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25.03.2014

Pflege-Nachfrage bis 2050 fast verdoppelt

Grafik zur Entwicklung der Pflegebedürftuigkeit im Alter
Der Anstieg der Pflegebedürftigkeit fällt bei Frauen nicht zuletzt durch die höhere Lebenserwartung stärker aus. Quelle: www.wegweiser-kommune.de
In Trier steigt die Zahl der Pflegebedürftigen von derzeit rund 2200 auf gut 2900 im Jahr 2035. Für 2050 prognostiziert das Landesamt für Statistik mehr als 4100 Betroffene. Bis Sommer soll im Rahmen der Pflegestrukturplanung ein konkretes Handlungskonzept vorgelegt werden, wie die Stadt dieser großen Herausforderung begegnen kann.

Wie Franz Bonfig, Pflegeexperte im Sozialdezernat, und der Trierer Sozialplaner Peter Kappenstein im zuständigen Dezernatsausschuss berichteten, genießt die häusliche Pflege Vorrang und soll weiter ausgebaut werden. Die unterstützenden Angebote in der Nachbarschaft müssen auf die steigende Nachfrage ausgerichtet werden. Als weitere „sozialräumliche Ebenen“ werden die Einzugsbereiche der vier Pflegestützpunkte sowie die Gesamtstadt genannt.

Bürgermeisterin Angelika Birk wies im Ausschuss darauf hin, dass die städtischen Einflussmöglichkeiten begrenzt sind. Über die Leistungen der Pflegeversicherung entscheide der Bund. Für die Kontrolle der Seniorenheime und die Qualitätssicherung sind das Land und der Medizinische Dienst der Krankenkassen zuständig. Investoren können zwar selbst entscheiden, wo sie ein neues Seniorenheim errichten, müssen aber die Qualitätsanforderungen erfüllen und sich bei ihren Preisen nicht zuletzt an den Sätzen der Pflegeversicherung und der Sozialhilfe orientieren.

In der Pflege machen sich die Herausforderungen des demografischen Wandels besonders stark bemerkbar. Die Nachfrage steigt durch die wachsende Zahl betagter Senioren mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit von Krankheiten und Hilfsbedürftigkeit. Zudem steht oft kein in der Nähe wohnender Familienangehöriger für die Pflege zur Verfügung.

Durch den stetigen Geburtenrückgang seit dem Babyboom Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts sinkt gleichzeitig die Zahl der Personen, die als potenzielle Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Zudem hat die Pflege oft mit einem schlechten Image durch den stressigen Arbeitsalltag bei relativ geringer Bezahlung zu kämpfen. Das führt oft zu einer hohen Fluktuation. In Trier kommt hinzu, dass immer wieder ausgebildete Pflegefachkräfte nach Luxemburg gehen, wo eine höhere Bezahlung lockt.

„Kultur des Helfens“ ausbauen

Für Trier sieht Bonfig in dem prognostizierten Anstieg der Pflegebedürftigen insgesamt „keine dramatische Entwicklung“. Die Angebote seien schon gut ausgebaut und leistungsfähig und müssten konsequent weiterentwickelt werden. Die Kommune sehe sich aber, so Kappenstein ergänzend, „mit zahlreichen komplexen Fragestellungen“ konfrontiert.

 Um die Pflege in der gewohnten Umgebung so lange wie möglich sicherzustellen, müssten die in den letzten Jahren deutlich verbesserten technischen Hilfen noch sehr viel stärker genutzt werden. Handlungsbedarf sieht der Sozialplaner aber auch in anderen Bereichen: „Die Kultur des Helfens ist noch nicht stark genug ausgeprägt.“ Zudem würden viele die Pflege als individuelles Problem ansehen und die gesamtgesellschaftliche Dimension vernachlässigen. „Ich habe mir noch einmal die Bürgergutachten aus den Trierer Stadtteilen angeschaut. Beim Stichwort Pflege geht es fast immer um Bäume oder Spielplätze, aber fast nie um Senioren“, betonte der Sozialplaner.

Als Einstieg in eine genauere und auf empirischen Daten basierende Pflegestrukturplanung fand vergangenen Herbst eine Umfrage unter den über 60-jährigen Bewohnern des Stadtteils Mariahof statt. Die Ergebnisse wurden im Ortsbeirat und in einer Bür-

gerinformation vorgestellt. Daraus geht unter anderem hervor, dass nur fünf Prozent der 70- bis 79-Jährigen Leistungen der Pflegeversicherung beziehen. In der Generation 90+ steigt dieser Anteil auf 26 Prozent. Als ein Hauptproblem im Alltag benannten die älteren Mariahofer die fehlende Nahversorgung.

2008 hatte eine Untersuchung zu „Wohnen im Alter in Nells Ländchen“ stattgefunden. Schon der Vergleich dieser beiden Befragungen lieferte den Experten viele interessante Erkenntnisse. So sei insgesamt die Nachbarschaftshilfe in Mariahof stärker ausgeprägt als im Nells Ländchen. Nach und nach sollen ähnliche empirische Studien in allen anderen 17 Stadtteilen in Angriff genommen werden.