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09.11.2010

Reality-Show aus dem Tierreich

Zu einem Besuch des Wildgeheges im Weisshauswald gehört für viele das Füttern der Tiere dazu.
Zu einem Besuch des Wildgeheges im Weisshauswald gehört für viele das Füttern der Tiere dazu.
Hirsche, Ziegen, Wildschweine und Co. in freier Natur erleben, ihre Eigenheiten und Lebensweisen kennen lernen, ihren Umgang mit dem Nachwuchs beobachten – und das alles gemütlich von einer Bank aus. Das ist im Wildgehege im Trierer Weisshauswald möglich und steht bei Besuchern nach wie vor hoch im Kurs.

Angefangen hat alles um 1969 mit der Kabinenbahn. Damit konnten Passagiere seit 1967 den Höhenunterschied von rund 50 Metern zwischen Zurlaubener Ufer und Weisshauswald frei schwebend über der Mosel zurücklegen. Um ihnen inmitten von Bäumen und Sträuchern neben den Wanderwegen eine zusätzliche Attraktion zu bieten, entstand dort das städtische Wildgehege. Das bietet bis heute Rothirschen, Woll- und Wildschweinen, Mufflons und Ziegen eine naturnahe Heimat. Den Weg zum Weisshauswald müssen die zahlreichen Besucher nun allerdings per Auto, Bus oder per pedes zurücklegen, da die Kabinenbahn seit 2001 nicht mehr in Betrieb ist.

Tiere live erleben

An Anziehungskraft hat das Gehege aber deshalb keineswegs verloren: Es ist so gut besucht wie nie, seine Bedeutung für die Stadt hat sich noch erhöht. „Ich halte das Wildgehege heute für wichtiger als je zuvor“, ist Försterin Kerstin Schmitt überzeugt, die die Tiere mit ihren Mitarbeitern versorgt. Viele Menschen hätten den Bezug zur Natur und den natürlichen Lebensgrundlagen verloren. „Man kann nur achten und respektieren, was man kennt.“ Dabei hilft das Wildgehege. Denn dort können die Besucher heimische Wildtiere ebenso live erleben wie alte Haustierrassen. Zu denen zählen etwa Wollschweine oder die „Kuh des kleinen Mannes“, die Ziege.

Wer beim Besuch des Wildgeheges etwas Zeit und Geduld mitbringt, erhält auch einen interessanten Einblick in das Zusammenleben der Tiere, ihr Sozialverhalten. Zum Beispiel bei den Wild- und Wollschweinen, die familientreu sind. „Die Familie wirkt wie ein Bollwerk nach außen“, weiß Försterin Schmitt. Das wird zum Beispiel dann deutlich, wenn sich ein unbekannter Artgenosse nähert. „Wenn ein Schwein von außen kommt, ist die Familie nicht mehr so nett. Ein Fremder wird schon mal weggemobbt“, erklärt Schmitt.
 
Ähnlich ruppig sind die Umgangsformen bei den Schweinen, wenn ein Familienmitglied erkrankt ist: Die Liebe endet dort, wo es für den Artgenossen keine Heilung mehr gibt. Dann wird er von seiner einstigen Familie ausgegrenzt. Bei den Rothirschen sind dagegen alle Artgenossen auf das Leittier ausgerichtet. Welches das ist, lässt sich durch Beobachten schnell herausfinden. Aber auch nur, wenn die Tiere das so wollen. Denn es kann genauso sein, dass der Besucher an eines der sechs großen Gehege kommt und von Hirsch, Mufflon oder Wildschwein weit und breit nichts zu sehen ist. „Das Tier steht nicht auf Knopfdruck am Zaun, es muss nicht 24 Stunden am Tag verfügbar sein. Es hat hier auch genügend Rückzugsmöglichkeiten“, erklärt Schmitt.
 
Wichtige Sozialfunktion

Diese „Pausen“ der Tiere können Besucher beispielsweise auf den drei Walkingstrecken überbrücken, die am Gehege beginnen, oder sie genießen auf einer der vielen Bänke rings um das rund acht Hektar große Wildgehege die Natur. Denn das ist nicht nur eine Heimat für rund 150 Tiere, sondern es erfüllt auch eine wichtige Sozialfunktion für die Bürger. „Das Gehege ist 24 Stunden am Tag geöffnet, es lädt dazu ein, seine Freizeit hier kostenfrei zu verbringen.“

Beliebt ist bei Kindern nicht nur der Spielplatz mit römischem Kastell und Klettergerüst. Auch das Füttern der Tiere steht auf der Hitliste ganz oben. Doch damit tun die Besucher den Vierbeinern nicht immer was Gutes. „Wir haben immer wieder Probleme, weil die Besucher aus falsch verstandener Tierliebe füttern“, betont Schmitt. Von Zitronenschalen über Kaffeeteilchen bis zum verschimmeltem Brot reichen die Nahrungsmittel, mit denen Besucher den Vierbeinern etwas Gutes tun wollen – und ihnen damit nur schaden. „Mit drei Brötchen kann man ein Mufflon umbringen“, bringt Schmitt das Problem auf den Punkt. Mitbringsel gehören deshalb in die Spendenbox, damit die Forstmitarbeiter entscheiden können, was den Tieren wirklich gut tut. Daher sollten Besucher auf das Futter zurückgreifen, das sie an den Automaten kaufen können. Denn so profitieren beide von dem Snack: Die Vierbeiner bleiben gesund – und erfreuen so die Besucher auch bei ihrem nächsten Besuch im Wildgehege.