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22.04.2008

Schritt für Schritt weg von der Straße

Das Benedikt-Labre-Haus der Caritas ist eine Anlaufstelle für wohnungslose Menschen

In der Teestube treffen sich Harald, Hans und Joachim (v.l.n.r.) zum Karten spielen. Sie haben den Absprung bereits geschafft und sind weg von der Straße.
In der Teestube treffen sich Harald, Hans und Joachim (v.l.n.r.) zum Karten spielen. Sie haben den Absprung bereits geschafft und sind weg von der Straße.

Sie haben kein Zuhause, keine Wohnung, keinen Rückhalt. Ihre Perspektiven: der Alkohol, die Einsamkeit und das harte Leben auf der Straße. Viele von ihnen finden den Weg zurück in einen geregelten Alltag nicht, einige wollen ihn auch gar nicht gehen. Für diejenigen, die Hilfe suchen, gibt es das Benedikt-Labre-Haus der Caritas in der Luxemburger Straße, eine von mehreren Anlaufstellen für Wohnungslose in Trier.

Im ehemaligen Bahnhof Trier-West befinden sich seit der Eröffnung im April 1993 neben der offenen Begegnungsstätte „Teestube“ auch das Übernachtungsheim mit 23 Betten sowie der Orientierungsbereich, der acht Personen eine vollstationäre Wohnmöglichkeit zur Wiedereingliederung bietet. Finanziert wird das Haus von der Caritas, dem Rathaus und dem Land.  

Schritt für Schritt arbeiten die Sozialarbeiter, anders geht es nicht. „Es kann schon ein Erfolg sein, wenn jemand regelmäßig zum Duschen vorbei kommt oder ab und zu bei uns übernachtet, anstatt auf der Straße zu schlafen“, sagt Heimleiter Werner Schultze. Allerdings gibt es auch Einzelne, die den Absprung geschafft haben und inzwischen wieder ein einigermaßen geregeltes Leben führen. Einer von ihnen ist Hans, der heute noch oft zum Karten spielen in die Teestube kommt. „Mir haben die Leute von der Caritas damals das Leben gerettet“, erzählt er. Sie haben ihm geholfen, von der Flasche loszukommen. 16 Jahre ist er jetzt trocken und lebt nun wieder in einer eigenen Wohnung. Trotzdem ist er gern in der Teestube, um Bekannte zu treffen.

Der 46jährige Udo dagegen geht anderen lieber aus dem Weg. In der Teestube sitzt er allein an einem Tisch und trinkt seinen Kaffee, Alkohol ist im Benedikt-Labre-Haus streng verboten. Bei schlechtem Wetter kommt er öfters her. Im Übernachtungsheim schlafen möchte er jedoch nicht. Seit fünf Jahren lebt er auf der Straße. „Ich habe keine Lust, etwas daran zu ändern“, sagt er. „Die Wohnungslosigkeit ist ja meist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Schultze. Dahinter stehen zusätzliche Probleme wie Arbeitslosigkeit, familiäre Konflikte, Alkoholabhängigkeit oder Drogensucht. Große Sorgen macht dem Heimleiter eine Tendenz, die er seit mehreren Jahren beobachtet: „Unsere Klienten werden immer jünger. Oft kommen schon Anfang Zwanzigjährige zu uns, die nach dem Ende der Jugendhilfemaßnahmen auf der Straße landen.“

Die Teestube ist eine offene Begegnungsstätte für Frauen und Männer. Hier gibt es Hilfe bei Behörden-Angelegenheiten sowie eine Postanschrift für die Wohnungslosen. Außerdem erhalten sie eine hygienische und medizinische Grundversorgung, bekommen Kleidung, Seife und die Möglichkeit, ihre Sachen zu waschen.

Beim Orientierungsbereich handelt es sich um eine Wiedereingliederungshilfe für Männer, die den Absprung schaffen wollen. Hier leben sie in einer Wohngemeinschaft und versorgen sich selbst. Viele von ihnen arbeiten in der Caritas-Werkstatt St. Martin und bekommen so wieder mehr Struktur in Leben und Alltag. „Wir achten darauf, dass die Gruppe zusammenpasst“, sagt Schultze. 

Im Übernachtungsheim kann dagegen jeder Wohnungslose unterkommen, daher gibt es häufig Konflikte. Massive Alkoholabhängigkeit, psychische Erkrankungen und Aggressivität machen die Abende schwierig. Eskalationen sind zwar nicht an der Tagesordnung, trotzdem holen die Mitarbeiter öfters die Polizei zur Hilfe. „Wir müssen einfach die Menschen schützen, die sich hier anständig verhalten“, sagt Heimleiter Schultze.

Die Mitarbeiter brauchen starke Nerven: Nicht selten kommt es zu Drohungen, auch Handgreiflichkeiten gab es bereits. Eine belastende Arbeit. „Viel Dank bekommt man nicht“, berichtet Schultze. „Trotzdem ist es schön, kleine Erfolge zu erreichen und zu sehen, dass einige wieder ganz auf die Füße kommen.“ 

Verena Thimme