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05.10.2010

Maßarbeit mit Nadel und Faden

Dieses weiße Kleid aus „Passion“, einem Tanzstück der Spielzeit 2009/10, hat Maria Gohlke angefertigt.
Dieses weiße Kleid aus „Passion“, einem Tanzstück der Spielzeit 2009/10, hat Maria Gohlke angefertigt.
Ob leicht verrucht wie in „Cabaret“ oder schlicht wie im „Staatsfeind Nr. 1“: Das, was das Theaterfeeling für den Zuschauer ausmacht, ist nicht nur der gute Text und das schauspielerische Talent der Darsteller. Es sind auch die Kostüme, die das Stück erst zu einem Gesamtkunstwerk werden lassen. Im Trierer Theater arbeiten die Maßschneider daran, die Darsteller perfekt in Szene zu setzen.

Maria Gohlke ist eine von ihnen. Geschneidert hat die Auszubildende schon immer gerne, das Interesse für das Theater ist nicht minder groß. Deshalb stand für die heute 21-Jährige fest, dass sie nach dem Abitur eine Lehre als Maßschneiderin am Theater beginnen möchte. Mit der Nähmaschine konnte Gohlke bereits umgehen – etwas, das für den Berufsstart von Vorteil, aber nicht zwingend erforderlich ist. Wichtig sind dagegen neben der mittleren Reife Fingerfertigkeit und Interesse an Handarbeit.
 
Die ist im oberen Stock des Dreispartenhauses auch gefordert. Schließlich werden hier mehrere Hundert Kostüme pro Jahr angefertigt – maßgeschneidert auf die Schauspieler. Zwischen 20 und 40 Stunden dauert es, bis eines fertig ist – je nachdem, ob es sich um ein schlichtes Kleid oder ein historisches Gewand handelt.

Korsagen und Faltenrock

Diese Kleider, vor allem aus dem Barock, findet die Auszubildende wegen der komplexen Verarbeitung auch interessant: Von Rüschen über Korsagen bis hin zum Faltenrock – die schneiderischen Fertigkeiten werden dabei auf vielfältige Art und Weise gefordert. Viel Einsatz war auch bei ihrem Lieblingsstück gefragt, das Hannah Ma in der Rolle des Mädchens in „Passion“ getragen hat: „An dem Kleid habe ich viel gestickt, das war sehr zeitintensiv. Am liebsten nähe ich aber für das Ballett. Da muss alles ganz filigran sein, bei den Bewegungen schwingen, mit dem Tanz harmonieren“, erzählt die Auszubildende begeistert, der ihre Freude am Schneidern sichtlich anzumerken ist.  

Auch wenn es vor Generalprobe oder Premiere mal etwas stressiger werden kann, belohnt wird die 21-Jährige spätestens bei der Vorstellung.  „Es ist toll, wenn ich ins Theater gehe und mein Kostüm, das ich genäht habe, auf der Bühne sehe“, freut sich Gohlke, die um die besonderen Herausforderungen in diesem Metier weiß. Die Kleidungsstücke müssen so genäht werden, dass sie lange halten, das viele An- und Ausziehen überstehen, sich leicht ändern lassen.

Mit dem Feierabend legt die Auszubildende das Thema Schneidern aber nicht ad acta – sehr zur Freude ihrer Chefin. „Ich finde es gut, dass sie auch privat so viel macht. Maria ist eine begabte Schneiderin“, freut sich Monika Born, Leiterin der Damenschneiderei, über das Talent ihres Schützlings. Das wird auch bei Modenschauen oder beim Anfertigen der Kostüme für die Produktionen des Karusell e.V., einer Theater spielenden Studentengruppe, sichtbar.

Eigene Kreationen

Wenn sie für sich oder Freunde zur Nähmaschine greift, bevorzugt Gohlke schlichte Formen. Zu eigenen Kreationen lässt sie sich von der französischen Designerin Sonia Rykiel inspirieren. Doch seit sie ihre Ausbildung macht, hat sich auch ihre Herangehensweise geändert. Früher, bei ihrem Kleid für den Abiball, sei noch alles sehr improvisiert gewesen. „Jetzt traue ich mich gar nicht mehr richtig, einfach auszuprobieren. Ich achte drauf, ob die Naht richtig sitzt. Daher ist es wichtig, dass ich mir selbst Freiräume lasse“, räumt Gohlke selbstkritisch ein, die hofft, ihre Ausbildung mit „sehr gut“ abzu-schließen. Denn dann winkt eine Begabtenförderung der Handwerkskammer, die viele Türen öffnet. Wo sie in ein paar Jahren ist, kann sie noch nicht sagen. Vielleicht an der Berliner Volksbühne. Über eines ist sie sich aber sicher: „Es ist immer gut, ein Handwerk gelernt zu haben. Man kann es immer anwenden – im Beruf, für sich selbst oder für Freunde.“