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06.09.2022

Grammatellus pro iuvenum eruditione

Kolriertes Titelblatt einer Ausgabe des Grammatellus mit Proträt eines Magisters
Das Titelblatt (Inc 210‘ 8°, Nr. 3.) mit dem Magister- Porträt. Es entstand um 1490. Abbildung: Wissenschaftliche Bibliothek/Anja Runkel

In der RaZ-Serie zur Landesausstellung wird heute ein kurioses Objekt der ergänzenden Sonderausstellung „Das Fortwirken Roms in der Bildungsgeschichte des Mittelalters“ in der Schatzkammer vorgestellt: Der „Grammatellus pro iuvenum eruditione“ ist eine kleine Schrift, die man auch als lateinische Minimalgrammatik bezeichnen könnte.

Das lateinische Wort „Grammatellus“ bedeutet „junger Schüler“. Als Bezeichnung für eine bestimmte Literaturform ist ein Übungsbuch zur Erlernung des Lateinischen gemeint. Genauer gesagt, geht es um das gesprochene Latein. Ein solches Werk bewegt sich im Grenzraum von Minimalgrammatik, Konversationsbuch und Spruchsammlung. Die kurzen Texte bestehen meist aus einzelnen Sätzen, kleinen Briefen oder Beschreibungen von Alltagsgegenständen. Den lateinischen Passagen sind deutsche Übersetzungen beigefügt. Das Erlernen der lateinischen Sprache war damit nach dem Prinzip Wort für Wort möglich. Der „Grammatellus“ sollte den Schülern auf einfache, theoriefreie Art Grundkenntnisse zur Unterhaltung in Latein zu vermitteln. Er ist eine Art „Vademecum“ des schlichten Alltagslateins und verzichtet auf gelehrte Bezugnahmen jeglicher Art. Weder die Dichter der Antike noch die Autoren des Humanismus werden zitiert. Die Entstehung des Textes wird in die vor-humanistische Zeit von 1480 datiert.

Erstdruck um 1478

Die erste gedruckte Ausgabe des „Grammatellus“ erschien vermutlich 1478 in Mainz. Als Drucker nimmt man Peter Schöffer an, den Mitarbeiter und Werkstattnachfolger Johannes Gutenbergs. Dies ist ein Hinweis auf die Wertschätzung, die man dem kleinen Werk entgegenbrachte. Bis zum Ende des frühen Buchdrucks (1500) entstanden insgesamt 19 Auflagen – ein deutlicher Beweis für die große Beliebtheit des „Grammatellus“. Die letzte Drucklegung war 1520, vermutlich bedingt durch Veränderungen in der Didaktik des Fremdsprachenunterrichts. Das in der ergänzenden Schau zur Landesausstellung zu sehende Exemplar des „Grammatellus“ stammt aus dem Kloster der Fraterherren in Trier. Sie betrieben eine Lateinschule, die sich über Jahrhunderte halten konnte.

Das kolorierte Titelblatt (Bild rechts) zeigt einen Magister, der den Acker der Lehre durchwandert. Von Hand eingetragene Spottverse zeigen, dass er offenbar keinen leichten Stand hatte. Es finden sich Eintragungen in Latein, Griechisch und Deutsch. Der Spruch in deutscher Sprache lautet: „Narrenhend beschissen alle Wendt.“