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01.07.2008

Innovative Wege für Trierer Schulen gesucht

Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink.
Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink.
„Alles Tun in der Schule muss auf die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet sein.“ Die 43 Mitglieder des Runden Tisches, die mehr als zwei Jahre an einem zukunftsweisenden Konzept für die Schulentwicklung in Trier gearbeitet haben, räumen diesem Ziel in ihrem Prioritätenkatalog den ersten Rang ein. Insgesamt 44 Ziele für optimale Schulen und Lernbedingungen sind formuliert. Auf der Grundlage der Arbeit des Runden Tischs hat die Stadt einen Entwurf des „Schulentwicklungskonzeptes Trier 2020+“ veröffentlicht.

Dieses Arbeitspapier soll jetzt in einem ausführlichen Beratungsprozess mit allen Betroffenen erörtert werden und letztlich Entscheidungsgrundlage für einen Stadtratsbeschluss sein. Die Rathaus Zeitung sprach mit dem Beigeordneten und Schuldezernenten Ulrich Holkenbrink über die erstrebte Gesamtstrategie für die Trierer Schullandschaft.

RaZ: Das Schulentwicklungskonzept wurde 2005 vom Rat in Auftrag gegeben und Sie sowie das Amt für Stadtentwicklung und Statistik mit der Erstellung beauftragt. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Punkte dieses Ratsbeschlusses?

Holkenbrink: Der Stadtrat hat die Erarbeitung eines ganzheitlichen Konzeptes befürwortet und einstimmig angenommen. Über die Aufgaben
der Schulträgerin Stadt Trier hinausgehend werden auch Aufgaben anderer Träger angesprochen werden und sollen zu einer ganzheitlichen Lösung geführt werden. Die Lehrinhalte sind aus unserer Sicht nicht getrennt von den Infrastruktur- und Gebäudemaßnahmen zu sehen. Deshalb ist dieser ganzheitliche Ansatz richtig.
Ein weiterer Aspekt ist, dass mit dem Ratsbeschluss auf Vorschlag der Verwaltung ein Runder Tisch eingerichtet wurde, in dem die Schulen, die Fraktionen, die IHK und Hwk und andere Akteure vertreten sind, die sich mit ihrem spezifischen Wissen und ihren Interessen von Anbeginn in die Erarbeitung des Prozesses eingebracht haben. Somit ist die Grundlage zur Erstellung des Schulentwicklungskonzeptes keine Arbeit der Verwaltung, sondern eine kooperative Zusammenarbeit zwischen den genannten Institutionen.
Es ist auch wichtig, dass der Runde Tisch weiter existiert, wenn es um die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Schulentwicklungskonzept ab 2009 gehen wird. In diesem Zusammenhang wäre es mir wichtig, dass die Trierer ADD, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion – als kompetente Landesbehörde – wieder an den Runden Tisch zurückkehren würde.

RaZ: Zwischenzeitlich wurde von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisiert, dass das Schulentwicklungskonzept nicht von Ihnen, sondern vom Amt für Stadtentwicklung und Statistik gemacht wird.
 
Holkenbrink: Mit dem Ratsbeschluss wurde der Vorsitz des Runden Tisches, der das Schulentwicklungskonzept grundlegend bearbeiten soll, an mich übertragen. Ich habe diese Funktion gerne wahrgenommen. Da es sich um ein ganzheitliches Konzept handelt, das wesentlich auch im Rahmen der gesamten Stadtentwicklung bearbeitet werden muss, hat Dr. Johannes Weinand – als Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik – die Geschäftsführung übernommen. Die Zusammenarbeit war vortrefflich. Wir haben uns als Team in den Runden Tisch eingebracht. Alle inhaltlichen Bearbeitungen, die Dr. Weinand im Amt auf der Grundlage der Arbeiten des Runden Tisches aufgenommen hat, sind mit mir intensiv besprochen und abgestimmt gewesen. Insoweit ist es nicht angebracht, hier Positionen aufzuarbeiten, der eine hat das, der andere hat dies gemacht, sondern es muss die Teamarbeit in Gänze gesehen werden.

RaZ: Was sind  die wichtigsten Ergebnisse, die bisher erzielt werden konnten?

Holkenbrink: Als erste Ebene möchte ich hervorheben, dass es die Akteure des Runden Tisches geschafft haben, ein Ziel- und Maßnahmenkonzept zu entwickeln, das aufzeigt, wie kurz-, mittel- und langfristig die Schulentwicklung zielorientiert gestaltet werden kann. Die Maßnahmen sind gemeinsam entsprechend der Zielsetzungen ausgerichtet und hierunter besonders bedeutsame sogenannte Leitprojekte begründet worden.
Ein solches Ziel- und Maßnahmenkonzept lag bisher in Trier nicht vor. In den letzten 25 Jahren ist uns dies nicht gelungen. Umso erfreulicher ist es nun, dass der Runde Tisch diese wichtigen Arbeitsschritte in intensiven Sitzungen erarbeitet hat und damit die Grundlage für die Verwaltung geschaffen wurde, den jetzt vorliegenden Konzeptentwurf zu erstellen.

RaZ: Können Sie die wesentlichen Inhalte dieses Entwurfs darstellen?

Holkenbrink: Der Entwurf ist aufgebaut auf die Ziele und Maßnahmen, die der Runde Tisch erarbeitet hat, und versucht, die wichtigsten Vorhaben, die sogenannten Leitprojekte, in diesem Gesamtkontext zu konkretisieren. Wichtig ist, dass wir die einzelnen Schularten jeweils für sich analysiert und wesentliche Grundelemente herausgearbeitet haben. Ich möchte beispielhaft nur nennen, dass die Einrichtung von sogenannten Grundschulverbünden vorgeschlagen wird. Das heißt, in fünf Grundschulverbünden sollen jeweils vier bis fünf Grundschulen zusammengefasst werden, die für sich und im Verbund abgestimmte inhaltliche Entwicklungsprogramme erarbeiten.
Auf dieser Grundlage sollen an-schließend die Budgetmittel der Stadt (unter Umständen auch die des Landes) in die Eigenverantwortlichkeit der Schulen gegeben werden. Darüber hinaus sollen für die Managementaufgaben der Schulen im Grundschulverbund Verwaltungsdirektoren bereitgestellt werden. Gleiche Vorgehensweisen der inhaltlichen Programmierung und Ausrichtung der Schulen innerhalb, aber auch zwischen den verschiedenen Schularten führen immer wieder zu diesen Instrumenten und vergleichbaren Einrichtungen von Verbünden, der Überlassung der Budgethoheit und der Einrichtung von Verwaltungsdirektoren.
Wir wissen genau, dass wir diese Vorgehensweise nicht sofort in allen Schulen realisieren können. Uns schwebt vor, dass wir über so genannte Modellprojekte, ich denke hier jeweils an eines je Schulart, austesten, welche Vor- und Nachteile mit der Umsetzung dieser Maßnahmen verbunden sind und diese nach einer Laufzeit von zwei bis drei Jahren evaluieren. Die Evaluierung wird dazu führen, die Übertragbarkeit auf die anderen Schularten zu klären. Ich freue mich auf diese neue Art der Modernisierung und das innovative Umgehen mit Inhalten innerhalb der Schulen.

RaZ: Wo wird es im Hinblick auf die Verwaltungstätigkeit wesentliche innovative neue Aspekte geben?

Holkenbrink: Innerhalb der Verwaltung sehe ich dies vorwiegend in der Organisationsstruktur. Es ist deutlich geworden, dass wir mit dem Schulverwaltungsamt eine mehr verwaltende und operative Einheit haben, die als Dienstleister für die Schulen bereitsteht. Die strategische Schulentwicklung ist dort bisher keine Aufgabe gewesen.
Langfristig stelle ich mir vor, dass in Zusammenarbeit mit dem Amt dort Kapazitäten aufgebaut werden, die diese strategische Schulentwicklung übernehmen. Wir müssen aber auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit dem Kreis Trier-Saarburg neue verwaltungsmäßige Wege gehen. So schwebt uns die Einrichtung eines kommunalen Zweckverbandes Schulen TriSab vor, in dem wir in direkter Abstimmung mit dem Landkreis eine gemeinsame und zukunftsorientierte Schulentwicklung betreiben. Die Gespräche hierzu nehmen wir nach der Sommerpause auf. Darüber hinaus sollte der Runde Tisch auch für die Umsetzung des Schulentwicklungskonzeptes weiterhin tätig sein und zu diesem Zweck ausgebaut werden. Wir stellen uns vor, dass wir ihn als Verein organisieren, so dass er eine eigene formale Struktur erhält und sich entsprechend positionieren kann. Aus den laufenden Arbeiten des Schulentwicklungskonzeptes haben wir mit den Schulelternvertretungen in drei Sitzungen die Grundlagen zur Einrichtung eines Schulelternbeirates geschaffen. Wir werden nach der Sommerpause den Entwurf der Satzung abschließend besprechen. Ich gehe davon aus, dass noch in diesem Jahr der Elternbeirat für alle Schulen auf der städtischen Ebene Realität wird.

RaZ: Der Konzeptentwurf hat unter den vielen inhaltlichen Aspekten auch das Thema Schulschließungen aufgegriffen. Wie stehen Sie dazu?

Holkenbrink: Ich sehe die große Gefahr, dass die vielen guten Inhalte des Schulentwicklungskonzepts auf die Frage der Schulschließungen reduziert werden könnte. Dies wäre fatal und falsch. Richtig ist, dass wir vor allem bei den Grund- und Hauptschulen bereits heute und in Zukunft besonders starke Rückgänge der Schülerzahlen verzeichnen, beziehungsweise haben werden. Bereits heute gibt es viele Schulen, die eine Auslastung von circa 25 Prozent haben und die in Zukunft – wir haben die Zahlen bis 2017 vorausgeschätzt – unter 20 Prozent fallen werden. Das heißt, wir haben Grund- und Hauptschulen, die bis zu 80 Prozent nicht schulisch genutzt werden. Darüber hinaus – jedoch nicht als vorrangiges Argument – muss Trier bei den Schulen bis 2020 mit rund 220 Millionen Euro und bis 2025 mit bis zu 270 Millionen Euro Gesamtkosten rechnen. Hiervon werden bis 2020 circa 70 Millionen Euro als neue Kredite aufzunehmen sein.
Diese beiden Entwicklungen ­­­– Schülerzahlen und Finanzen – sind so in Einklang zu bringen, dass eine qualitative Weiterentwicklung der Schulen das Ergebnis ist. Deshalb ist es nur logisch gewesen, dass nach Vorstellung der Fakten im Sommer 2007 sowohl der Ältestenrat als auch der Runde Tisch uns beauftragten, die Schlie-ßung von etwa fünf beziehungsweise maximal neun Schulen zu prüfen. Der Prüfauftrag hat ergeben, dass selbst wenn wir alle in Frage kommenden neun Schulen schließen, weiterhin eine Finanzierungslücke von rund 15 bis 18 Millionen Euro besteht. Wichtig ist, dass der Runde Tisch die Bedingung definiert hat, dass mögliche Einnahmen aus Veräußerungen und Kosteneinsparungen der Bewirtschaftung wieder 1:1 in den Schulhaushalt fließen und dort zur Verbesserung in den verbleibenden Schulen führen muss. Ansonsten sind Schulschließungen – und dies möchte ich ausdrücklich betonen – in Trier kein Thema.
Darüber hinaus müssen wir jedoch mit der Umsetzung der vom Land vorgegebenen Realschule plus die Zusammenführung von Real- und Hauptschulen klären. In diesem Kontext wird es absehbar zu Schul-schließungen kommen können. Ich möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Schließungen nur einen Bruchteil des vorliegenden Entwurfs zum Schulentwicklungskonzept ausmachen und es nicht auf dieses Thema reduziert werden darf.