Sprungmarken
18.01.2011

Neue Identität in gut 30 Minuten

Mit gekonnten Pinselstrichen macht Maskenbildnerin Biggi Molitor aus Michael Ophelders (oben) Frank’n’Further (links), den Hauptdarsteller der „Rocky Horror Show“.
Mit gekonnten Pinselstrichen macht Maskenbildnerin Biggi Molitor aus Michael Ophelders (oben) Frank’n’Further (links), den Hauptdarsteller der „Rocky Horror Show“.
Die Natürlichkeit einer konservativen jungen Frau unterstreichen, die Vorzüge einer Braut hervorheben oder mit einem aufwändigen, farbenfrohen Make-up einen gestandenen Mann in einen glamourösen Transvestiten verwandeln – die Maskenbildner des Theaters sind beim Kultmusical „Rocky Horror Show“ auf vielfältige Weise gefordert.

Pinsel in allen Größen, Farbpaletten, Puderdosen und diverse weitere Schminkutensilien sind vor dem gut beleuchteten Spiegel aufgereiht, der den Großteil der Wand einnimmt. Dazwischen stehen Kosmetiktücher bereit, Bürsten, Kämme und Haarnadeln warten auf ihren Einsatz. Die „Maske“ ist der Raum, in den jeder Darsteller vor seinem Auftritt früher oder später kommt, um sich von Rüdiger Erbel und seinem Team Stück für Stück in sein Bühnen-Ich verwandeln zu lassen.

Entspannt nehmen die Darsteller auf den schwarzen Sesseln Platz, einige im Bademantel, andere in bequemer Freizeitkleidung, einige schon im Kostüm. Rund eineinhalb Stunden bevor sich der Vorhang im Großen Haus zum ersten Mal öffnet, beginnen die Maskenbildner zu sechst mit ihrer Arbeit – und sind dabei die Ruhe selbst. Jeder Handgriff sitzt, von Hektik keine Spur.

Alles nach Plan

Für Erbel und sein Team ist das Schminken der insgesamt 22 Darsteller schon zur Routine geworden. Die erste Aufregung, die noch bei der Premiere auf beiden Seiten zu spüren war, ist verflogen. Vor allem, weil alles nach Plan läuft. Denn jeder Schauspieler weiß genau, wann er in die Maske muss. Pro Person sind bis zu 35 Minuten eingeplant. Vor allem die Solisten müssen etwas intensiver geschminkt werden. Wie „Magenta“ und „Columbia“, die auf der Bühne unter anderem durch ihr auffälliges Äußeres bestechen.

Was sie so alles drauf haben, zeigen die Maskenbildner beim Hauptdarsteller des Kultmusicals. Dass es sich bei Michael Ophelders und Frank’n’Further um ein und dieselbe Person handelt, ist nach rund einer halben Stunde nicht mehr zu erkennen. Mit gekonnten Pinselstrichen lässt Biggi Molitor Ophelders Augenbrauen verschwinden, um sie kunstvoll geschwungen etwas höher wieder entstehen zu lassen. Mit großzügig aufgetragenem Schwarz und Grau sowie einigen helleren Nuancen lässt sie den ausdrucksstarken Augenaufschlag erahnen, den Frank’n’Further später auf der Bühne haben wird. Mit Eyeliner,  künstlichen Wimpern mit Strasssteinchen und Glitzer vollendet Molitor das kunstvolle, glamouröse Make-up, das wenig später noch von einer schwarzen Langhaarperücke und dem passenden Kostüm abgerundet wird.

Schminken und Frisieren

Mit weniger intensiven Farben kommt Erbel bei Tim Olrik Stöneberg aus, der Frank’n’Furthers Schöpfung Rocky verkörpert – zumindest im Gesicht. Anschließend erhalten seine Haare genauso wie sein Oberkörper einen goldenen Schimmer. „Er soll appetitlich aussehen. Nicht umsonst ist Frank’n’Further so scharf auf ihn“, scherzt Erbel, der die Farbe ebenso routiniert aufträgt wie er wenig später Haare stylt – denn auch das ist die Aufgabe der Maskenbildner.

Mit vielen gezielten Handgriffen entsteht das Gesamtkunstwerk, das je nach Gattung einen ganz eigenen Reiz ausübt. „Die Rocky Horror Show ist flippig im Gegensatz zu der konservativen Oper oder dem Schauspiel, das meist in der heutigen Zeit spielt und natürlich geschminkt wird. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich“, weiß Erbel, der mit seinem Team nicht nur vor der Show gefordert ist. Nach der Hochzeitsszene gleich zu Anfang müssen die Maskenbildner die Nebendarsteller in nur rund 15 Minuten zu Transilvaniern umschminken, während die Geschichte auf der Bühne mit dem begeisterten Zutun der Besucher ihren Lauf nimmt.

Und wenn der nicht mehr enden wollende Schlussapplaus im Großen Haus ertönt und die unaufhörlichen Zugabe-Rufe die hervorragende schauspielerische und gesangliche Leistung feiern – dann gebührt der Jubel sicherlich auch den Maskenbildnern, die die Darsteller erst zur vollkommenen Verkörperung ihrer Rolle haben werden lassen.