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23.01.2007

Hexenjagd auf einen Außenseiter

„Mini-Andorra“: Lange bevor das Stück auf der Trierer Bühne ins Szene gesetzt wird, haben die Mitarbeiter bereits das Bühnenbild im Kleinformat gebaut.
„Mini-Andorra“: Lange bevor das Stück auf der Trierer Bühne ins Szene gesetzt wird, haben die Mitarbeiter bereits das Bühnenbild im Kleinformat gebaut.
Andri ist Jude – zumindest glauben das die Einwohner des fiktiven Städtchens „Andorra“. Aufgrund seiner vermeintlichen Abstammung wird der junge Mann mit Vorurteilen konfrontiert, abgelehnt und stigmatisiert. Es beginnt eine Hetzjagd, die tragisch endet. Das Schicksal von Andri steht im Mittelpunkt des Dramas „Andorra“ von Max Frisch, das 1961 am Züricher Schauspielhaus uraufgeführt wurde und bis heute ein zeitloser Klassiker auf den Bühnen ist. Am Sonntag, 28. Januar, feiert „Andorra“ um 19.30 Uhr im Großen Haus des Trierer Theaters Premiere.
 
Angst vor den „Schwarzen“

Der Lehrer Can (Peter Singer) täuscht seinen Mitbürgern vor, sein Sohn Andri (Enrico Spohn) sei ein jüdisches Pflegekind, das er aus dem Nachbarstaat der „Schwarzen“ vor der Verfolgung gerettet habe. In Wahrheit ist Andri aber sein leiblicher Sohn, der aus der außerehelichen Verbindung mit einer „Schwarzen“ stammt.
Die „Schwarzen“ werden von Frisch als ein mächtiges Nachbarvolk beschrieben, das Juden umbringt. Aber auch die patriotischen Andorraner haben eine Vielzahl antisemitischer Vorurteile, mit denen sie Andri tagtäglich begegnen. Als ein Mord geschieht, hat man den Schuldigen schnell gefunden, und die Massenpsychose
eines ganzen Volkes setzt ein.

Feige Einwohner im Zeugenstand

Das Werk zeigt unter anderem den Prozess einer Bewusstseinsveränderung. Andri wird solange eingeredet, er sei Jude, bis er selbst daran glaubt. Unter dem Druck seiner sozialen Umwelt prüft er sich ständig selbst und passt sich immer mehr an die Erwartungen an. Außerdem handelt das Drama von Feigheit: Andris Landsleute, die tatenlos zusehen, wie der junge Mann ermordet wird, rechtfertigen sich im Zeugenstand damit, die Wahrheit über seine Identität zu spät erfahren zu haben.

Max Frisch zeichnet in seinem Stück eine Gesellschaft, deren Weltbild sich aus Intoleranz und Klischees zusammensetzt. Horst Ruprecht, der in der vergangenen Spielzeit die Erfolgsproduktion „Der Besuch der alten Dame“ in Trier in Szene setzte, zeigt in seiner Inszenierung von „Andorra“, wohin Diskriminierung, Vorurteile und Stereotype in einer Gesellschaft führen können.