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24.11.2009

Eine Partnerschaft in historischer Aktion

Peter Langer (2. v. l.) und Christfried Würfel (2. v. r.) schildern im Gespräch mit Dr. Hans-Günther Lanfer (l.) und Jürgen Backes (r.), wie sie 1989 die Aktion "Herzlich willkommen Weimar" organisierten.
Peter Langer (2. v. l.) und Christfried Würfel (2. v. r.) schildern im Gespräch mit Dr. Hans-Günther Lanfer (l.) und Jürgen Backes (r.), wie sie 1989 die Aktion "Herzlich willkommen Weimar" organisierten.
Mauerfall und Wiedervereinigung im Spiegel der Städtepartnerschaft Trier-Weimar: Aus kommunaler Perspektive erinnerte das Rathaus an die welthistorischen Ereignisse vor 20 Jahren. Beim „Abend der Erinnerung“ im mit 150 Besuchern besetzten Großen Saal der Tufa schilderten Zeitzeugen, wie sie ganz persönlich das Zusammenwachsen der beiden Städte, ihrer Bürgerinnen und Bürger, erlebten. Dabei wurden „bewegende Momente noch einmal lebendig“, wie Oberbürgermeister Klaus Jensen den Besuchern zu Beginn angekündigt hatte.
„Heute wissen wir, dass Städtepartnerschaften ihren spezifischen Beitrag zum Fall des DDR-Regimes und bei der konkreten Abwicklung der unerwarteten Wiedervereinigung geleistet haben“, sagte Jensen. „Trier hat über diese kommunale Verbindung ein Stück deutsch-deutscher Geschichte miterlebt und mitgestaltet.“

Partnerschaft im Kalten Krieg

Die Moderatoren Dr. Hans-Günther Lanfer und Jürgen Backes vom Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erläuterten zunächst anhand einer Fülle von Film-, Bild- und Tondokumenten die geschichtliche Entwicklung der deutschen Teilung bis zum Bau der Berliner Mauer 1961. Als nächstes Zeitfenster öffneten sie die Jahre 1986/87: Spannend wie einen Krimi schilderte Triers Oberbürgermeister a.D. Helmut Schröer die Gründung der Städtepartnerschaft mit Weimar in der Zeit des Kalten Kriegs. „Für die DDR-Führung war das Außenpolitik. Unsere Grundlage war ein Stadtratsbeschluss“, verdeutlichte er die Gegensätze. Nach ersten Gesprächen 1986 in Trier reiste eine Delegation mit dem damaligen Bürgermeister Schröer und OB Felix Zimmermann im Mai 1987 nach Weimar. Dort kam es wegen der unterschiedlichen Vorstellungen über Sinn und Zweck der Partnerschaft fast zum Eklat: „Unser wichtigstes Anliegen war es, Begegnungen zwischen den Bürgern beider Städte zu ermöglichen.“ Die DDR habe mit allen Mitteln versucht, eine solche Formulierung im Vertrag zu verhindern. Erst als die Trierer mit Abreise drohten, kam ein Kompromiss zustande.

Bei der Ausgestaltung der Partnerschaft hielt sich die Weimarer Seite strikt an die Buchstaben des Vertrags.  „Wenn man Kontakte mit einfachen Bürgern oder gar Dissidenten anknüpfen wollte, musste man ausbüxen“, erinnerte sich Schröer. Das sei auch mehrmals gelungen, allerdings immer beschattet von der Stasi.

Sprung in den Herbst 1989: Bei den Weimarer Dienstagsdemonstrationen gingen Woche für Woche immer mehr Menschen für Demokratie und Freiheit auf die Straße. Dabei spielte auch die Städtepartnerschaft eine Rolle: „Trier-Weimar: Partnerschaft in Aktion“, hieß es auf einem Spruchband.

Umjubeltes Konzert

Zwei Ereignisse waren es dann, die die seitens der DDR bis dato nur bürokratisch verwaltete Partnerschaft ganz plötzlich mit Leben erfüllten: Das spontane Konzert der Staatskapelle Weimar im Trierer Theater und – nach der Grenzöffnung – die Aktion „Herzlich willkommen Weimar“.
Die Staatskapelle Weimar befand sich zu dieser Zeit auf einer Konzertreise durch die Bundesrepublik. Mit dabei war Cellist Joachim Seyd: „Ein Auftritt in Trier war gar nicht vorgesehen.“ Doch im Herbst 1989 wurde vieles möglich, was lange Zeit ausgeschlossen schien. So kam es am 26. Oktober zu dem spontanen, viel umjubelten Konzert im Theater, das nach einer Zugabe mit stehenden Ovationen zu Ende ging. Die Aufbruchstimmung war mit Händen zu greifen.

Nur zwei Wochen später wurde die Grenze geöffnet. Einer Reise von Weimar nach Trier stand nun theoretisch nichts mehr im Weg. Im Trierer Rathaus gab es Überlegungen, Weimarer Bürger in die Partnerstadt einzuladen. „Nach einer ersten Kontaktaufnahme mit der Weimarer Bürgerbewegung gingen wir von vielleicht 200 Teilnehmern aus“, erinnerte sich Helmut Schröer. Weit gefehlt: 6000 waren es schließlich, die sich auf einen Hinweis in der Tageszeitung meldeten. Anlaufstelle in Weimar war das Geschäft des Bürgerrechtlers Andreas Langer: „Mein Musikantiquariat wurde von einen Tag auf den anderen zu einem Reisebüro. Die Leute standen bis auf die Straße.“

An den ersten beiden Adventswochenenden kamen insgesamt rund 1500 Weimarer mit Buskarawanen zu ihrem ersten „Westbesuch“ nach Trier. In einer logistischen Meisterleistung und dank der spontanen Hilfsbereitschaft vieler Trierer war es gelungen, für alle eine Gastfamilie zu finden. Im Rathaus organisierte Christfried Würfel, damals Leiter des Sozialamts, mit vielen freiwilligen Helfern die Zuteilung der Unterkünfte: „Wir haben uns gefragt: Wer passt zu wem? Also wurden möglichst Leute mit gleichen Berufen und Familienstand zusammengebracht.“

Senioren-Experten-Dienst

Freundschaften, die noch heute Bestand haben, wurden in jenen Tagen geschlossen. Wie zum Beispiel zwischen den Familien Schädlich aus Trier und Trommer aus Weimar, die ihre gemeinsamen Jahre Revue passieren ließen. Erinnert wurde auch an die Aktion „Ein Brief für Weimar“ und an den „Senioren-Experten-Dienst“ (SED), als pensionierte Spitzenbeamte des Trierer Rathauses beim Aufbau demokratischer Strukturen in der Weimarer Stadtverwaltung halfen.

Nur wenige deutsch-deutsche Städtepartnerschaften sind bis heute so lebendig geblieben wie die Freundschaft Trier-Weimar. Über die  Aktivitäten der Partnerschaftsgesellschaften berichteten Elisabeth Ruschel und Hartmut Eckardt. Viel Applaus gab es für das Cello-Duo Joachim Seyd und Robertas Urba, das den „Abend der Erinnerung“ musikalisch umrahmte, sowie für die kabarettistische Einlage von Franz-Josef Euteneuer.