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13.11.2007

Pro und Contra Kohlekraftwerk

Sollen sich die Stadtwerke Trier (SWT) an dem Bau eines Steinkohlekraftwerks der RWE im nordrhein-westfälischen Hamm beteiligen? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Stadtrat im Rahmen einer öffentlichen Expertenanhörung. Dabei wurden sowohl den Verfechtern als auch den Gegnern des Projekts viele Argumente geliefert.

Für die SWT geht es um eine Investition von 12,6 Millionen Euro. Die Beteiligung erbringt bei einer Laufzeit von 20 Jahren eine „Scheibe“ von der Gesamtleistung des Kraftwerks in Höhe von zehn Megawatt. Das entspricht einem Anteil von rund 13 Prozent an der von SWT jährlich gelieferten Strommenge. Die Inbetriebnahme des Kraftwerks ist für 2012 geplant.

Zu Beginn der von OB Klaus Jensen moderierten, knapp viereinhalbstündigen Anhörung sprach sich SWT-Vorstand Dr. Olaf Hornfeck aus Gründen der langfristigen Versorgungssicherheit und der Konkurrenzfähigkeit der Stadtwerke für die Beteiligung aus. Zugleich bekannte er sich zum Ausbau regenerativer Energieerzeugung und zum verstärkten Einsatz energieeffizienter Technik.

Kohle als Lückenschließer

Als Vertreter der RWE erläuterte Peter Puppe Einzelheiten des Bauprojekts. Danach hatten die unabhängigen Experten Prof. Bernd Hamm von der Universität Trier, Prof. Gunter Schaumann von der FH Bingen und Diplom-Ingenieur Stefan Peter aus München das Wort. Als Vertreter der Landesregierung sprach Prof. Karl Keilen vom Umweltministerium. Nach den Referaten konnten die Stadtratsmitglieder und die rund 50 an dem Thema interessierten Bürger Fragen stellen.
Einigkeit herrschte in der Runde, dass die Zukunft den erneuerbaren Energien gehört und ihr Anteil an der Stromerzeugung auch wegen der von der Bundesregierung anvisierten Klimaschutzziele weiter steigen wird. Strittig war dagegen, ob die durch das Auslaufen der Kernenergie und die Abschaltung veralteter Kohlekraftwerke entstehende Energielücke allein durch die Erneuerbaren gedeckt werden kann oder ob die Kohle noch für einen Übergangszeitraum von mehreren Jahrzehnten unverzichtbar ist.

Kraft-Wärme-Kopplung integrieren

Gegen die Beteiligung und für verstärkte Investitionen in Wind- und Solarkraft sprachen sich Bernd Hamm und Stefan Peter aus. Gunter Schaumann und Karl Keilen halten die Investition in ein hocheffizientes Kohlekraftwerk für gerechtfertigt, allerdings solle dabei soweit wie möglich die Kraft-Wärme-Kopplung genutzt werden. Bei dem geplanten Kraftwerk sei die Nutzung der Abwärme zwar bisher nicht vorgesehen, könne jedoch später problemlos integriert werden, erklärte Peter Puppe. Voraussetzung dafür sei, dass sich in der Nähe des Kraftwerks Industriebetriebe als Abnehmer der erzeugten Wärme ansiedeln.

Die Entscheidung über die Beteiligung trifft der Stadtrat voraussichtlich am Dienstag, 18. Dezember

Unverzichtbar oder ineffizient? - Auszüge aus den Vorträgen

Ganz eindeutig für eine Beteiligung der Stadtwerke Trier an einem Steinkohlekraftwerk der RWE in Hamm/Nordrhein-Westfalen, sprach sich deren Vorstand Dr. Olaf Hornfeck aus. „Neue Steinkohlekraftwerke werden dringend zur Sicherstellung der Energieversorgung in Deutschland benötigt. Im Jahr 2020 hinterlässt der Ausstieg aus der Kernenergie verglichen mit dem heutigen Strommix eine Versorgungslücke von rund 30 Prozent. Darüber hinaus wird schätzungsweise die Hälfte des Kohlekraftwerk-Parks im Jahr 2020 altersbedingt nicht mehr in Betrieb sein. Damit fehlen weitere 25 Prozent, um den Energiebedarf zu decken. Prognosen der Deutschen Energieagentur gehen davon aus, dass im Jahr 2020 durch Effizienz- und Ein-sparmaßnahmen zirka acht Prozent weniger Energie erzeugt werden muss. Der Ausbau der erneuerbaren Energien schlägt mit einem Zuwachs von rund zwölf Prozent zu Buche. Was bleibt, ist eine Deckungslücke von rund 35 Prozent, die es zu schließen gilt.
Eine wirtschaftliche Möglichkeit, dieses Defizit auszugleichen, ist der Bau neuer Steinkohlekraftwerke. Und so lange es noch keine Antwort auf die Frage gibt, was passiert, wenn die Sonne nicht scheint und die Windräder sich nicht drehen, können diese regenerativen Energien die herkömmlichen Energien nicht ersetzen. So lange keine Möglichkeit gefunden wird, die regenerativ erzeugten Energien zu speichern, können diese nur als Teil eines Energiemixes eingesetzt werden. Für diese Phase halten wir Steinkohle für die geeignete Übergangslösung auf dem Weg ins regenerative Zeitalter.
Zum anderen haben wir als Erzeuger wirtschaftliche Vorteile, die der Stadt und den Bürgern zu Gute kommen. Wir werden unabhängiger von den Preisschwankungen des Marktes. Und schließlich ersetzen neue Kohlekraftwerke – wie die geplante Anlage in Hamm – eine veraltete Technik und leisten somit einen erheblichen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele.
Steinkohle als Teil unseres Energiemixes ist die eine Seite. Auf der anderen Seite haben wir ein nachhaltiges Energie- und Klimaschutzkonzept entwickelt, um CO2-Emissionen zu reduzieren und schrittweise die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern abzusenken. Dazu verfolgen die Stadtwerke Trier eine Dreifach-Strategie:
1.Wir fördern den Bezug und die Erzeugung von regenerativen Energien.
2. Wir verstärken den Einsatz von
energieeffizienter Technik.
3. Wir schaffen ein Energiebewusstsein bei den Verbrauchern in der Region.
Um dieses Bewusstsein zu schaffen, haben die Stadtwerke auch vielfältige Kooperationen angestoßen. Vor dem Hintergrund, dass sowohl die Investition in das neue Steinkohlekraftwerk, als auch unser SWT-Klimaschutzkonzept zur Reduktion der CO2-Emissionen beitragen, lautet unser Ansatz: Das Eine tun, ohne das Andere zu lassen!“

Als ein Unternehmen, das als einer der Marktführer weltweit den technischen Herausforderungen moderner Energieerzeugung und somit dem Bau zukunftsorientierter Kohlekraftwerke gewachsen sei, beschrieb RWE-Sprecher Peter Puppe seine Firma. Dabei liege ein Schwerpunkt der Forschung bei der CO2-Vermeidung. Aufgrund der ungleich verteilten Energieressourcen könne derzeit zur Abdeckung des Strombedarfs bei der Energiegewinnung auf die Kohle noch nicht verzichtet werden. Moderne Kohlekraftwerke würden bis 2020 dazu beitragen, die Erzeugungslücke zu füllen, hätten einen hohen Netto-Wirkungsgrad und wiesen eine hohe Wirtschaftlichkeit auf. Am Standort Hamm werde mit Gesamtkosten von rund zwei Milliarden Euro eine Doppelblockanlage mit hoher Einsatzflexibilität und einem Wirkungsgrad von 45 bis 46 Prozent errichtet.
Puppe bestätigte, dass das geplante Werk als Doppelblockanlage auf die Kraft-Wärme Kopplung ausgerichtet sei. Da die am selben Standort vorhandene Altanlage von marktwirtschaftlichen Mechanismen bestimmt werde, entscheide letztlich der Markt über ihre Abschaltung. Bei der zu importierenden Kohle aus Drittländern berücksichtige RWE die Antikorruptionsliste der UNO. Zu den lokalen Arbeitsbedingungen beim Kohle-Abbau konnte Puppe nichts sagen.

Professor Bernd Hamm, Soziologe an der Uni Trier, sprach sich gegen die Beteiligung aus. Als ökonomisches Argument führte er die „veraltete und ineffiziente Engergieerzeugung“ bei Kohlekraftwerken an. Außerdem drohe bei diesem Rohstoff eine deutliche Verknappung, die spätestens 2020 zu einem drastischen Preisanstieg führe. Hamm übte Kritik am Kohle-Import aus Ländern wie Kolumbien. „Es darf schon aus ethischen Gründen nicht sein, dass wir unsere Energieversorgung auf den Leiden und dem Elend von Menschen in den Herkunftsländern aufbauen.“ Aus ökologischer Sicht lehnte er die Kohleverstromung als „nach wie vor wichtigsten Einzelfaktor bei der Emission von Kohlendioxid“ ab. Die diskutierte Technologie eines CO2-freien Kraftwerks werde gerade erst erforscht. „Die CO2-Abscheidung ist energieintensiv und teuer. Damit senkt sie den Wirkungsgrad eines Kohlekraftwerks ab und verteuert den Strom weiter.“ Trier habe als Mitglied im Klimabündnis der Städte eine Vorbildfunktion: „Es ist wenig glaubwürdig, wenn die Stadtwerke für Ökostrom werben, gleichzeitig aber höchst umweltbelastende Energieformen mitfinanzieren wollen.“
Hamm hält eine Beteiligung vor allem für unnötig, weil es verfügbare und praktisch erprobte Alternativen gebe. An erster Stelle nannte er die Senkung des Verbrauchs: „Jede Kilowattstunde, die wir einsparen, macht uns weniger abhängig und führt zu weniger Emissionen. In der ökologischen Erneuerung des Gebäudebestands liegt ein gigantisches Beschäftigungsprogramm, das dringend in Gang gesetzt werden sollte.“ Bei etwa 80 Prozent der 200.000 Gebäude in der Region bestehe Sanierungsbedarf. Die Versorgung solle so weit wie möglich auf Kraft-Wärme-Kopplung umgestellt werden, weil sie die „derzeit bei weitem effizienteste Umwandlungstechnologie“ sei. Ergänzend sollten Wind- und Solarenergie eingesetzt werden.

Professor Gunter Schaumann, Mitglied des Mainzer Klimarates und Gründer der Transferstelle für rationelle und regenerative Energienutzung an der FH Bingen, machte deutlich, dass eine Stromvollversorgung mit erneuerbaren Energien vor 2030 nicht wirtschaftlich realisierbar sei. Als Übergangslösung seien fossile Kraftwerke nötig, folgerte Schaumann und verwies auf das Beispiel Mainz, wo in den kommenden Jahren ein neues Kohlekraftwerk entstehen wird.
Allerdings könnten durch eine Effi-zienzverbesserung der Kohlekraftwerke bereits jetzt 7,5 Prozent des vom Menschen verursachten CO2-Ausstoßes eingespart werden. Prinzipiell sei es daher empfehlenswert, in ein neues Kohlekraftwerk zu investieren, allerdings nur, wenn die Anlage über eine effiziente und moderne Technik verfüge: Durch den Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung, die gleichzeitige Abgabe von Strom und Wärme, gehe deutlich weniger Energie verloren. Viele der geplanten Kohlekraftwerke nutzen den Brennstoff Schaumanns Einschätzung nach jedoch nicht optimal, so dass Nachbesserungsbedarf bestehe und der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung stärker vorangetrieben werden müsse.

Eindeutig gegen die vorgesehene Beteiligung der Stadtwerke Trier an einem Steinkohlekraftwerk argumentierte Diplom-Ingenieur Stefan Peter, Institute for Sustainable Solutions and Innovations, München. Die gültigen Klimaschutzziele, nach denen eine Reduktion der Treibhausgase um 20 Prozent bis 2020 und um 80 Prozent bis 2050 vorgegeben seien, ließen eine weitere Nutzung der Steinkohle auf heutigem Niveau nicht zu. Dazu kämen unkalkulierbare Kosten und Preissteigerungsrisiken durch die zunehmende Verknappung der fossilen Rohstoffe. Bisher seien in die Berechnungen auch die externen Kosten wie zum Beispiel Gesundheitsschäden, Gebäudeschäden, ökologische Schäden, oder Folgen des Klimawandels größtenteils nicht eingeflossen. „Unter Berücksichtigung der Preisrisiken ist es nicht möglich zu sagen, dass Steinkohle eine günstigere Option der Stromerzeugung ist als andere Optionen. Steinkohle verursacht die zweithöchsten CO2 -Emissionen aller heute verwendeten Technologien und damit hohe ökologische und gesellschaftliche Folgekosten. CO2-arme Kohlekraftwerke sind nicht vor 2020 zu erwarten.“ Die dann möglicherweise technisch machbare Abscheidung und Deponierung von CO2¿sei verbunden mit weiteren Kosten und höherem Brennstoffbedarf. Ähnliche Investitionsvorhaben wie das Kraftwerk in Hamm seien in Bremen und München wegen wirtschaftlicher Bedenken gestoppt worden.
Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und KWK (Kraft-Wärme-Koppelung) seien langfristig günstiger und mit geringeren Preisrisiken verbunden, so Peter. „Eine Anlage ohne KWK sollte wegen der hohen Emissionen nicht in Betracht gezogen werden, emissionsarme Alternativen müssen vorrangig bedacht werden, wenn schon jetzt ein Beitrag zum Klimaschutz erbracht und die gültigen Ziele nicht gefährdet werden sollen.“

Professor Karl Keilen, Energieexperte im rheinland-pfälzischen Umweltministerium, erläuterte zunächst die Grundposition der Landesregierung. Demnach sind hocheffiziente Kohlekraftwerke für die nahe Zukunft unverzichtbar. Da sie bis zu 30 Prozent weniger Kohlendioxid freisetzten als ältere Kraftwerke, leis-teten sie einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.
„Die Steigerungsraten bei den erneuerbaren Energien werden bei konsequentem Ausbau zwar ausreichen, um den Atomausstieg zu kompensieren. Ein gleichzeitiger Atom- und Kohleausstieg ist jedoch nicht machbar“, betonte Keilen. Zugleich stellte er klar, dass es sich bei der Kohleverfeuerung um eine „Übergangstechnologie“ handle. Zu den Anforderungen an ein neues Kraftwerk zählte Keilen maximale elektrische Wirkungsgrade und die Nutzung der Abwärme durch Kraft-Wärme-Kopplung.