Sprungmarken
09.08.2011

Hör mal wer da hämmert

Mit Hammer und Nagel befestigen diese Jungs Holzlatten auf dem Dach der „Tufatopolis“-Bar. Das Werkzeug und Material wird den Kindern zur Verfügung gestellt. Was und wie gebaut wird, bestimmen die kleinen Baumeister selbst.
Mit Hammer und Nagel befestigen diese Jungs Holzlatten auf dem Dach der „Tufatopolis“-Bar. Das Werkzeug und Material wird den Kindern zur Verfügung gestellt. Was und wie gebaut wird, bestimmen die kleinen Baumeister selbst.
Holz sägen, Latten zusammennageln oder mit Lehm herumpanschen: Auf der Kunstbaustelle „Tufatopolis“ der Tuchfabrik dürfen sich Kinder nach Herzenslust handwerklich austoben – abseits aller Regeln und vorgefertigten pädagogischen Richtlinien.

Klatsch, bing, klirr, zack, ritsch, boing – wer in den vergangenen 14 Tagen am Gelände hinter der Tufa vorbeiging, den dürften die dort erzeugten Geräusche eher an das lautmalerische Kampfgetümmel eines Batman-Comics erinnert haben als an einen Ferienfreizeitkurs für Kinder. Doch das in Anlehnung an Fritz Langs Film „Metropolis“ getaufte Programm „Tufatopolis“ ist kein gewöhnliches Betreuungsangebot. Vielmehr wird das Areal als „Kreativbaustelle“ ohne strikte Regeln verstanden, auf demrKinder von neun bis 14 Jahre ihre eigene Stadt aus Holz, Pappe, Blech und Stroh zusammenbauen können.

„Bei allem sind die Kinder die Baumeister. Wir lassen sie das machen, wozu sie Lust haben. Sie kommen mit den Ideen und können alles so entwickeln, wie sie sich das vorstellen“, erläutert der bildende Künstler und Betreuer Laas Koehler das Konzept. So findet sich in der Stadt beispielsweise eine Backstube, eine Bar und sogar eine Tourist-Information. „Wir haben auch mehrere Polizeistationen. Das Sicherheitsbedürfnis scheint besonders groß zu sein“, sagt Koehler schmunzelnd.

Neben Koehler kümmern sich noch drei weitere Künstler, eine Praktikantin und zwei ältere Jugendliche um die rund 30 Kinder. Das Betreuerteam ist für die kleinen Triererinnen und Trierer als Ansprechpartner immer präsent und hilft beim Bau der Hütten, hält sich aber sonst eher im Hintergrund.

Dass überwiegend Künstler die Baustelle betreuen, ist Teil des Konzepts und ermöglicht ein offenes Miteinander. „Das Gute ist, dass hier der eigene Wille im Vordergrund steht. Es geht ja auch darum, dass die Kinder selbstständig und frei arbeiten und entscheiden können. Zuviel Pädagogik würde den Prozess stören. Die Kinder setzen sich im Grunde selber ihre Lernziele“, verdeutlicht der freischaffende Künstler Sebastian Böhm, der mit einigen Jungs gerade das Dach der Bar ausbessert.

„Schmutzig machen gehört dazu“

Dass sich beim Werkeln auch mal ein Kind mit dem Hammer auf den Daumen haut oder sich einen Holzsplitter einfängt, bleibt nicht aus, aber „hier geht es schließlich nicht um eine heile Welt, sondern um das Leben. Schmutzig machen gehört nun mal dazu und hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgendwo“, betont Koehler. Dafür lernen die Kinder bei „Tufatopolis“, Gefahren zu erkennen und einzuschätzen, verantwortlich zu handeln und Kompromisse einzugehen – untereinander oder in Bezug auf das nur begrenzt zur Verfügung stehende Baumaterial.  „Kinder sehen das aber ziemlich pragmatisch: Was da ist, ist da und was nicht da ist, fehlt auch nicht“, erzählt Koehler und fügt hinzu: „Es ist unglaublich interessant zu sehen, wie viel Initiative die Kinder zeigen. Sie motivieren und inspirieren sich gegenseitig. Wenn der eine etwas gebaut hat, bringt das den anderen auf Ideen, die er vorher gar nicht gehabt hätte.“

Mit dem Erfolg von „Tufatopolis“ hatte anfangs niemand gerechnet. Als 2010 im Rahmen des 25-jährigen Bestehens der Tufa mit dem Projekt begonnen wurde – das damals noch als ein kleines Land samt König unter dem Namen „Tufatopia“ lief – war der von der Stadt zur Verfügung gestellte Platz noch eine Brachlandschaft. Binnen kürzester Zeit entstanden auf dem Gelände zahlreiche Holzbauten. „Die Resonanz der Kinder war überwältigend. Wir mussten praktisch weitermachen“, sagt Koehler lachend.

Schulkinder können deshalb wöchentlich immer freitags von 15 bis 18 Uhr in „Tufatopolis“ den Hammer schwingen. In den Kosten von fünf Euro pro Besuch sind Betreuung, Werkzeug, Material und die Getränke inklusive. Von Seiten der Tuchfabrik ist angedacht, das Projekt in den kommenden Herbstferien wieder täglich anzubieten. Ob und wann „Tufatopolis“ stattfindet, steht allerdings noch nicht fest.