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27.10.2009

Immer der Nase nach

Bevor der Feldversuch startet, wird im Labor mit Hilfe eines Olfaktometers die Geruchsempfindlichkeit der Testpersonen ermittelt.Foto: IMA
Bevor der Feldversuch startet, wird im Labor mit Hilfe eines Olfaktometers die Geruchsempfindlichkeit der Testpersonen ermittelt.Foto: IMA
Werner-Jürgen Kost steht an einer Straßenecke und atmet zweimal tief durch die Nase ein. Die Stoppuhr in seiner Hand gibt alle zehn Sekunden einen Piepston von sich. In diesem Moment markiert er das Formular auf seinem Klemmbrett mit einem Kürzel: je nach Sinneseindruck ein V für Verkehrsabgase, ein G für Gerbereigeruch, ein K für Küchendünste, ein H für Hausbrandrauch oder ein N für Düfte der Natur. Meist liegt jedoch nichts besonderes in der Luft, in diesem Fall genügt ein Querstrich. Dann wieder: Einatmen, Pieps, Eintrag. Insgesamt zehn Minuten lang.

Überlegenes Sinnesorgan

„Für die Erfassung und Messung von Gerüchen gibt es kein feineres Instrument als die menschliche Nase“, sagt Kost. Der Meteorologe leitet ein Ingenieurbüro in Stuttgart, das sich auf Immissions-Gutachten spezialisiert hat. Immer wenn Gewerbe- und Wohngebiete in direkter Nachbarschaft aufeinander treffen, sind solche Gutachten erforderlich. In der Regel geht es dabei um Lärm und Luftverschmutzung. Manchmal aber auch um Gerüche, wie zum Beispiel im Viertel zwischen Stadtbad und A.R.T.-Betriebshof in Trier-Süd. Für das Gebiet wurde ein Bebauungsplan mit dem Ziel eines innerstädtischen Wohngebiets aufgestellt. Allerdings befindet sich in dem Viertel bereits seit dem 19. Jahrhundert eine Lederwarenfabrik, in der Rinderhäute zu Schuhsohlen verarbeitet werden. Das traditionell geruchsintensive Gerbergewerbe könnte sich als problematisch für das geplante Wohngebiet erweisen.

Um herauszufinden, wie stark die Belastung tatsächlich ist, hat das Stadtplanungsamt bei Werner-Jürgen Kost ein Geruchsgutachten in Auftrag
gegeben. Statt hoch empfindlicher Messgeräte stehen beim Thema Riechen immer noch der Mensch und sein Sinnesorgan im Mittelpunkt. Zunächst müssen geeignete Testpersonen gefunden werden. „Besonders feine Nasen, wie sie zum Beispiel bei der Parfum- oder Teeherstellung benötigt werden, sind hier gar nicht gefragt“, erklärt Kost. Gesucht wird vielmehr die „Otto-Normal-Nase“. Dazu müssen die Probanden in einem Labortest Düfte erschnuppern, die mit Hilfe eines „Olfaktometers“ mehr oder weniger stark verdünnt werden. So kann die Geruchsempfindlichkeit der Testpersonen ermittelt werden.

Die Daten für das Geruchsgutachten werden nach einem ausgeklügelten System erfasst. Vorab wurden im Gerberviertel 96 Standorte festgelegt, die die zehn Probanden an allen Wochentagen und zu allen Tages- und Nachtzeiten aufsuchen. Dort gehen sie nach der beschriebenen Methode vor und tragen ihr Schnupperergebnis in ein Formular ein. So entsteht im Lauf der Zeit ein sehr engmaschiges Datennetz, in das auch die jeweils vorherrschende Windrichtung einfließt. Häuft sich ein bestimmter Geruch an einem Messpunkt, sprechen die Experten von einer „Geruchsstunde“. Die Anzahl der Geruchsstunden wiederum darf einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten, wobei für Wohnviertel strengere Maßstäbe gelten als für ein Gewerbe- oder Mischgebiet.

Geruchsstunde

„Mit etwas Übung kann man Geruchsbändern bis zu ihrer Quelle folgen, ähnlich wie Patrick Süskinds berühmte Romanfigur Grenouille“, sagt Werner-Jürgen Kost. Im nächsten Moment weht ein beißender Geruch nach totem Tier um die Ecke. Dessen Quelle ist eindeutig die nur 50 Meter entfernte Gerberei. Kost notiert ein G. Doch schon nach wenigen Momenten ist die Luft wieder rein und bleibt es auch für die nächsten Minuten. Insgesamt zählt das nicht als Geruchsstunde.
  • Der Bebauungsplan für das Gerberviertel (BS 41 „Zwischen Löwenbrückener Straße und Südallee“) wird am Donnerstag, 12. November, 19 Uhr, in der Kantine des Polizeipräsidiums Trier, Südallee 3, im Rahmen einer frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung vorgestellt.