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22.03.2016

Römische Werft auf dem Campus

Uni baut antiken Frachter mit Holz aus dem Stadtwald

Modell des Frachseglers im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz. Foto: RGZM Mainz
Dieses Modell im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz ist eine stark verkleinerte Rekonstruktion des in der Bucht von Laurons entdeckten antiken Frachtsegelschiffs. Historiker der Universität Trier wollen das Original-Gefährt im Maßstab eins zu eins fahrtüchtig nachbauen. Foto: RGZM Mainz

Zwischen einem Antrag zum Divestment und der Nachwahl von Ausschussmitgliedern versteckte sich in der Tagesordnung der letzten Stadtratssitzung der Punkt „Eigentumsübertragung von Holz an die Universität Trier zwecks Bau eines römischen Handelsschiffes“. Hinter der skurril anmutenden Formulierung steckt ein aufwendiges archäologisches Experiment im Fach Alte Geschichte.

Professor Christoph Schäfer will mit seinen Mitarbeitern und Studierenden möglichst originalgetreu einen Frachtsegler nachbauen, der in der Mitte des dritten Jahrhunderts vor der französischen Mittelmeerküste verkehrte. „Unser Ziel ist es, anhand von Testfahrten die Leistungsfähigkeit dieses Schiffstyps zu ermitteln, zum Beispiel ob es auch hochseetauglich war oder nur an den Küsten entlangfuhr. Daraus wiederum können Rückschlüsse über die Kapazität römischer Handelsrouten gezogen werden“, informiert Schäfer. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt das Projekt mit 300.000 Euro.

Befund zu Mast und Luke

Vorbild für das Trierer Schiff ist ein circa 17 Meter langes Wrack, das 1979/80 in der Bucht von Laurons  nahe des Rhonedeltas entdeckt und freigelegt wurde. „Dieses Schiff bietet einen fantastischen archäologischen Befund, da Teile des Mitteldecks und die Luke des Laderaums mit Lukendeckel erhalten waren, was sehr selten vorkommt“, erklärt Schäfer. Auch der Standort des Segelmasts ist bekannt, allerdings nicht dessen Höhe und die Bauweise der Takelage.

Bis das Schiff zu seiner ersten Probefahrt im Oberwasser der Trierer Moselschleuse aufbricht, werden aber noch mindestens zwei Jahre vergehen. In einem allerersten Schritt wurden jetzt im städtischen Forstrevier Ehrang ein Dutzend Eichen, Kiefern und Weißtannen gefällt, deren Stämme der Uni überlassen und für den Schiffsbau verwendet werden sollen. Nächste Aufgabe ist der Zuschnitt des Holzes, bevor es für längere Zeit eingelagert und getrocknet wird.

Erfahrener Bootsbaumeister

Die Zwischenzeit wollen Schäfer und sein Team für vertiefte wissenschaftliche Recherchen nutzen, um bestimmte Details der Bauweise möglichst genau zu rekonstruieren. Dabei ziehen die Historiker Quellen zur Geschichte des Seehandels in dieser Region heran und vergleichen den Befund von Laurons mit den Beschreibungen anderer Schiffswracks aus der mittleren römischen Kaiserzeit.

Schäfer hat bereits Erfahrung in der Rekonstruktion antiker Schiffe, zuletzt entstand unter seiner Ägide das Flusskriegsschiff „Lusoria Rhenana“. Der seegängige Frachter ist aber in puncto Bauvolumen und Komplexität sein bisher größtes Projekt. Neu ist auch, dass der Bauplatz auf dem Campus der Uni Trier eingerichtet wird, was vielen Studierenden die Möglichkeit bieten wird, sich mit Arbeitseinsätzen an dem Experiment zu beteiligen. Außerdem strebt Schäfer eine Kooperation mit den Berufsbildenden Schulen Trier und Wittlich an. Als Bootsbaumeister ist Matthias Helterhoff aus Usedom an Bord, der bereits an früheren Projekten beteiligt war und dabei eine spezielle Kompetenz im antiken Schiffsbau erworben hat. Bei den Feinarbeiten kommen Werkzeuge zum Einsatz, die schon in den Werften der Antike gebräuchlich waren.

Der Stadtrat stimmte der Holzspende an das Uniprojekt im Wert von gut 11.000 Euro übrigens einmütig zu. „Wir sind sehr froh und dankbar über diese Unterstützung der Stadt, das hilft uns enorm weiter“, unterstreicht Schäfer. Gut möglich, dass sich neben dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn ein weiterer Mehrwert durch die spätere Nutzung des Seglers als Touristenattraktion ergibt. kig

 
Bildergalerie
  • Modell des Frachseglers im Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz. Foto: RGZM Mainz
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