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27.06.2006

Regenschauer auf Naxos

Zweite Premiere bei Antikenfestspielen

Brighella (Eric Rieger), Scaramuccio (Peter Koppelmann), Harlekin (Andreas Scheel), Truffaldin (Nico Wouterse) und Zerbinetta (Carmen Fuggiss) versuchen, Ariadne (Vera Wenkert, Mitte) aufzuheitern.
Brighella (Eric Rieger), Scaramuccio (Peter Koppelmann), Harlekin (Andreas Scheel), Truffaldin (Nico Wouterse) und Zerbinetta (Carmen Fuggiss) versuchen, Ariadne (Vera Wenkert, Mitte) aufzuheitern.
Nicht nur bei der Fußballweltmeisterschaft, auch bei den Antikenfestspielen gibt es – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – Zitterpartien. Ausgerechnet in dem Moment, als der sehnsüchtig erwartete Gott Bacchus im oberen Torbogen der Kaiserthermen erscheint, um Ariadne von ihren Liebesqualen zu erlösen, fallen leise

erste Regentropfen. Open Air-erfahrene Festspielbesucher kramen deutlich vernehmbar ihre Regencapes hervor. Als erste versuchen die der Witterung schutzlos ausgesetzten Geiger ihre Holzinstrumente unter der Anzugsjacke zu schützen. Dann bricht Generalmusikdirektor Dénes das Weiterspiel mit einer eindeutigen Handbewegung ab.

Festspielintendant Weber, der zu Beginn unter Beifall nicht nur den Sponsoren, sondern auch für die Möglichkeit dankte, nach den heftigen Gewittern vier Stunden vor der Premiere überhaupt im Freien spielen zu können, kündigt eine Unterbrechung an, um dann die klangvolle Schlussapotheose der ansonsten eher kammermusikalisch gehaltenen Strauss-Oper doch noch über die Bühne zu bringen.

Es ist 23.35 Uhr. Viele der den Heimweg bevorzugenden Besucher können nicht ahnen, dass es schon bald weitergeht. Kurz nach Mitternacht ist es Bacchus (Gor Arsenian) durch einen furiosen, von einem Kuss gekrönten Schlussgesang gelungen, der von ihrem Gatten verlassenen Ariadne (Vera Wenkert) neue Lebensfreude einzuflössen und sie von der öden Insel auf sein Schiff zu (ent-)führen.

Bis zu diesem Moment war es ein weiter Weg, der auch vielen Besuchern neu gewesen sein dürfte. Wer erinnert sich schon an die glanzvolle Ariadne-Aufführung 1964 im neuen Trierer Stadttheater, mit der der berühmte Intendant, Dirigent und Regisseur Heinz Tietjen an seiner früheren Wirkungsstätte seine große Karriere beendete?

Nicht nur den Zuhörern, vor allem den Protagonisten verlangt Strauss’ „Ariadne auf Naxos“ einiges ab. Die Koloraturpartie der Zerbinetta (Carmen Fuggiss) und die Helden-Rolle des Bacchus gehören mit zum Schwersten der Opernliteratur. Die vielschichtige Handlung entwickelt sich vom turbulenten Vorspiel im Hause des reichsten Mannes von Wien (mit Weltstar René Kollo im Karl Lagerfeld-Outfit in der Sprechrolle des Haushofmeisters) über das Treiben auf der Insel Naxos, in der laut Libretto die klassischen Figuren der Commedia dell’ arte mit denen der mythologischen Ariadne-Geschichte verknüpft sind, bis hin zur Schlussapotheose, in der auch das Orchester endlich jene enorme Steigerung und ekstatische Begeisterung entfaltet, wie man sie von den symphonischen Werken Richard Strauss’ kennt.

Doch da ist es schon nach Mitternacht. Die Amsel, die sich zu Beginn des Abends unverdrossen mit ihren Melodien wenig um Rezitative und Arien der Komposition kümmerte - und auch im Programm unerwähnt blieb –, hat sich längst verzogen. Die späte Stunde der Antikenfestspiele ist ihre Sache nicht.