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03.05.2011

"Klare Haltung" statt Wunschdenken

Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani
Simone Kaes-Torchiani ist seit vier Jahren Beigeordnete der Stadt Trier.
Verkehrsplanung, Stadtentwicklung, Grundstücksverwaltung:¿Das Aufgabengebiet von Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani ist vielfältig. Häufig stehen diese Themen im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Im RaZ-Interview zieht die 55-Jährige eine Zwischenbilanz nach der Hälfte ihrer achtjährigen Amtszeit.

RaZ: Frau Kaes-Torchiani, macht Ihnen nach vier Jahren der Job noch Spaß?

Kaes-Torchiani: Was heißt Spaß? Ich habe bisher meine gute Laune behalten, ohne die und ein uneingeschränktes Engagement wäre es schwierig, die Aufgabe einer Beigeordneten auszufüllen, die für ein Dezernat mit 13 Ämtern zuständig ist. Aber zugegeben: Es gibt Tage, an denen die Arbeit mehr Freude bereitet als an anderen. Keinen Spaß macht es mir, im Rahmen meines Verantwortungsbereichs Anträge und Wünsche von Bürgern ablehnen zu müssen, weil sie rechtlich unerfüllbar oder nicht bezahlbar sind. Zwar kann es niemand allen und möglichst noch gleichzeitig recht machen, in meinem Dezernat schon gar nicht. Aber mein Auftrag ist es nicht, einen Wettbewerb um die größten persönlichen Sympathiewerte zu gewinnen. Mir reicht es aus, über eine klare Haltung definiert zu werden.

Was war für Sie persönlich das schönste berufliche Ereignis in der ersten Hälfte Ihrer Amtszeit und warum?

Schwer zu sagen, aber es war zum Beispiel für meine Mitarbeiter im Gebäudemanagement und mich sehr schön, zwei Wettbewerbe auf Bundesebene zu gewinnen. Die mehr als zwei Millionen Euro an Preisgeldern konnten wir für die energetische Sanierung städtischer Verwaltungsgebäude und Schulen einsetzen. Froh war ich, als wir uns in einem europäischen Wettbewerb gegen Mitbewerber aus ganz Europa mit der Idee einer Energieagentur für eine ganze Region durchsetzen konnten. Mit dem Preis, einem hohen Förderbetrag, konnte die Energieagentur ins Leben gerufen werden.

Welche Eckpunkte muss das künftige Mobilitätskonzept der Stadt Trier auf jeden Fall enthalten?

Ich erwarte, dass das Mobilitätskonzept praktikable Vorschläge für die Lösung der Trierer Verkehrsprobleme aufzeigt, keine hochfliegenden Idealvorstellungen, sondern umsetzbare und bezahlbare Lösungsansätze, die das Radwegenetz, ergänzende Busspuren, ein sicheres Fußwegenetz betreffen. Diese beispielhaften Hinweise sind Teile der umfassenden Aufgabe, die Probleme angesichts weiter steigender Verkehrsdichte in unserer Stadt befriedigend lösen zu können.

Thema Erreichbarkeit der Stadt. Die drohende Sperrung der B 51 wegen der unaufschiebbaren Sanierung der Napoleonsbrücke beunruhigt viele Trierer. Vor allem auch der Einzelhandel befürchtet Umsatzeinbußen. Wie sehen die Planungen aus?

Ja, diese Baumaßnahme macht auch mir Kopfzerbrechen. Einen Tod müssen wir schließlich sterben, will sagen, wir werden es nicht allen recht machen können. Neben dem Einzelhandel haben bereits die Hoteliers, die FH, Anwohner, der Kreis Trier-Saarburg, IHK und Hwk, Wünsche angemeldet und Befürchtungen geäußert. Die Wünsche haben, was nicht wundert, sehr unterschiedliche Zielrichtungen. Wir werden das alles prüfen und strukturieren und uns bemühen, die Baumaßnahme mit den geringst möglichen Einschränkungen für alle abzuwickeln. Aber ich rede nicht drum herum: Es wird sehr schwierig für alle.
Gegenwärtig laufen die Abstimmungen mit den Versorgungsträgern, die Möglichkeiten des Felsabtrags werden überprüft, Verkehrs- und Umleitungskonzepte entwickelt. Unmittelbar nach der Sommerpause wird es eine Info-Veranstaltung geben, auf der wir das Projekt in seinen Einzelheiten vorstellen und erörtern und über den Sachstand informieren wollen.

Welche Bedeutung hat das Konversionsprojekt Castelnau für den Stadtteil Feyen/Weismark und für die gesamte Stadt?

Mit der Freigabe der Konversionsfläche besteht die Chance, eine Trennung im Siedlungsgefüge der Stadt zu beseitigen und dem Stadtteil Feyen/Weismark eine Entwicklungsmöglichkeit zu eröffnen, die es so seit Jahrzehnten nicht gegeben hat. Für die Stadt bedeutet dies, ein Gelände wieder in Besitz nehmen zu können und es für die Schaffung von Wohnraum und der notwendigen Infrastruktur mit Kindergarten, Nahversorgung und Naherholungsbereichen im Siedlungsraum entwickeln zu können. Ich setze auf eine intensive Bürgerbeteiligung, die wir mit den Castelnauer Gesprächen schon eingeleitet haben.

Wie beurteilen Sie die Stadtentwicklung in Trier-West? Zeichnet sich eine Lösung für das Eisenbahnausbesserungswerk ab?

Mit Trier-West sprechen Sie eine Aufgabe an, die für mich von hoher Bedeutung ist und wegweisend für eine gleichmäßig positive Entwicklung  aller Trierer Stadtteile sein kann. Schon in meinem ersten Amtsjahr habe ich mich darüber gefreut, dass der Stadtrat damals meinem Vorschlag gefolgt ist, Geld für die Entwicklung von Trier-West bereit zu stellen. Daraufhin konnte der Masterplan erstellt werden. Mit dem neuen Eigentümer einer großen Fläche in Trier-West, der EGP, haben wir einen Partner gefunden, der mit Ideenreichtum überzeugt und die Bereitschaft mitbringt, bei seinen Entwicklungsvorstellungen für Trier-West die Stadt als Ganzes zu verstehen. Selbstverständlich muss auch die EGP wirtschaftlich arbeiten. Mit dem Alteigentümer des Ausbesserungswerkes laufen die Gespräche positiv. Die Aufgabe ist, eine verträgliche Entwicklung für das schöne, alte Ausbesserungswerk zu finden, die vom Eigentümer mitgetragen wird und gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung des Stadtteils befördert. Die Städtebaufördermittel des Landes und des Bundes sind erheblich reduziert worden. Die Umwandlung einer Industriebrache, ohnehin ein hartes Stück Arbeit, ist so nicht einfacher geworden.

Welches Projekt liegt Ihnen aktuell besonders am Herzen?

Bürgerinnen und Bürger können durchaus von ihrer Stadt, von den Verantwortlichen im Stadtrat und Stadtvorstand erwarten, dass Visionen entwickelt werden oder – bescheidener ausgedrückt – dass vorausschauend für die kommenden Jahre gedacht und geplant wird. Vor allem wollen die Menschen zunächst einmal das Nächstliegende: Zum Beispiel muss die Unterhaltung von Stra-ßen, Brücken und Bauwerken unbedingte Priorität haben, wenn wir nicht in wenigen Jahren ein Desaster erleben wollen. Wünschbar ist Vieles. Aber kein noch so guter Wille führt an der Tatsache vorbei, dass alles auch bezahlt werden muss. Es bleibt für mich also nur die Möglichkeit, Prioritäten zu setzen. Ich kann Vorschläge erarbeiten, entscheiden muss der Rat.

Welche Leitlinien werden Ihre Arbeit in den kommenden vier Jahren begleiten?

Es ist wichtig, ungenutzte Potenziale in der Stadt zu aktivieren. Einen hohen Stellenwert messe ich einer hohen Qualität bei der weiteren Entwicklung in allen Teilen der Stadt zu. Nur so ist Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung zu gewährleisten. Wie meine Vorgänger empfinde auch ich es als Auszeichnung, dabei mitzuhelfen. Ich sehe es als meine Pflicht, ehrlichen und fachlich begründeten Rat zu geben und da, wo ich zu entscheiden habe, Recht und Gesetz, Qualität, Offenheit und die gleiche Behandlung gleicher Dinge zum Maßstab zu machen. Nur das trägt langfristig und kann Fundament für die künftige Entwicklung sein.

Das Gespräch führte Ralf Frühauf