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02.11.2021

Digitalisierung ganzheitlich betrachten

Thorsten Kraus
CDO Thorsten Kraus.
Im Experten von Bitkom Research haben zum dritten Mal nach 2019 und 2020 erhoben, wie smart deutsche Großstädte sind. Dazu haben sie Daten zu den Themen Verwaltung, IT und Kommunikation, Energie und Umwelt, Mobilität sowie Gesellschaft erfasst, überprüft und qualifiziert. Bei dem neuen Smart City Index hat Trier sich von Platz 43 im Vorjahr auf Platz 20 verbessert. Thorsten Kraus (43), als Chief Digital Officer (CDO) der Stadt Trier verantwortlich für Koordinierung und Steuerung der Digitalisierungsaktivitäten in Stadt und Stadtverwaltung, erklärt im Interview mit der Rathaus Zeitung (RaZ) woran das liegt.

RaZ: Was hat sich in Trier in Sachen Digitalisierung verbessert?

Thorsten Kraus: In den vergangenen beiden Jahren ist Trier mit Platz 43 und 41 im Mittelfeld gelandet. In der Analyse haben wir festgestellt, dass vieles von dem, was wir hier schon umgesetzt haben, nicht oder nur unzureichend Berücksichtigung fand. Deshalb habe ich in diesem Sommer alle Parameter geprüft und, wo erforderlich, ergänzt. Dazu hatte jede Stadt im Sommer Gelegenheit. Ein Beispiel ist unser Trierer Geoportal: Dieses Informationssystem gibt es schon seit mehreren Jahren. Es wird stetig erweitert und ergänzt. Manche Daten wurden von Bitkom abgefragt und für Trier als gar nicht existent bewertet. Entsprechend haben wir hier nachjustiert und die Fakten anhand konkreter Beispiele belegt.

Bei welchen Indikatoren konnten im abgelaufenen Jahr größere Fortschritte erzielt werden?

Dazu zählen beispielsweise das City- WLAN der Stadtwerke oder das neue Funknetz LoRaWAN, über das Sensordaten übermittelt werden können. Das ist eine ganz wichtige Basis-Infrastruktur für unsere Stadt. Hier haben wir mit den Bodenfeuchtesensoren ein Leuchtturmprojekt umgesetzt. Im Themenbereich IT und Kommunikation haben wir dadurch 18 Plätze gut gemacht. Auch haben wir in der Corona-Pandemie sehr schnell die Möglichkeit geschaffen, online Termine zu vereinbaren. Etliche Verwaltungsleistungen sind zudem – unter Beachtung der rechtlichen Möglichkeiten – bereits online nutzbar. Vieles von dem erscheint vielleicht selbstverständlich, aber dieser Vergleich mit anderen Städten zeigt: Auch wenn wir nicht in allen Bereichen absolute Spitze sind, decken wir bereits ein sehr breites Spektrum ordentlich ab. Und genau darum geht es bei dieser abgefragten Themen-Vielfalt: Alle fünf Kategorien des Index bestmöglich abzudecken. Nur einzelne Leuchtturmprojekte bringen kein gutes Gesamtergebnis.

Welche Bereiche in der Stadt sind vom Thema Smart City betroffen?

Digitalisierung und Smart City sind Querschnittsthemen und erfordern einen ganzheitlichen, gesamtstädtischen Ansatz. Das bestätigt auch die Entscheidung, im Rahmen der Neustrukturierung der Verwaltung der Digitalisierung als Querschnittsaufgabe weiterhin eine hohe Priorität einzuräumen und die strategisch ausgerichtete Stabsstelle eines Chief Digital Officers beim Oberbürgermeister dauerhaft einzurichten. Zukünftig wird sich mit Ralf Britten ein Fachdezernent in die Verantwortung und operative Umsetzung einbringen und in der Kommission „Digitale.Stadt.Trier“, die der Stadtrat beschlossen hat und der Vertreter aller Fraktionen angehören, das Thema engagiert weiter voran bringen.

In welchen Bereichen hat Trier beim Smart City-Index besonders gut abgeschnitten?

Wir haben in vier der fünf Kategorien bessere Platzierungen als im Vorjahr erzielt, sind der Top-Aufsteiger 2021 und beste Großstadt in Rheinland- Pfalz. Ich finde, das kann sich durchaus sehen lassen. Zwei Kategorien stechen besonders hervor: Bei Energie und Umwelt sowie Gesellschaft sind wir deutschlandweit sogar auf Platz sechs geklettert. Maßstäbe konnten wir im Bereich Energie und Umwelt vor allem durch unsere Stadtwerke setzen. Im Bereich Gesellschaft hat neben dem bereits erwähnten Geoportal die Öffentlichkeitsbeteiligung zur guten Platzierung beigetragen. Positiv ausgewirkt haben sich unter anderem die Plattform trier-mitgestalten.de, der Bürgerhaushalt und die Live-Übertragungen der Stadtratssitzungen über den Offenen Kanal im Internet.

Wo besteht noch Handlungsbedarf?

Der Smart City-Index zeugt insgesamt von einer hohen Dynamik der Digitalisierung der Städte. Es gibt zahlreiche Verschiebungen im Vergleich zum letzten Jahr. Diese erklären sich auch dadurch, dass keine Stadt untätig geblieben ist. Unsere gute Platzierung ist also kein Garant für ein gutes Abschneiden auch im kommenden Jahr. Und es wäre auch fatal, sich nur auf die Bereiche zu fokussieren, in denen wir nicht so gut waren. Wir betrachten weiterhin Digitalisierung und Smart City ganzheitlich und haben alle Handlungsfelder im Blick. In der Analyse des 2021er Index fallen natürlich dennoch einige Parameter auf, in denen wir im Vergleich zu anderen Städten besser werden können. Teilweise arbeiten wir auch schon daran. Ein paar Beispiele: Es sind bereits viele Online-Services über unsere Webseite trier.de aufrufbar. Was aber noch fehlt, ist ein zentrales Service- Portal als Einstiegspunkt in das „digitale Rathaus“. In der Kategorie Energie und Umwelt, in der wir aktuell sehr gut abgeschnitten haben, sehe ich noch erhebliches Potenzial bei einer smarten Abfallentsorgung. Unter der Überschrift „Smart Waste“ werden in anderen Städten Abfallsammelbehälter mit Sensoren ausgestattet, die den Füllstand einer Datenplattform melden. Anhand dieser Echtzeit- und Prognose-Daten kann bedarfsgerechter geleert und die Tourenplanung des Entsorgungsbetriebs optimiert werden.

Wie sieht es in der Kategorie IT und Kommunikation aus?

Wir haben einen erheblichen Nachholbedarf beim Glasfaserausbau. Das verbessern wir gerade in Kooperation mit den Providern, insbesondere der Deutschen Telekom. Aber wir brauchen auch unbedingt eine urbane Datenplattform, an die alle in einer Smart City anfallenden und gemessenen Daten übertragen und dort für die Allgemeinheit vorgehalten werden. Über standardisierte Schnittstellen können diese Daten, beispielsweise zu Verkehr, Luftqualität, Besucherströmen, usw., abgerufen und weiterverarbeitet werden. Dadurch entstehen Mehrwerte, wenn beispielsweise Unternehmen und Start-ups basierend auf diesen aktuellen Daten sektorübergreifende Anwendungen und Geschäftsmodelle entwickeln, die wiederum der Allgemeinheit zu Gute kommen. Hierbei spielen Datensouveränität und Datenhoheit natürlich eine wichtige Rolle. Deshalb muss eine solche Plattform in kommunaler Regie entstehen und betrieben werden.

Das Gespräch führte Ernst Mettlach