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15.12.2009

Quiz zwischen Codex und Kochbuch

Medienwerke, die im ehemaligen Regierungsbezirk Trier entstanden sind, wandern vor der Einlagerung zunächst durch ihre Hände: Valentina Caspari zeigt ihrem Chef Professor Michael Embach eines dieser Pflichtexemplare.
Medienwerke, die im ehemaligen Regierungsbezirk Trier entstanden sind, wandern vor der Einlagerung zunächst durch ihre Hände: Valentina Caspari zeigt ihrem Chef Professor Michael Embach eines dieser Pflichtexemplare.
Die Spuren unserer Vergangenheit, niedergeschrieben auf Pergament und Büttenpapier, teilweise kunstvoll illustriert, handschriftlich oder mit Gutenbergs Drucktechnik für die Nachwelt fixiert, lassen sich in der Stadtbibliothek an der Weberbach entdecken. Viele von ihnen sind so kostbar, dass sie im Tresorraum oder in der Schatzkammer liegen, hinter gesicherten Türen. Wie der Codex Egberti, der zum Weltkulturerbe zählt, und das Ada-Evangeliar, das in der Hofschule Karls des Großen um 800 entstanden ist und als die bedeutendste Handschrift der karolingischen Zeit gilt.

Doch mächtige Stahltüren allein reichen nicht aus, um die niedergeschriebene Geschichte für die nachfolgenden Generationen zu bewahren. Auch eine Temperatur zwischen 18 und 21 Grad sowie 40 bis 60 Prozent relative Luftfeuchte sind nötig, um die wertvollen Handschriften, Drucke und Bücher zu schützen. Über die Einhaltung dieser Grundwerte wacht ein Kontrollsystem. Für den Ernstfall muss die Stadtbibliothek ebenso gerüstet sein: „Wenn es brennt, wird ein feiner Wassernebel freigesetzt, damit die Bücher vor Feuer und Wasserschäden geschützt werden“, erklärt Professor Michael Embach, Leiter der Stadtbibliothek. Auch solche neueren Datums, die die Bestände des Magazins nach und nach ergänzen und bereichern.

Sammeln als Aufgabe

Denn die Stadtbibliothek dient nicht nur als Forschungsbibliothek der Pflege und Erschließung wertvoller Altbestände, für die sie deutschlandweit bekannt ist. Sie hat auch den Auftrag, alles zu sammeln, zu archivieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, was an Literatur in und über diese Region erscheint. Deshalb ist jeder Verleger, jede Institution und Privatperson, die im ehemaligen Regierungsbezirk Trier ein Medienwerk veröffentlicht, dazu verpflichtet, der Stadtbibliothek unentgeltlich ein Pflichtexemplar abzugeben.

Damit keine Veröffentlichung vergessen wird, sucht Bibliothekarin Valentina Caspari den Kontakt zu den Verfassern. Egal, ob sich Autoren mit der Geschichte Triers befassen, ein Kinderbuch schreiben, ihrer Liebe zu Tieren in schriftlicher Form Ausdruck verleihen, ein Verein eine Festschrift verfasst, eine ambitionierte Köchin ihre Rezepte weitergibt oder eine Band eine CD aufnimmt – alles wird in der Stadtbibliothek aufbewahrt. „Im Haushalt wird ein Kochbuch vielleicht zehn Jahre gebraucht und anschließend durch ein neues ersetzt. In unseren Beständen bleibt es erhalten. Und wer weiß: Vielleicht ist das Kochbuch oder die Festschrift eines Vereins nach 50 oder 100 Jahren eine wichtige Quelle, die Aufschluss über das Leben in unserer heutigen Zeit gibt“, sagt Caspari.

Echte Allrounder

Wenn auch diese Werke, die man oft nicht in der Bibliothek vermutet, ihren so genannten Geschäftsgang hinter sich haben, also bestellt, inventarisiert, katalogisiert und einsortiert sind, bestimmt der Benutzer über das weitere Schicksal des Buches. Wenn es in den ersten vier Jahren nach seiner Ankunft im Freihandbestand im Magazinsaal steht, kann ungehindert geschmökert werden. Hier reihen sich alle Neuerscheinungen, nach Jahren sortiert, nebeneinander. Früher erschienene Bücher suchen die Bibliothekare aus den Magazinen. Vom „verstaubten“ Image, das diesem Berufsbild oft anhaftet, ist in Triers Stadtbibliothek nichts zu merken – Bibliothekare sind echte Allrounder. Denn sie müssen für ihren Job nicht nur mit den Büchern, sondern auch der Ausleihe vertraut sein. Gerade an der Auskunft erleben die Mitarbeiter so manche Überraschung: „Anfangs kam ich mir vor wie in einer Quizshow. Man braucht hier auf jeden Fall ein gutes Allgemeinwissen. Wenn ein Kunde etwas sucht, sollte man wissen, ob sich hinter dem Stichwort ein Maler, Politiker, Schriftsteller oder eine Krankheit verbirgt, damit man an der richtigen Stelle sucht“, schildert Anne Boeck ihre Erfahrungen. Den Trierer Bibliothekaren wird es in ihrem Job nie langweilig. Denn so vielfältig wie die Schätze in der Stadtbibliothek ist auch die Arbeit inmitten dieser Kulturgüter.