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07.02.2006

"Entwicklung schnürt Stadt die Luft ab!"

Interview mit OB Helmut Schröer zur städtischen Finanzsituation

Trotz deutlicher Zuwächse bei der Gewerbesteuer hat das Jahr 2005 für die Finanzprobleme der Städte keine Trendwende gebracht. Die aktuelle Jahresprognose der kommunalen Spitzenverbände geht davon aus, dass die Kommunen auch 2006 mit hohen Defiziten kämpfen müssen. Die Rathaus Zeitung (RaZ) sprach mit Triers Oberbürgermeister Helmut Schröer über die Finanzsituation der Stadt.

RaZ: Ihr Kollege, der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, hat als Präsident des
Deutschen Städtetages eine düstere Prognose für die finanzielle Zukunft der deutschen Städte abgegeben. Er beklagt vor allem den mangelnden Spielraum für städtische Investitionen. Wie sieht die Situation in Trier aus?

Helmut Schröer: Die Aussage des Münchner Kollegen Ude kann man 1:1 auf die Stadt Trier übertragen. Auch wir müssen permanent mit hohen Beträgen unser Konto überziehen, um die Dienstleistungen für unsere Bürgerinnen und Bürger zu finanzieren. Auch bei den Investitionen ist die Lage katastrophal. Die Stadt Trier kann nur zum Teil das investieren, was zur Sanierung öffentlicher Einrichtungen und der Infrastruktur nötig wäre.

Zur Zeit stehen ja die Haushaltsberatungen an. Wie kann man denn angesichts der offensichtlichen Finanzprobleme überhaupt planen?

Die oben beschriebene Situation wird natürlich im Doppelhaushalt 2006/2007 deutlich. Wir werden durch die explodierenden Sozialausgaben seit Jahren in das Defizit getrieben. Die Entwicklung erfährt eine weitere Steigerung in den Jahren 2006 und 2007.

Viele Städte melden Zuwächse der Gewerbesteuer. Lässt das nicht die Hoffnung zu, dass sich die Situation in absehbarer Zeit verbessert?

Wir haben auch in Trier deutliche und erfreuliche Zuwächse bei der Gewerbesteuer. 2005 hatten wir die höchste Gewerbesteuereinnahme in der Geschichte der Stadt. Doch was hilft das, wenn bei der Entwicklung der Sozial- und Jugendhilfe in den letzten Jahren teilweise Steigerungen von über 100 Prozent festzustellen sind? Diese Ausgabenentwicklung nimmt unserer Stadt die Luft zur kommunalen Gestaltung. Auch für unsere ehrenamtlich tätigen Ratsmitglieder ist das unerträglich. Es ist schlichtweg ein Skandal!

Neue Belastungen kommen auf die Kommunen zu. Es wird momentan diskutiert, die Kinderbetreuung weiter auszubauen.

Die auf Bundes- und Landesebene diskutierte Idee, die Elternbeiträge für den Kindergartenbesuch gänzlich zu streichen, ist aus gesellschaftspolitischer Sicht durchaus verständlich. Aber die Umsetzung und Finanzierung sollen wiederum auf Kosten der Städte geschehen. Ich kann nur immer wieder betonen, dass es keinen Sinn macht, Wohltaten auf Kosten der Städte zu verkünden, ohne deren Finanzierung sicherzustellen. Bei uns meldet sich Adam Riese fast täglich mahnend zu Wort.

Die heimische Wirtschaft klagt über eine Zurückhaltung der Stadt bei der Auftragsvergabe. Kann die Stadt überhaupt noch mit ihren Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft einen Beitrag leisten?

Das kann sie nicht. Geld für Investitionen ist kaum noch vorhanden. Auf Bundesebene liegen die jährlichen Investitionen in den Kommunalhaushalten um fast 45 Prozent unter denen des Jahres 1992. In den Städten wird das Finanzdesaster auch den Bürgern sehr deutlich. Die Städte sind nicht in der Lage, durch nachhaltige Investitionen dem Vermögensverzehr entgegen zu wirken. Wir bemühen uns zwar in Trier, beispielsweise im Bereich der Schulen und der Straßen, wir sind hier – wie die meisten anderen Städte auch – aber eindeutig überfordert.

Sie werden seit Jahren nicht müde, auf die durch strukturelle Probleme geschaffenen Finanzprobleme der Kommunen hinzuweisen.

In der Tat ist die Problematik nicht neu. Sie hat sich nur in den letzten Jahren dramatisch verschärft. In der Kommunalpolitik macht sich bei vielen Frustration breit. Wenn die jestzige finanzielle Situation nicht eine Aufforderung für eine umfassende Finanzreform auf allen Ebenen ist, dann ist auch das ein Skandal!

Das Gespräch führte Ralf Frühauf