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18.03.2008

Neuer Blick auf einen großen Trierer

Sprachen nach der Filmpremiere über Marx und Trier:?Klaus Jensen, Dr. Hans-Günther Lanfer, Professor Beatrice Bouvier,  Gernot und Carsten Jaeger, Helmut Leiendecker, André Hakmann und Heidi Rautert (v. l.)
Sprachen nach der Filmpremiere über Marx und Trier:?Klaus Jensen, Dr. Hans-Günther Lanfer, Professor Beatrice Bouvier, Gernot und Carsten Jaeger, Helmut Leiendecker, André Hakmann und Heidi Rautert (v. l.)
Für einen unverkrampften und offensiven Umgang mit Karl Marx und seinem Erbe in Trier hat sich Oberbürgermeister Klaus Jensen anlässlich des 125. Todestages des großen sozialistischen Theoretikers ausgesprochen. „Andere Städte werben damit, dass Goethe mal bei ihnen auf Durchreise war. In Trier dagegen hat Karl Marx 18 Jahre lang gelebt. Trier darf, kann und muss stolz darauf sein, dass dieser bedeutende Philosoph hier geboren wurde.“ Bis heute sei Marx’ scharfsinnige Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse während der industriellen Revolution beeindruckend, sagte Jensen im Rahmen einer Film-Soiree in der mit 300 Zuschauern gefüllten Aula des Angela-Merici-Gymnasiums. Karl Marx könne nicht persönlich für Verbrechen verantwortlich gemacht werden, die später im Namen seiner Lehre begangen wurden.

Marx und die Trierer

Niemand weiß, ob Karl Marx in den letzten Stunden vor seinem Tod am 14. März 1883 in London noch einmal an seine Heimatstadt dachte. Sicher ist dagegen, dass Trier sich zum 125. Todestag intensiv mit ihm beschäftigte. Neben dem vom Rathaus organisierten Filmabend veranstaltete das Studienzentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung  ein dreitägiges Symposium und eine Podiumsdiskussion zum aktuellen Stand der Forschung.

Im Mittelpunkt der Film-Soiree stand die Uraufführung der Dokumentation „Karl Marx – ein Philosoph macht Geschichte“ und die Frage nach der heutigen Bedeutung von Marx für seine Geburtsstadt. Der Film der Trierer Brüder Gernot und Carsten Jaeger schildert zunächst die Lebensstationen von Karl Marx und zeichnet im zweiten Teil die Wirkungsgeschichte und Vereinnahmung seiner Lehre im 20. Jahrhundert nach. Dabei wechseln sich stumme Spielszenen, reichhaltiges Archivmaterial sowie Kommentare von Marx-Forschern und Politikern ab. Im biographischen Teil liegt der Schwerpunkt weniger auf der marxistischen Theorie als auf dem Menschen Karl Marx. „Wir wollten dem interessierten Laien einen relativ leichten Zugang zum Thema verschaffen. Der Film ist sicher auch für Schulen geeignet“, erklärte Co-Regisseur Gernot Jaeger nach der Premiere.

In der anschließenden Gesprächsrunde stellte Moderator Dr. Hans-Günther Lanfer immer wieder die Frage nach dem heutigen Verhältnis der Trierer zu Marx. Dabei wurde unisono festgestellt, dasss der früheren Reserviertheit nach dem Ende des Kalten Krieges eine aufgeschlossene Phase der kritisch-konstruktiven Auseinandersetzung gefolgt sei.

Die Frage, ob die Marxsche Lehre durch seine Jugendeindrücke in der verarmten Moselregion geprägt sei, beantwortete Beatrice Bouvier, Leiterin des Karl-Marx-Hauses, skeptisch: „Marx war ein Intellektueller, der viel stärker durch Lektüre und Nachdenken zu seinen Erkenntnissen kam als durch Anschauung und Erlebnisse.“

„Ich bin stolz, dass ich die Möglichkeit hatte, diese berühmte Figur zu verkörpern“, sagte Volksschauspieler Helmut Leiendecker, der in dem Film der Gebrüder Jaeger mit frappierender Ähnlichkeit die Rolle des alten Karl Marx übernommen hatte. Er habe dabei viel Neues über Marx erfahren, so Leiendecker. Seine Frage, ob der Denker im Alltag „Trierer Platt geschwätzt“ habe, musste jedoch offen bleiben.

Ungebrochen ist die Verehrung, die Marx in der Volksrepublik China entgegengebracht wird. Über die oft überschwänglichen Reaktionen der vielen chinesischen Touristen in Trier berichteten Gästeführerin Heidi Rautert und André Hakmann, Sinologe an der Uni Trier, der 77 Gästebücher des Karl-Marx-Hauses ausgewertet hat.

Fest steht: Karl Marx wird die Trierer weiter beschäftigen – schon allein, weil 2018 sein 200. Geburtstag ansteht. „Dieses Datum darf nicht an Trier vorbeigehen“, betonte OB Jensen, der sich dafür eine intensive Auseinandersetzung mit Leben und Werk des Philosophen im Rahmen einer Großveranstaltung vorstellen kann.