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04.05.2010

Opportunismus und aufkeimender Judenhass

Ein Kupferstich von 1738 zeigt Joseph Süß Oppenheimer mit dem Galgen als Emblem. In dem Spottvers wird er unter anderem des Geizes und der Wollust bezichtigt.  Abbildung: Graphik-Sammlung  Württembergische Landesbibliothek
Ein Kupferstich von 1738 zeigt Joseph Süß Oppenheimer mit dem Galgen als Emblem. In dem Spottvers wird er unter anderem des Geizes und der Wollust bezichtigt. Abbildung: Graphik-Sammlung Württembergische Landesbibliothek
Mit der Verklärung barocker Pracht und absolutistischer Herrlichkeit in deutschen Landen räumt Detlev Glanerts Oper „Joseph Süß“ auf. Sie feiert am Sonntag, 9. Mai, 19.30 Uhr, Premiere im Theater. Im Mittelpunkt steht der jüdische Finanzrat Joseph Süß Oppenheimer am Hof des württembergischen Herzogs Karl Alexander. Sein jäher Absturz ist nicht zuletzt auf frühe Formen des Antisemitismus zurückzuführen.

1738 sitzt der Jude Joseph Süß Oppenheimer im Staatsgefängnis und steht vor seiner unausweichlichen Hinrichtung. In der Stille kommen die Stimmen der Toten, die ihn verdammen und die der Lebenden, die ihn befreien wollen. Doch Süß schlägt alle Rettungsmöglichkeiten aus. Wie ein Film zieht sein Leben vorbei: die Erfolge als einflussreicher Finanzrat des Herzogs, das ausschweifende Hofleben, Intrigen, Verleumdungen, Anfeindungen, aber auch Erinnerungen an seine jüdischen Wurzeln. Den vom Herzog verschuldeten Tod seiner Tochter Naemi hat Süß nicht verwunden: Er übt Rache und wird selbst zum Opfer. Die Denunzianten haben gesiegt. Auch das Volk fordert: „Den Juden an den Galgen.“

Die Oper in 13 Akten zeigt auf bestürzende Weise, wie stark bereits im 18. Jahrhundert antijüdische Tendenzen gesellschaftliche Realitäten auch in Deutschland mitbestimmten. Gleichzeitig bietet der gesamte Stoff eine ungewöhnlich vielfältige und äußerst widersprüchliche Rezeptionsgeschichte. Er wurde zunächst vor allem bekannt durch den 1925 erschienenen Roman „Jud Süß“ des jüdischen Autors Lion Feuchtwanger. Hier erscheint Süß als tragisch gebrochener Held, aber auch als opportunistisch und machtbesessen. Feuchtwanger ging es auch darum, Chancen und Grenzen der Eingliederung der jüdischen Bevölkerung in der deutschen Gesellschaft auszuloten.

Der jüdische Finanzrat steht auch im Mittelpunkt eines der schlimmsten antisemitischen Propagandastreifen des NS-Regimes. Der Film von Veit Harlan wurde daher nach dem Zweiten Weltkrieg verboten. Unter dem Titel „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ präsentierte 2010 Oskar Roehler einen Spielfilm über dessen Entstehung, der für heftige Kontroversen sorgte.

Zur Trierer „Joseph Süß“-Operninszenierung von Sven Grützmacher unter der musikalischen Leitung von GMD Victor Puhl findet 30 Minuten vor jeder Vorstellung eine Einführung im Foyer statt. Weitere Mai-Termine der Oper: 11. und 14., jeweils 20 Uhr, 22., 19.30 Uhr, 26., 20 Uhr, 29., 19.30 Uhr, Großes Haus.