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04.04.2017 | Ausstellung

Dunkelstes Kapitel der Stadtgeschichte

Philipp Gräßer erläutert er eine Tafel über die Romika-Werke
Philipp Gräßer erläutert eine Tafel über die Romika-Werke. Die jüdische Familie Rollmann gehörte zu den Inhabern, wurde zwangsweise enteignet. Ihre spätere Klage auf Entschädigung wurde mit der Begründung abgelehnt, das Werk sei bereits vor der „Arisierung“ bankrott gewesen.
Rund 650 Trierer Juden fielen dem Holocaust des NS-Regimes zum Opfer. Das Schicksal dieser Menschen und die Biographien von Tätern rückt die neue Ausstellung „(Unge)Rechtes Trier“ im Atrium von VHS und Bibliothek im Palais Walderdorff in den Mittelpunkt. Die Mitglieder eines früheren Geschichtsleistungskurses am AVG konnten das Projekt weitgehend selbstständig gestalten.

VHS-Chef Rudolf Fries sprach bei der Eröffnung in der letzten Woche von einem „sehr beachtlichen Projekt“. Nach einer aktuellen Zählung kämen jede Woche rund 2500 Kunden der Stadtbibliothek durch das Atrium und könnten sich die Präsentation anschauen. Die VHS plant in diesem Jahr eine Reihe weiterer Ausstellungen, darunter fotografische Impressionen einer Nepal-Reise, Einblicke in die Arbeit von „Ärzte ohne Grenzen“, einen Rückblick zum 70-jährigen Jubiläum des VHS-Neustarts nach dem Zweiten Weltkrieg sowie zur Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Trier.

Die Jugendlichen vom AVG hatten im Herbst 2013 unter der Leitung ihrer Lehrerin Claudia Nosper ihr Ausstellungsprojekt in Angriff genommen. Zunächst standen Recherchen in Archiven, Gespräche mit Zeitzeugen sowie Experten auf dem Programm. Außerdem setzte sich die Gruppe mit der Frage auseinander, wie sich die Schauplätze des dunkelsten Kapitels der Stadtgeschichte heute präsentierten und welche Gebäude umgestaltet wurden. Das gilt etwa für das frühere Gefängnis in der Windstraße, in dem mittlerweile das Museum am Dom untergebracht ist.

Eine prominente Rolle spielt der Rindertanzplatz, weil von dort aus seit 1942 die Juden in die Lager deportiert wurden. Im Ortsbeirat Trier-Mitte/Gartenfeld wird schon seit einiger Zeit darüber diskutiert, wie an diesem überwiegend als Parkplatz genutzten Ort eine würdigere Erinnerung an die NS-Opfer ermöglicht werden kann. Daher unterstützt das Gremium das Schülerprojekt. In der Ausstellung wird auch das Bischof-Korum-Haus vorgestellt, seit April 1942 Sammelgefängnis für jüdische Frauen und Kinder, sowie das Gestapo-Gebäude am Balduinsbrunnen.

Berührendes Einzelschicksal

Besonders berührend wird die Ausstellung, wenn es um die Schicksale der Opfer geht. Ein Beispiel ist der 1925 geborene Fritz Kahn. Um Platz für einen Gestapo-Beamten zu schaffen, wurde seine Familie 1941 gezwungen, ihr Haus zu verlassen. Nach dem Aufenthalt in einem „Judenhaus“ deportierte das Regime die Familie nach Auschwitz und zwang Fritz Kahn zu härtester Sklavenarbeit. Mit 18 Jahren starb er an Herzschwäche, zwei Monate nach der Ermordung seines Vaters. Seine Mutter überlebte das KZ, obwohl sie von dem berüchtigten Lagerarzt Josef Mengele für medizinische Versuche missbraucht worden war.

Um die Einzelschicksale besser verständlich zu machen und in einen Kontext einzuordnen, präsentieren die Schüler einen Überblick zur Geschichte der Trierer Juden seit dem Mittelalter sowie zu den Übergriffen im 20. Jahrhundert, die es teilweise schon vor der NS-Zeit gab. So wurde 1929 ein Friedhof in Hermeskeil geschändet.

Außerdem schlägt die Ausstellung einen Bogen bis in die Gegenwart durch ein Interview mit Benz Botmann, von 1999 bis 2013 Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde. Er verweist unter anderem auf die deutliche Verbesserung des Verhältnisses zwischen Juden und Christen seit den 60er-Jahren. Die Ausstellung, die die Schüler mit Unterstützung der Trierer Agentur Propeller realisierten, ist bis 13. April zu sehen. Sie entstand mit Unterstützung der VHS, der Sparkasse, der Kulturstiftung, des AVG-Freundeskreises, des Vereins Trierisch, der Hafengesellschaft, der städtischen Denkmalpflege, des Stadtarchivs und des Landesmuseums.

 
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