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14.06.2011

Kissen unter dem Rock

Petra Gumprecht drapiert ihr Kleid für die Präsentation am Eingang zum Textilkabinett. Foto:?Stadtmuseum
Petra Gumprecht drapiert ihr Kleid für die Präsentation am Eingang zum Textilkabinett. Foto:?Stadtmuseum
Zu den herausragenden Exponaten der Textilsammlung im Stadtmuseum Simeonstift zählt ein dreiteiliger Galaanzug aus der Zeit um 1770, der einst dem Trierer Bürgermeister Carl Gottbill (1731–1799) gehörte. Die Modedesignstudentin Petra Gumprecht hat nach historischen Vorlagen ein Kleid geschneidert, das zeitlich und modisch das Pendant zu diesem Galaanzug bildet. Das Kleid war ihre Abschlussarbeit an der Fachhochschule Trier und dient nun als Blickfang am Eingang des Textilkabinetts.

„Gottbills Anzug wurde für mich zum Anlass einer Reise in die spätbarocke Geschichte Triers, seiner Bürger und deren Alltag“, berichtet Petra Gumprecht. Intensiv beschäftigte sie sich mit der damaligen Mode, ihrer Schnittform, ihren Stoffen und den Verarbeitungstechniken. Zudem trieb sie die Frage um, was ein Kleidungsstück über das gesellschaftliche Ansehen seines Trägers verrät. „Vor allem die Damenmode des 18. Jahrhunderts hatte es mir angetan.“ Und da von Gottbill ein so prächtiger Anzug erhalten war, überlegte sie, was wohl seine Gemahlin Catharina Doell (1734-1798) an seiner Seite stehend trug.

Gumprechts Kleid besteht der damaligen Mode entsprechend aus einem bodenlangen, am Saum mit Rüschenformen verzierten Rock und einem ebenfalls bodenlangen Oberkleid, das wie ein Mantel über dem Rock getragen wurde. Beide Kleidungsstücke sind aus hellblauem Seidensatin gefertigt. Für eine beeindruckend ausgreifende Silhouette trug die feine Dame Ende des 18. Jahrhunderts ein Kissen unter dem Rock, das man sich um die Hüfte band und das den Po- und Hüftbereich aufpolsterte.

Doch nicht nur Schnitt und Farbe des Kleides wurden der Zeit entsprechend ausgewählt: Gumprecht nähte es auch nach den damaligen technischen Möglichkeiten – also mit der Hand. So entstand in mühsamer Detailarbeit eine historisch korrekte Replik.

Das Kleid vermittelt jetzt sehr anschaulich, was modebewusste, wohlhabende Frauen wie Catharina Doell um 1770 zu feierlichen Anlässen trugen. Solche Eindrücke konnten im Stadtmuseum Simeonstift bislang nur anhand von Gemälden gewonnen werden.