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28.02.2012

"Ein dringender Impuls etwas zu ändern"

Besucher können bei der bekennenden Teeliebhaberin Angelika Birk aus einer Vielzahl verschiedener Sorten wählen.
Besucher können bei der bekennenden Teeliebhaberin Angelika Birk aus einer Vielzahl verschiedener Sorten wählen.
Im Abstand von zwei Monaten präsentiert die RaZ im Gespräch mit den Beigeordneten Berufliches und Privates. Sie bilden gemeinsam mit Oberbürgermeister Jensen den Stadtvorstand. Den Anfang macht Angelika Birk, die seit 15. Februar 2010 Bürgermeisterin und Sozialdezernentin in Trier ist. Bevor die gebürtige Krefelderin an die Mosel kam, war sie Abgeordnete im schleswig-holsteinischen Landtag und wurde 1996 als Ministerin ins Kabinett von Heide Simonis berufen. Im Gespräch erzählt die Politikerin, weshalb sie der Blick über das Moseltal fasziniert und warum für sie  die Grünen bis heute eine konsequente Partei sind.

RaZ: Frau Birk, was motiviert Sie, auch gut zwei Jahre nach Amtsantritt noch voller Tatendrang ins Büro zu kommen?

Birk: Also, zum einen habe ich ganz tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist wirklich eine große Unterstützung – jeden Tag! Zum anderen kenne ich inzwischen viele Leute in der Stadt, die sich engagiert für das Allgemeinwohl einsetzen, mit denen sich viel zusammen anpacken lässt. Oft ist zuviel gleichzeitig zu tun. Deshalb ist die Laune auch nicht immer nur rosig. Aber die Mühe lohnt sich.

Welche ist Ihre wichtigste Charaktereigenschaft in Bezug auf den Beruf als Politikerin?

Das ist wohl so eine Mischung: Das Gefühl, sich nicht mit Ungerechtigkeiten abfinden zu können, ein dringender Impuls, etwas zu verändern, aber auch gerne öffentlich aufzutreten, Neugier und Durchhaltevermögen. Und man muss auch mal was wegstecken können.

Welchen anderen Beruf außer dem der Politikerin würden Sie gerne ausüben?

Ich hatte ja Lehrerin gelernt und habe das auch ausprobiert. Jemandem was beibringen, Menschen zu beraten, ja, auch zu führen, das mache ich gern. Vielleicht war es aber besser, dass ich den Weg in die Schule nicht weiter gegangen bin. Ich weiß nicht, ob ich eine gute Lehrerin wäre  – das ist einfach ein Knochenjob. Aber mit Kindern unterhalte ich mich auch als Kinderlose gerne, sie stellen direkte Fragen und zwingen, genau zu sein.

Welche Fächer haben Sie unterrichtet und waren das auch die Fächer, in denen Sie während Ihrer Schulzeit am besten waren?

Ich habe Deutsch und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien studiert. Aber es gab auch andere Fächer, in denen ich gut war (lacht), zum Beispiel Musik.

Sie gehören zu den Gründungsmitgliedern der Grünen. Welche der „grünen Leitlinien“ aus der Anfangszeit beeinflusst bis heute Ihre Arbeit?

Die Grünen waren und sind bis heute die konsequenteste Partei, was den Atomausstieg und die Alternativen zur Atomkraft angeht. Das Thema haben zwar inzwischen auch andere Parteien in ihrem Programm, aber ohne die Grünen wäre das da nie gelandet. Weltweit nicht. Die Grünen wurden in vielen Ländern gegründet, um sich gegen das „Schneller, Größer, Weiter“ zu wenden, weil die Ressourcen auf der Erde nun mal endlich sind. Ganz entscheidend für mich ist auch das dritte Grüne Element: Die Emanzipation – ob das   Frauenemanzipation ist, die Selbstbehauptung von Menschen mit Behinderungen oder der Leute, die zu uns eingewandert sind oder das Coming out gleichgeschlechtlich Liebender. All das hat mich angetrieben, die Grünen mitzugründen – und hält mich bis heute.

Zu ihren Aufgabenschwerpunkten gehören die Schulen und Kitas. Aufgrund der schlechten Haushaltslage ist nicht ausgeschlossen, dass Schulen langfristig geschlossen werden müssen. Auf was müssen sich Eltern einstellen?

Also, ich möchte erst mal dick unterstreichen, dass wir an dem zweiten Teil eines Schulentwicklungsplanes arbeiten, nicht eines Schulschließungsplans! Ich lade alle Interessierten ein, die Fortsetzung des Schulentwicklungsplans im Laufe dieses Jahres zu begleiten. Hier ist viel Potenzial. Denn es gibt in unserer Stadt mehr Babys als vor ein paar Jahren. Trier wächst. Außerdem besuchen viele Kinder und Jugendliche aus der Umgebung unsere Schulen. Und die Bildungsministerin schreibt kleinere Klassen vor. Angesichts der städtischen Schulden ist es allerdings schwer, die vielen alten Schulbauten gut zu erhalten. An wenigen Stellen müssen wir deshalb etwas zusammenlegen oder Schulbezirke verschieben. Gleichzeitig bauen wir die Integrierte Gesamtschule auf und auch an anderen Standorten entsteht Neues.

Eines der wichtigsten Ziele der kommenden Jahre ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ...

Ich bin sehr froh darüber, dass Herr Oberbürgermeister Jensen dieses Anliegen so massiv unterstützt. Wir haben tatsächlich viel zu wenig bezahlbare Wohnungen. Deswegen hatten wir letztes Jahr eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die uns Wege aufzeigt, wie wir aus dieser Notlage herauskommen können und was es kostet, allein unsere gut 700 städtischen Wohnungen zu sanieren.

Welche Schritte sind 2012 denn geplant, um diese „Baustelle“ anzugehen?  

In diesem Jahr werden sich Architekten in den städtischen Wohnungen umsehen und schauen, was an Sanierung möglich ist, ohne dass die Miete zu teuer wird. Und ich setze auf Investoren aus der Region, die Lust haben, in Trier nicht nur für die obersten 10 000 zu bauen. Gemeinsam mit meiner Kollegin Simone Kaes-Torchiani habe ich die Aufgabe, nach Grundstücken in der Stadt zu suchen, die für bezahlbare Wohnungen in Frage kommen, auch für soziale Hausgemeinschaften. Preisgünstiger Wohnraum entsteht nicht „Simsalabim“ bis Ende des Jahres, aber  wir werden im Laufe dieses Jahres genauer wissen, in welchen Etappen wir welche Schritte gehen. Das muss auch im Stadtrat breit diskutiert und mit der Landesregierung besprochen werden, weil wir von dort auch finanzielle Unterstützung brauchen. Allein als Stadt werden wir das nicht „wuppen“ können.

Gibt es einen Ort in Trier, an dem sie sich besonders gerne aufhalten?

Der Domfreihof mit dem Dom und der Liebfrauenkirche. Als ich das zum ersten Mal sah, dachte ich: „Wow! Das ist eine Stadt mit etwas Erhabenem, ein Kraftort.“ Mir gefallen auch die Fußwege rund um Trier mit Blick über das Moseltal. Von oben auf die Stadt zu gucken, mit diesem Gravitationszentrum mittendrin, das finde ich immer wieder faszinierend. Ein Kraftort ganz anderer Art ist übrigens auch unsere Arena in Trier-Nord.

Die Nähe zu Luxemburg ist ein Pfund, mit dem Trier wuchern kann. Warum ist es für das Nachbarland von Vorteil, Trier „direkt vor der Haustür“ zu haben?

Wir sind nicht nur preiswerte Einkaufsstadt, sondern auch ein Think Tank für unser Nachbarland. Bei uns werden viele Menschen in Berufen ausgebildet, die es als duale Ausbildungsberufe so in Luxemburg gar nicht gibt. Trier hat auch mit dazu beigetragen, dass die Luxemburger Uni auf die Füße kam. Für Luxemburg ist Trier das nächste Tor nach Deutschland. Wichtig ist, dass wir  auf Augenhöhe miteinander kooperieren – das sage ich ganz selbstbewusst als Neu-Triererin.

Wenn Sie das Jahr 2011 kurz Revue passieren lassen: Welche Projekte haben sich positiv entwickelt, welche sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben?

Nicht wenige glaubten, das Gebäude der Kita Trimmelter Hof mache immer kränker und rieten mir, es aufzugeben. Doch die erneute Sanierung hat’s gebracht! Dank an das Baudezernat! In vielen Kitas wird derzeit saniert, Neubauten sind in Planung. Denn in wenigen Jahren wollen fast alle Eltern eine Kinderbetreuung bald nach der Geburt. Wir schaffen deshalb ständig neue Kitaplätze. Gute Arbeit geleistet hat auch das Jobcenter: Viele Leute in Arbeit gebracht und gemeinsam mit dem Jugendamt alle armen Kinder mit Bildungsgutscheinen erreicht. In Trier-West gibt es jetzt eine integrative Realschule Plus. Das freut mich sehr. Deren Schüler haben neulich einen großen Bundespreis in Geschichte gewonnen. Vor zwei Jahren stand diese tolle Schule noch auf der Schließungsliste.

Und die Wermutstropfen?

Naja, das Land hat nicht alle Schulbeschlüsse der Stadt akzeptiert und gibt ab 2012 deutlich weniger Geld für den Sport. So wird der neue Kunstrasenplatz in Feyen wohl bis auf weiteres der letzte sein. Und tausende Überstunden gibt es auch in meinem Dezernat. Diese Schulden an unsere Leute sind noch offen. Die Sanierung des Moselstadions geht aber weiter. Auch die Gründung des Jugendparlaments und des Behindertenbeirates wollte niemand am Geld scheitern lassen. Diese Gremien legen jetzt los.

Welche Themen stehen in diesem Jahr ganz oben auf ihrer Agenda?

Planungen sind auch in anderen Bereichen dran: Wie geht’s weiter im Trierer Sport? Wie im Programm Soziale Stadt? Ganz dringend hat die Stadt eine Halle für die Skater zu sichern, wenn nicht in Trier-West, dann anderswo. Die Netzwerke zur Pflege alter Menschen und zur Versorgung von Menschen mit Behinderungen gilt es weiter zu entwickeln. Eine große Aufgabe! Die Volkshochschule macht eine breite Kampagne, um Erwachsenen zu helfen, die nicht lesen können. Und die Stadtbibliothek Weberbach baut um, ihre Schätze sollen besser zur Geltung kommen. Dort liegen mit die ältesten Handschriften und Bücher Deutschlands! Gleichzeitig muss ich ständig prüfen, wo man noch sparen kann.

Haben Sie noch Zeit für Hobbys?

Mehr Ruhephasen! Das ist tatsächlich mein großer Vorsatz für dieses Jahr. Es sind ganz unspektakuläre Dinge, die ich dann genieße: Kultur aller Art, Spazieren und Rad fahren, lesen, draußen schwimmen, gut essen. Und im Sommer bin ich gern in dem alten Garten, den ich als Mieterin mitnutzen darf, und tue dann einfach mal nichts.

Das Gespräch führte Sascha Gebhardt