Sprungmarken
21.12.2010

Etat 2011 knapp abgelehnt

Wegen Schneetief „Petra“ begann die Stadtratssitzung am Donnerstag mit einiger Verzögerung. Das Bürgergremium verzichtete aufgrund des starken Schneefalls auf das Vortragen der Haushaltsreden.
Wegen Schneetief „Petra“ begann die Stadtratssitzung am Donnerstag mit einiger Verzögerung. Das Bürgergremium verzichtete aufgrund des starken Schneefalls auf das Vortragen der Haushaltsreden.
Paukenschlag im Rathaus am Augustinerhof: Der Stadtrat hat in einer denkwürdigen Sitzung den Haushalt der Stadt für das Jahr 2011 mit dem knappen Ergebnis von 27 zu 26 abgelehnt. Die Nein-Stimmen kamen von der CDU, FWG, den beiden Vertretern der Linken und der NPD sowie zwei Abweichlern der SPD und FDP. Die Ampelfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP stimmten ansonsten für den Etat.

Es waren zwei bemerkenswerte Sitzungen, zu denen das Bürgergremium am vergangenen Dienstag und Donnerstag zusammen kam. Während bei der ersten Beratung in rekordverdächtiger Tagungszeit von fast fünfeinhalb Stunden eine Reihe wichtiger Projekte verabschiedet oder nach hitziger Debatte, wie bei der nur noch von den Grünen geforderten neuen Stabsstelle „Umweltsteuerung“, abgelehnt wurde, erfolgte zwei Tage später innerhalb weniger Minuten bei einer der kürzesten Ratstagungen aller Zeiten das Nein zum Haushalt 2011. Wegen des neuerlichen Wintereinbruchs mit stark verunsichernden Wetterprognosen hatte sich der Rat darauf verständigt, die auf 15 Minuten begrenzten Reden der Fraktionen und politischen Gruppierungen nur zu Protokoll zu geben, um somit ein sicheres Nachhausekommen insbesondere der Höhenstadtteilräte zu unterstützen.

Pro und Kontra

In den schriftlich vorliegenden Beiträgen lässt sich das Pro und Kontra des Rates nachlesen. Die Fraktionen von CDU und FWG begründen ihre Ablehnung mit fehlenden strategischen Lösungsansätzen und unzureichenden Konsolidierungsbe-mü-hungen, die den Schuldenberg unverantwortlich immer höher treiben würden. Zustimmend heißt es hingegen bei der SPD, das Defizit hätte im Vergleich zum Entwurf verringert werden können und wichtige Schwerpunkte in den Bereichen Soziales, Bildung, Kultur und Mobilität seien berücksichtigt worden. Die Grünen bekennen sich zu „schmerzhaften“ Einnahmeerhöhungen, warnen aber davor, die Stadt „kaputt zu sparen“. Es müssten Mittel vorgehalten werden, um die Infrastruktur und damit die Lebensqualität der Stadt zu erhalten und zu verbessern. Die Zustimmung der FDP erfolgt unter Auflistung zahlreicher Kritikpunkte mit dem Hinweis, wonach die stetig steigenden gesetzlichen Verpflichtungen das größte Problem für die Stadt blieben.

Nach dem eher unerwarteten Abstimmungsergebnis ließ es Oberbürgermeister Klaus Jensen an deutlichen Worten an die Adresse der Haushaltsverweigerer nicht fehlen. Sie trügen die Verantwortung dafür, dass die vorgesehenen Projekte jetzt über Monate nicht umgesetzt werden könnten. Noch nie sei ein Haushalt so intensiv beraten worden wie dieser. Und in den zurückliegenden knapp fünf Monaten seien keine grundsätzlichen Einwände gegen den Etat erhoben worden.
 
Einen Tag später forderte das Stadtoberhaupt in einer Presseerklärung die ablehnenden Fraktionen auf, der Verwaltung „jetzt konkret mitzuteilen, was geändert werden soll“. Das sei bislang unterlassen worden. Zudem kündigte Jensen Gespräche mit dem Ältestenrat, der sich aus dem Stadtvorstand und den Fraktionsvorsitzenden des Rates zusammen setzt, an, um die weitere Vorgehensweise zu beraten.

Dass der Rat in separaten Abstimmungen mit großer Mehrheit einer Erhöhung der Hundesteuer um grundsätzlich 20 Euro pro Hund und des Hebesatzes der Grundsteuer A von 330 auf 350 v. H. zustimmte sowie die Übersicht der Vorschläge zum Bürgerhaushalt 2011 billigte, ging im Wirbel der Etatablehnung fast unter.

Wie geht es weiter?

Kaum war die Entscheidung gefallen, beschäftigte die Frage, wie es ohne Haushalt weiter gehen soll, nicht nur die Medienöffentlichkeit. Die Stadt teilte hierzu mit, die „Haushaltswirtschaft“ gehe bis zur Genehmigung eines Etats durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), mit gesetzlichen Auflagen versehen, „eingeschränkt weiter“. Aufwendungen und Auszahlungen, zu denen die Stadt rechtlich verpflichtet ist, werden geleistet. Hierzu gehören beispielsweise die Sozialleistungen. Gezahlt wird auch für den Fall, dass Aufgaben unaufschiebbar, Schäden zu befürchten sind oder „Gefahr in Verzug“ ist. In der Überbrückungszeit kann die Stadt auch weiterhin Abgaben wie Steuern und Gebühren erheben. Die Investitionstätigkeit kann fortgesetzt werden, wenn für die Projekte entsprechende Etatmittel im vorhergehenden Haushalt, also 2010, veranschlagt waren. Allerdings dürfen grundsätzlich keine neuen Projekte begonnen oder neue rechtliche Verpflichtungen eingegangen werden.

Durch den ablehnenden Beschluss des Stadtrates sind zahlreiche größere Investitionsvorhaben vorläufig „auf Eis“ gelegt. Hierzu zählen unter anderem das Studentenwohnheim Gneisenaustraße, das Montessori-Kinderhaus Petrisberg, die Kita Tarforst, die Bezirkssportanlage Feyen, die Sanierung der Theodor-Heuss-Hauptschule, die Geschwister-Scholl-Schule, Planungsmittel für die Generalsanierung des Theaters sowie der geplante BKSZ-Feuerwehrneubau in Ehrang, die Umgehung Ehrang B 42 sowie der Ausbau oder die Erneuerung von Straßen, darunter die Loebstraße, und Radwegen.

59,8 Millionen Defizit

Der abgelehnte Etat 2011 sah Erträge von rund 253,4 Millionen und Aufwendungen von 313,2 Millionen Euro vor, so dass ein Defizit von 59,8 Millionen Euro verblieben wäre. Die Gesamtverschuldung der ältesten Stadt Deutschlands wurde auf etwa 726 Millionen Euro prognostiziert.
40 Millionen Euro waren für Investitionen geplant, die laut Plan zur Hälfte jeweils von Bund und Land zu tragen waren. Der städtische Eigenanteil von zirka 20 Millionen Euro hätte über Kredite finanziert werden müssen. Nutznießer der geplanten Investitionen bleiben vor allem die Schulen und Kindertagesstätten, die Umgestaltung der Gneisenau-Kaserne sowie einzelne Straßen.

Gegenüber dem Fehlbetrag von rund 64,1 Millionen Euro bei der Etateinbringung im Juni dieses Jahres konnte das Defizit bei der jetzt abgelehnten Vorlage um 4,3 Millionen Euro verringert werden. Auch der ursprünglich angestrebte Eckwertebeschluss von 62,4 Millionen Euro wurde um rund 2,6 Millionen Euro übertroffen. Zusätzliche Erträge, vor allem bei der Gewerbesteuer (plus 9,5 Millionen Euro gegenüber 2010), und eigene Konsolidierungsbemühungen (rund zwei Million Euro) führten zu der insgesamt verbesserten Bilanz gegenüber den Vorjahren.

Noch einen Tag vor der Haushaltsablehnung sprach Oberbürgermeister Jensen vor dem Hintergrund der nach wie vor dramatischen Haushaltslage von einem schwierigen Konsolidierungsprozess, bei dem die im Rat vertretenen Fraktionen gemeinsam konstruktiv mitgewirkt hätten. Für 2011 kündigte das Stadtoberhaupt mit der Abarbeitung einer gemeinsam mit der externen Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) erstellten Konsolidierungsliste, die mehrere hundert Vorschläge umfasst, weitere Einschnitte an. Zudem werde der geplante Beitritt zum Entschuldungsfonds des Landes der Stadt finanziell noch erheblich mehr als derzeit abverlangen. Auch müssten dann alle Einnahmemöglichkeiten ausgeschöpft werden. Jensen schloss bei dem Gespräch mit Medienvertretern für 2012 eine Erhöhung der Gewerbesteuer nicht mehr aus. Für das kommende Jahr habe man hiervon unmittelbar nach Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise und mit Blick auf die günstigen Sätze in der Region Abstand genommen. Man gönne den Betrieben jetzt eine „Erholungsphase nach schwieriger Zeit“, werde mit ihnen aber auch rechtzeitig über anstehende Veränderungen sprechen.

Gebührenerhöhungen

Der jetzt zurückgewiesene Etat sah für 2011 Preis- oder Gebührenerhöhungen vor, die, so OB Jensen, zwar „moderat“ ausfielen, aber „dennoch weh tun“. Betroffen hiervon waren neben der tatsächlich beschlossenen Anhebung der Hunde- und Grundsteuer A höhere Nutzungsentgelte für die Bibliothek, das Bildungszentrum, das Stadtmuseum sowie der Eintritt für das Nord- und Südbad. Leicht angehoben wurde der Elternbeitrag für das subventionierte Schulessen von derzeit 2,67 auf 2,80 Euro pro Mahlzeit. Auch das Heiraten an Samstagen wäre um spürbare, aber womöglich auch nur einmalige 25 Euro von 75 auf 100 Euro teurer geworden. Den Fraktionen wurde in dem Zahlenwerk, das vorläufig ohne Zustimmung blieb, für ihre Arbeit 15.000 Euro gestrichen. Jensen bezeichnete die derzeitige Schließung der maroden Eislaufhalle und den Verzicht auf die Fortführung der defizitären Antikenfestspiele als „gravierende, schmerzliche Einschnitte“, die ausschließlich der finanziellen Misere geschuldet seien.

Einen Silberstreif am Horizont sah Triers Oberbürgermeister in dem Journalistengespräch in der sich abzeichnenden Bereitschaft des Bundes, sich stärker an den explodierenden Ausgaben der Gemeinden für die Grundsicherung zu beteiligen. Allein wegen der demographischen Entwicklung führe hieran auch kein Weg vorbei. Zustimmung fand die sich abzeichnende Tendenz für die Beibehaltung der kommunalen Gewerbesteuer. Als „Katastrophe“ bezeichnete Jensen hingegen alle Überlegungen, den Kommunen einen Hebesatz auf die Einkommens- und Lohnsteuer einzuräumen. Damit sei natürlich die Erwartung verbunden, zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger höhere kommunale Einnahmen zu erzielen. Da die meisten Landkreise gegenüber den Kommunen finanziell günstiger dastünden, sei gleichzeitig unweigerlich ein Aderlass auf Kosten der Städte zu befürchten.