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12.05.2009

Langer Atem gefragt

Aufruf zur Wahl zur Nationalversammlung 1919.
Aufruf zur Wahl zur Nationalversammlung 1919.
90 Jahre nach der Premiere des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen wurde auf dem Weg zur Gleichberechtigung zwar viel erreicht, es gibt aber immer noch erhebliche Defizite. Das gilt besonders für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der immer noch viele Hindernisse entgegenstehen. Nachholbedarf gibt es aber auch in der Kommunalpolitik. Das sind zwei zentrale Ergebnisse der Diskussion mit fünf Stadtratsbewerberinnen zum Start der Ausstellung „Die Frau im politischen Plakat zur Reichstagswahl 1919 – 90 Jahre Frauenwahlrecht“. Sie ist auf Initiative der Frauenbeauftragten Angelika Winter und mit Unterstützung der VHS bis zur Kommunalwahl am 7. Juni im Foyer des Palais Walderdorff zu sehen.

„Mutige und kluge Frauen“

Die Plakate aus der historischen Sammlung der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigen eindrücklich, wie man damals versuchte, die große neue Wählergruppe durch gezielte Werbung anzusprechen. Frauen werden als Mutter, Patriotin, gläubige Katholikin, aber auch politische Kämpferin mit geballter Faust in Szene gesetzt. Die Mainzer Frauenministerin Malu Dreyer äußerte in ihrem Vortrag ihre Bewunderung für die Vorkämpferinnen des Wahlrechts, darunter Marie Juchacz (SPD), die als erste Frau im Reichstag das Wort ergriff: „Wir können stolz sein auf diese Frauen, die aus verschiedenen Lagern stammten und hartnäckig gekämpft haben, oft auch gegen Bedenken ihrer Geschlechtsgenossinnen. 90 Jahre später dürfen wir von diesen mutigen und klugen Frauen profitieren.“

Ihr Urteil, dass längst noch nicht alle Ziele der Gleichberechtigung erreicht sind, belegte Dreyer unter anderem mit aktuellen Zahlen: In Bundes- und Landesparlamenten ist rund ein Drittel der Abgeordneten Frauen, in den Kommunen deutlich weniger. Im Trierer Stadtrat sind es 39,2 Prozent. Besonders niedrig ist der Anteil in Parlamenten kleinerer Städte und Gemeinden.

Noch schlechter sehe es bei Spitzenpositionen in der Wirtschaft aus, trotz immer mehr sehr gut ausgebildeter Frauen. Dreyer macht für diese Defizite strukturelle Ursachen verantwortlich. Sie sprach sich für eine Quotenregelung aus, was in der Debatte der Stadtratsbewerberinnen auf ein geteiltes Echo stieß. Dorothee Bohr (CDU), Anna Gros (SPD) und Christiane Wendler (B 90/Grüne) sprachen sich dafür aus. Dagegen betonte Nicole Reinert (FDP), Frauen verdienten es, eine Führungsposition als Anerkennung ihrer Leistung zu erreichen und nicht nur dank der Quote.

In der Runde, die durch Doris Steinbach (UBM) komplettiert wurde, herrschte weitgehend Einigkeit, dass die Krippenangebote bei flexibleren Zeiten ausgebaut werden müssen und es einige Lücken bei der Betreuung der Grundschulkinder gibt. Zudem müssten die Frauen zu größerem Engagement in den Parteien ermutigt werden. Ergänzend wurde gefordert, bei der Vergabe städtischer Aufträge an Unternehmen Familienfreundlichkeit, etwa durch Tele-Arbeitsplätze und flexible Arbeitszeitmodelle, zu einem verbindlichen Kriterium zu machen.

Weitere Aspekte kommunaler Frauenpolitik rückte Gastgeberin Angelika Winter in den Blickpunkt, als sie das Wirken ihrer langjährigen Vorgängerin Maria Rieger-Nopirakowsky würdigte. Die frühere Trierer Frauenbeauftragte habe einen maßgeblichen Beitrag zur Etablierung des Frauennotrufs und des Frauenhauses geleistet und sich zudem immer wieder für ein verbessertes Unterhaltsrecht eingesetzt.