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12.01.2010

Mit der Konversion in die Zukunft

Einen „Beitrag zur jüngeren Stadtgeschichte“ möchte Helmut Schröer mit dem ersten Band seiner „Trierer Weichenstellungen“ leisten, der im Paulinus-Verlag erschien.

Während des Schreibens wurde dem früheren Trierer OB klar, die zahlreichen Entscheidungen der Stadtentwicklung, an denen er in führenden kommunalpolitischen Positionen insgesamt über 30 Jahre als Stadtratsmitglied, Wirtschaftsdezernent, Bürgermeister und OB beteiligt war, trotz des selbst verordneten „Muts zur Lücke“ nicht in einen Band pressen zu können. „Schon sehr bald wurde deshalb die Ergänzung in einem zweiten Band diskutiert und beschlossen“, schreibt Schröer in der Einführung.

Mit seinem politischen Rechenschaftsbericht befindet sich der Christdemokrat in guter Gesellschaft. Frühere Stadtvorstandsmitglieder wie insbesondere Emil Zenz, später Hans König und in jüngerer Zeit Peter Dietze griffen ebenfalls zur Feder, um über die Stadt und ihr persönliches Wirken zu berichten, wenn auch in ganz unterschiedlichem Umfang, Inhalt und Gehalt.
 
Es überrascht nicht, dass Schröer in seinem ersten Band den wirtschafts- und finanzpolitischen Themen Priorität einräumt, zumal er kulturelle, touristische oder auch sportliche Aspekte eng damit verknüpft sah und nie als „l’art pour l’art“ gelten lassen wollte. Folglich widmet er in seinem Buch mit der Landesgartenschau, der Konstantinausstellung sowie der abwechslungsreichen Baugeschichte der Arena drei herausragenden Komplexen breite Aufmerksamkeit, die durchaus für sich alleine stehen könnten, für Schröer aber in einem gesamtstädtischen Kontext zu sehen sind.

Katastrophale Ausgangsbasis

Zunächst aber geht der Autor auf die katastrophale Ausgangsbasis der Moselmetropole nach dem verlorenen Krieg 1945 ein. Die einstmals prachtvolle römische Kaiserresidenz musste als Grenzstadt über die Jahrhunderte hinweg immer wieder die leidvollen Erfahrungen kriegerischer Auseinandersetzungen über sich ergehen lassen. Zur unermesslichen Schre-ckensbilanz des NS-Terrors rechnet Schröer aus regionaler Sicht auch das Unrecht, das von Trier aus auf das benachbarte Luxemburg ausging. Triers ehemaliger OB beschreibt den Ausgleich, die „Wiederbegründung der Freundschaft“ und das stets von neuem angestrebte Miteinander mit dem Großherzogtum als ein persönliches Anliegen, zumal es aufgrund der wachsenden Regionalisierung auch inhaltlich keine Alternative hierzu gab.

Schröers Bericht erstattende Rückschau ist ein Lehrbuch über eine theoretisch abgesicherte Stadtentwicklungspolitik, die ihre praktische Bewältigung in ungeahntem Ausmaß vor allem durch die Konversion erfuhr. Und das in unterschiedlichsten Ausprägungen und unter Anwendung immer wieder neuer Finanzierungsmodelle. Es begann mit der Schaffung eines neuen Indus-triegebiets durch die Verlegung des Eurener Flughafens nach Föhren und wurde mit dem schrittweisen Abzug der Franzosen aus Trier nach 1989 stetig fortgesetzt. Schröer beschreibt die Konversion mit der Umwidmung riesiger Militärflächen für zivile Zwecke als „große Chance“, die ihre Krönung schließlich mit der Zuerkennung der Landesgartenschau 2004 erfuhr. Das gewonnene Bewerbungsverfahren und die strukturelle Umgestaltung des Petrisbergs vergleicht er mit einem „Sechser im Lotto“.

Komplexe „Jahrhundertaufgabe“

Minutiös und sachorientiert zeichnet der Autor die einzelnen Schritte der hochkomplexen „Jahrhundertaufgabe Konversion“ nach. Einzelne Mitstreiter kommen zu Wort, immer wieder werden der Stadtrat und die Tagespresse zitiert. Meinungsunterschiede stehen nicht im Fokus. Die höchste, nur gemeinsam zu meisternde Hürde stellte als einzige Konstante sowieso die Finanznot der Stadt dar.
 
Im ersten, knapp 300 Seiten umfassenden Band seines wichtigen Beitrags zur jüngeren Stadtgeschichte hat sich Triers früherer OB auf die entscheidenden, Richtung vorgebenden Weichenstellungen seiner Amtszeit konzentriert. Persönliches hat er sich versagt, sparsam wird die eine oder andere Anekdote eingestreut. In voraussichtlich eineinhalb Jahren will Schröer den zweiten Teil seines politischen Rechenschaftsberichts vorlegen.
  • Helmut Schröer, Trierer Weichenstellungen – Ein Beitrag zur jüngeren Stadtgeschichte, Band I, Paulinus Verlag GmbH, Trier, 2009, ISBN 9783790216370, 19,90 Euro.