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28.01.2020

Prostitution bleibt ein Dauerbrenner

Frauenbeauftragte Angelika Winter.
Frauenbeauftragte Angelika Winter.
Der Steuerungsausschuss hat den Tätigkeitsbericht 2019 der städtischen Frauenbeauftragten Angelika Winter zur Kenntnis genommen. Im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ) geht sie auf einige Schwerpunkte ein, die auch in der kurzen Diskussion eine Rolle spielten

RaZ: Frau Winter, warum haben Sie 2019 die Reihe „Frauen und Gesundheit" ins Leben gerufen?

Angelika Winter: Bereits im Herbst 2018 kristallisierte sich heraus, dass sich viele meiner Themen unter das Feld „Frauen und Gesundheit" subsumieren lassen. Handlungsfelder wie die Menschenrechtsverletzung der weiblichen Genitalbeschneidung, die Versorgung nach einem Schwangerschaftsabbruch, die medizinische und psychosoziale Situation von Prostituierten und die Bedingungen von werdenden und gebärenden Müttern und Wöchnerinnen konnten somit mit der Veranstaltungsreihe in die Öffentlichkeit getragen werden. Gute Beispiele anderer Kommunen und ausgewiesene Fachleute konnten uns in Trier motivieren und das nötige Handwerkszeug an die Hand geben, um Maßnahmen und Projekte zu initiieren.

Wie war die Resonanz?

Sie war sehr gut – alle Gesundheitsthemen kamen an. Daraus entstanden sind neue Netzwerke, aber auch bestehende Bündnispartner und -partnerinnen konnten ihre Fachkompetenz erhöhen und neue Ideen entwickeln. Politisch wertvoll sind die aktuellen Verhandlungen mit dem Land, um Verbesserungen bei der Schwangerschaftsabbruchversorgung in unserer Region zu erreichen. Es gibt belastbare Signale, dass sich was tut.

Welche speziellen Anforderungen gibt es bei der Gesundheitsversorgung geflüchteter Frauen, die seit einiger Zeit in Trier leben?

Die psychosoziale Versorgung ist ein Schwerpunkt und eine Herausforderung. Von den Beratungsstellen, die mit geflüchteten Frauen arbeiten, erfuhr ich immer wieder, dass Genitalbeschneidung ein wachsendes Thema sei. Ein höchst sensibles, das hohe Beratungskompetenz voraussetzt. Eine AG, die nach der Tagung im Februar 2019 entstand, setzt sich mit der Aufklärung über Genitalverstümmelung, dem Ausbau von Anlauf- und Beratungsstellen und der nötigen Förderung von Beratungskompetenz auseinander. Eine weitere Anforderung sind Psychotraumatherapien. Viele Frauen haben im Herkunftsland und/oder auf der Flucht Gewalt, oft auch sexualisierte Gewalt erfahren. Daher ist der Bedarf an Therapieplätzen höher als das Angebot. Zudem erschweren Sprachhemmnisse die Therapie. Mit Unterstützung des Landes konnte ich mit den Expertinnen des Frauenhauses, des Frauennotrufs und der Interventionsstelle mehrere Fortbildungen „Gewaltschutz – häusliche Gewalt" für Sozialarbeiterinnen des Sozialamts und des Jobcenters anbieten.

Ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit ist schon seit längerem das Thema Prostitution, unter anderem mit dem Runden Tisch Sexarbeit in Trier. 2019 gelang es nach langen Verhandlungen, einen Landeszuschuss für eine unabhängige Beratungsstelle in Trägerschaft der Aidshilfe einzuwerben. Was erhoffen Sie sich davon?

Bereits 2014 konnte ich den Stadtrat von der Förderung einer nötigen Beratungsstelle für Prostituierte überzeugen. Die Stadt etablierte gemeinsam mit dem Landkreis Trier-Saarburg im Gesundheitsamt eine Streetworkerin. Im Zuge des Prostituiertenschutzgesetzes übertrug das Land den Gesundheitsämtern in Rheinland-Pfalz die verpflichtende Gesundheitsberatung der anzumeldenden Prostituierten. Dies führte zu der unglücklichen Situation, dass die freie, unabhängige und aufsuchende Sozialarbeit mit der Zwangsberatung räumlich und personell zusammengeführt wurde. Der Landeszuschuss unterstützt die Stadt in ihrem Anliegen, die vertrauliche und unabhängige Sozialarbeit auszubauen. Ich bin sehr dankbar und freue mich, dass die Aidshilfe Trier als kompetente Trägerin der neuen Beratungsstelle ihre Arbeit bereits im Herbst 2019 aufnehmen konnte.

Welche Schwerpunkte wollen Sie 2020 beim Thema Sexarbeit setzen?

Seit über neun Jahren leite ich nun den Runden Tisch „Sexarbeit in Trier" – meine Motivation bestand und ist immer noch, die Frauen, die in der Prostitution tätig sind, zu stärken. Ich hätte damals nicht gedacht, dass das Thema „Sexarbeit" mich so lange fordern würde – es hört nicht auf, da zum
einen die Prostituierten eine ausgeprägt heterogene Gruppe darstellen und zum anderen die Regulierung des Marktes infolge des Prostituiertenschutzgesetzes die Kommunen vor massive Herausforderungen stellt.

Welche Folgen ergeben sich daraus?

Die Stadt muss sich ihrer Verantwortung für die Straßenprostituierten bewusster werden und dezernatsübergreifend Lösungen suchen und umsetzen. Dazu kommt, dass es in Trier im Zuge der neuen Genehmigungsverfahren weniger Bordelle als noch vor zwei Jahren gibt. Dies führt zwangsläufig dazu, dass Prostituierte auf den Straßenstrich oder in die Wohnungsprostitution ausweichen. Die Nachfrage nach sexueller Dienstleistung ist gleichbleibend hoch, nicht zuletzt auch dadurch, dass sich Deutschland mit seiner legalen Gesetzgebung von den Nachbarschaftsländern abhebt. Schwerpunkte werden sein, die Sicherheit der Frauen und die hygienischen Bedingungen auf dem Straßenstrich so gut wie möglich zu fördern, den Kontakt zu den Frauen über die aufsuchende Sozialarbeit auszubauen, für Ausstiegswillige Alternativen anzubieten, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, wie beispielsweise den Mietwucher für die gewerbliche Raumnutzung einzudämmen, und Menschenhandel/Zwangsprostitution mit aller Kraft und gemeinsam mit den Strafverfolgungsbehörden zu bekämpfen.

Das Gespräch führte Petra Lohse