes Gefühl. Auch diese Ausstellung zeigt, wie sehr Deutschland sich geändert hat. Die Polen wissen das sehr zu schätzen und wollen mit diesem Deutschland die Zukunft Europas gestalten“, betonte der Botschafter in seinem Grußwort.

Jensen erinnerte an die wegweisende Rede des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985. Zu Zeiten des Kalten Krieges sei es nicht selbstverständlich gewesen, auch an die Zwangsarbeiter aus Osteuropa zu erinnern. Jensen sprach mit Blick auf die Zwangsarbeit von einem „Gebirge menschlichen Leids aus Flucht, Vertreibung, Unrecht, Folter und Not.“ Vor der Eröffnung der Ausstellung hatte Jensen den polnischen Botschafter im Rathaus zu einem Gespräch begrüßt. Dabei trug sich Bartosz Jalowiecki in das Gästebuch der Stadt Trier ein.

Zwangsadoptionen

Die 2007 erstmals präsentierte Ausstellung „Erinnerung bewahren“ liefert nach einer Einführung zum deutschen Überfall auf Polen im Herbst 1939 und in Grundstrukturen der NS-Gewaltherrschaft erschütternde Zeugnisse des Zwangsarbeitersys-tems. Auch viele Frauen waren der Sklavenarbeit unterworfen. Ab 1942 machte das NS-Regime auch vor Kindern ab zehn Jahren nicht mehr Halt.

Zwangsarbeit war ein Kernelement der Versklavung der gesamten polnischen Bevölkerung, die als „rassisch minderwertig“ angesehen wurde. Die Menschen wurden bei der Arbeit oder auf dem Marktplatz verschleppt. Besonders erschütternd sind die Schicksale von Kindern der Zwangsarbeiter. Neugeborene wurden nach rassischen Kriterien selektiert. Manche wurden zur Adoption nach Deutschland freigegeben und konnten als Erwachsene oft nur schwer ihre Wurzeln wiederentdecken. Andere Kinder landeten in NS-„Pflegestätten“. Bis zu 90 Prozent starben dort durch Unterernährung und mangelnde Hygiene.

Unter dem Stichwort „Helden“ würdigt die Ausstellung den Mut und die Opferbereitschaft von Menschen, die sich dem NS-Terror entgegenstellten. Ein Beispiel ist der Arzt Janusz Korczak, der in Warschau ein Heim für jüdische Waisen einrichtete und sie bis in den Tod im KZ begleitete.

Zum Abschluss skizziert die Ausstellung den Weg der deutsch-polnischen Aussöhnung. In Trier ist sie ein Kernelement des Programms zum bundesweiten Gedenktag für die Opfer des NS-Regimes am 27. Januar. Rudolf Hahn, Leiter des gastgebenden Bildungs- und Medienzentrums, stellte bei der Ausstellungseröffnung die mit der Evangelische Studierenden- und der Katholische Hochschulgemeinde sowie der AG Frieden konzipierte Reihe vor. Am 25. Januar, 19 Uhr im Palais Walderdorff, rücken Lebens- und Leidenswege polnischer Zwangsarbeiter im heutigen Rheinland-Pfalz in den Fokus. Dabei werden unter anderem Recherchen des Stadtarchivs von dessen Leiter Dr. Reiner Nolden präsentiert.

In der Ausstellung wird unter anderem das Schicksal von Norbert Widok vorgestellt. Er war in dem Lager „Eiserne Hand“ in der Nähe von Koblenz interniert und beim Bau der A 48 eingesetzt. In dem Konzentrationslager Groß-Rosen wurde er später Opfer medizinischer Versuche von Josef Mengele, kam nach Theresienstadt und wurde schließlich in Prag von der Roten Armee befreit.

Die Schau ist bis 4. Februar im Atrium des Palais Walderdorff zu sehen und dann vom 6. bis 11. Februar im A/B-Gebäude der Universität.
 
Verweisliste