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22.09.2009

Familienkompetenz aufwerten

Information und Kontaktpflege: Die Infostände im Foyer des Palais Walderdorff waren in den Pausen der Tagung gut besucht.
Information und Kontaktpflege: Die Infostände im Foyer des Palais Walderdorff waren in den Pausen der Tagung gut besucht.
„Leider sind durch Familienarbeit erworbene Kompetenzen noch nicht genügend gesellschaftlich anerkannt. Dabei sind etwa Beharrungsvermögen, Organisationstalent und Durchsetzungsfähigkeit sehr wichtig im Berufsalltag.“ Mit einem Plädoyer, Müttern und Vätern bei der Rückkehr in den Beruf eine faire Chance zu geben, eröffnete OB Klaus Jensen den Infotag zum Wiedereinstieg in den Beruf. Die Veranstaltung unter dem Motto „Frauen können mehr, Väter auch!“ hatten die Trierer Frauenbeauftragte Angelika Winter, Claudia Manger, Beauftragte für Chancengleichheit bei der Agentur für Arbeit, und Gisela Sauer (Bildungs- und Medienzentrum) organisiert.
 
Unterstützung bei der Pflege

Im Blickpunkt standen praktische Hilfen, damit Mütter und Väter die Rückkehr in den Beruf selbstbewusst angehen können, und ermutigende Beispiele für die gewandelte Rollenverteilung in den Familien. Dabei muss, so Jensen, neben der Kindererziehung die Pflege betreuungsbedürftiger Angehörige stärker ins Blickfeld rücken. Zudem müssten die Kommunen eine bedarfsgerechte Versorgung mit Kita-Plätzen und ein leistungsfähiges Netz an Beratungsstellen sicherstellen. Sonst würden viele Bemühungen der Arbeitgeber zugunsten der Familien ins Leere laufen. Für Wolfram Leibe, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit, muss die Gesellschaft die Doppel- und Dreifachbelastung der Mütter stärker honorieren. Der regionale Arbeitsmarkt sei künftig auf die immer besser ausgebildeten Frauen mehr denn je angewiesen. Es gebe nur einen geringen Zuzug von außen. Der demographische Wandel führe ohnehin schon zu einem Fachkräftemangel. „Zudem können sich Frauen nur so ein unabhängiges Einkommen und ihre spätere Rente sichern“, betonte Leibe. Er riet Vätern und Müttern, in der Familienphase Kontakt zum Arbeitgeber zu halten und sich weiterzubilden.
 
Verschärfter Konkurrenzdruck

Vielfältige Tipps zum Wiedereinstieg, den in Deutschland zwei Drittel aller Mütter anstreben, boten mehrere Vorträge und Workshops. Es ging um soziale Absicherung, Arbeitsrecht, Schritte in die Selbständigkeit, ein Coaching und einen Bewerbungsmappen-Check. Einige  Frauen hatten zudem die Chance, in einem kleineren Kreis zu schildern, wie sie mit verschiedenen Rückschlägen umgegangen sind. In der Diskussion „Rollenbilder im Wandel – aktive Väter“, die der Trierer Journalist Dieter Lintz moderierte, erwähnten mehrere Teilnehmer den verschärften Konkurrenzdruck gerade in der aktuellen Wirtschaftskrise. Daher hätten viele Mütter und Väter Angst, schon nach zwei Jahren Pause den Anschluss zu verpassen.

Eine wachsende Zahl von Männern entscheide sich dennoch bewusst für die Elternzeit. Dr. Matthias Schwalbach (Hwk) und Dr. Matthias Schmitt (IHK) betonten in der zweiten Diskussionsrunde unter der Leitung von Christine Hartge, sie würden diesen Schritt immer wieder wagen. Andererseits seien sie aber auch froh gewesen, wieder ins Büro zurückzukehren.

Flexible Teilzeitmodelle nötig

In der Debatte wurden mehr Telearbeitsplätze und innovative Teilzeitmodelle gefordert. In Krankenhäusern mit einem Schichtsystem und Präsenz-pflicht der Mitarbeiter gestaltet das aber zum Beispiel eher schwierig. Unkomplizierter ist die Umsetzung im Öffentlichen Dienst. Wie Jürgen Kentenich, Chef des  Finanzamts, berichtete, ist der Frauenanteil in seiner Behörde relativ hoch und die Zahl der Teilzeitmodelle in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Zur Schließung der Betreuungslücke in den großen Ferien gibt es eine Freizeit für Mitarbeiterkinder. Kentenich mahnte wie andere Experten noch flexiblere Kita-Öffnungszeiten an. Weil das Finanzamt mit großem Aufwand seine Mitarbeiter ausbilde, sei es allein schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen schädlich, dieses wertvolle Potenzial später teilweise brach liegen zu lassen. Dieser Aspekt spielt eine wichtige Rolle in dem Auditierungsprogramm „beruf und familie“, dem sich in Trier unter anderem die Stadtverwaltung unterzogen hat. Nach Einschätzung der Trierer Wissenschaftlerin Dr. Sibylle Rahner, die das Konzept mit entwickelt hat, zahlt sich für Arbeitgeber eine familienfreundliche Personalpolitik gleich mehrfach aus.